Wie viele Verbände braucht die Natursteinbranche bzw. der Friedhof?

Bundesinnungsmeister Gustav Treulieb. (Foto: BIV)

Persönliche Stellungnahme von Bundesinnungsmeister Gustav Treulieb zu den Aktivitäten des VDNV und den leisen oder lauten Vorwürfen, der BIV vernachlässige die Interessen seiner Mitglieder, sollte er sich nicht stärker dem VDNV anschließen und dessen Aktivitäten unterstützen.

Seit der VDNV aus dem Nichts in der Öffentlichkeit aufgetaucht ist, werde ich das Gefühl nicht los, dass – zwar mit viel gut gemeintem Engagement – versucht wird, immer im richtigen Moment am aktuell populären Thema zu sein. So wurde der Ansatz des VDNV, zusammen mit einem Friedhofsplaner Möglichkeiten eines Verbots für Waldbestattungen zu finden, auch als ein Mittel zur Rettung der Branche verkauft. Und was ist davon übriggeblieben? Um einen Trend um 180° zu drehen, bedarf es Alternativen. Verbote bestärken eher einen Trend, v.a., wenn sie von Wirtschaftsverbänden kommen. Natürlich stellt sich auch die Frage, für wen und was der VDNV steht, wer die handelnden Personen sind und was dieser Zusammenschluss tatsächlich erreichen will. Für Grabmalhändler und -produzenten ist es legitim, ihre ureigenen Interessen zu vertreten und nach Mitstreitern auf diesem Weg zu suchen.
 
Unterscheidung durch Produkte, nicht durch den Preis
Momentan geht es um das immaterielle Kulturerbe, und natürlich muss sich der BIV fragen lassen, warum er sich dem Antrag nicht angeschlossen hat. Selbstverständlich unterstützt der BIV viele Aktivitäten rund um den Friedhof. Es war aber für uns im Vorfeld strittig, ob der Titel "Kulturerbe" zu einer Verbesserung der Friedhofsakzeptanz in der breiten Bevölkerung führt. Beispiele, dass der Titel sich nicht positiv auf eine Sache auswirkt, gibt es genug, z.B. die deutsche Brotvielfalt. Trotz der Aufnahme in die UNESCO-Liste müssen jede Woche auch weiterhin Handwerksbäckereien schließen, also hilft das zur Erhaltung eines Berufsstands nicht.

Es ist bei uns wie bei den Bäckern: Nur wenn das Produkt attraktiv ist und den Kunden erreicht, kann ein Betrieb bestehen. Massenprodukte werden billiger und immer schneller über ein Händlernetz angeboten. Sie unterscheiden sich nur noch durch den Preis. Diesen Kampf kann ein Steinmetzbetrieb übrigens aus meiner Sicht am Ende auch nur verlieren. Gerade die Massenware ist es doch, die seit einigen Jahren ganz besonders am Friedhof wegbricht. Dass dies für viele Betriebe existenzbedrohend ist, ist uns bewusst.

Wir beobachten eine Veränderung am Friedhof, die nicht nur durch Bewahren und Festhalten aufgehalten werden kann. Dafür sind die gesellschaftlichen Veränderungen schon zu weit fortgeschritten. Wir müssen Produkte finden, kreieren und anbieten, die den Nerv der Menschen heute und in naher Zukunft treffen. Dank meines Alters kenne ich noch die Zeit, in der sich jeder Steinmetzbetrieb durch ein eigenes Profil ausgezeichnet hat. So diente z.B. eine eigene Entwicklung von Schriften dazu, sich vom Mitbewerber zu unterscheiden. Der Unterschied zwischen den Betrieben war durch das Produkt gekennzeichnet und nicht allein durch den Preis.
 
Zusammenarbeit angeboten unter dem Dach des ZDNW
Wir haben den geplanten Antrag des VDNV auch mit der AFD und Prof. Fischer besprochen. Hier und dort herrscht die Ansicht, dass man es versuchen solle, aber dass die Chancen als gering eingeschätzt werden. Profiteur eines gelungenen Antrags sei am Ende nicht das Handwerk, sondern das einreichende Bundesland. Trotzdem haben wir dem  Antrag ein gutes Gelingen gewünscht, sehen uns aber nicht als Unterstützer, ebenso wie auch der DNV als der Interessensvertreter der deutschen Naturwerkstein-Industrie dies nicht tut. Das hängt aber auch damit zusammen, dass uns der VDNV nicht von Anfang an in den Prozess integriert hat und uns auch nicht darüber informiert hat, welche Ziele er mit einem möglichen positiven Ausgang der Bewerbung verfolgt. Als BIV haben wir die gleichen allgemein gehaltenen Informationen wie alle anderen Verbände bekommen. Unter einem engen Zusammenschluss in der Natursteinbranche verstehen wir, dass wir Ideen gemeinsam mit unseren Partnern von Anfang an besprechen. Wir sind mit dem VDNV schnell nach dessen Gründung ins Gespräch gekommen und haben im weiteren Verlauf auch eine konkrete Zusammenarbeit angeboten. Die sollte beinhalten, dass der VDNV sich zusammen mit dem BIV und dem DNV unter das Dach des bestehenden ZDNW stellt.

Dies würde aber auch bedeuten, dass gleiche Rechte für alle gelten – aber auch gleiche Pflichten. So leisten z.B. heute der BIV und der DNV über den ZDNW die Friedhofsrechtsberatung alleine. Die Mitglieder der beiden Verbände können sich dieser Beratung bedienen.

Mit der Unterstützung von Prof. Dr. Gerd Merke konnten wir so u.a. die Abänderung restriktiver Friedhofssatzungen erwirken, die von den Betrieben den Nachweis forderten, dass ihre Produkte nicht durch Kinderarbeit entstanden sind. Mit großem finanziellem Engagement leistet der BIV so direkte Hilfe für seine Mitglieder und unterstützt sie bei ihren unternehmerischen Aktivitäten. Man kann also nicht behaupten, der Friedhof sei uns "nicht so wichtig". Das Gegenteil ist der Fall. Aber wir leisten eben viel leise Arbeit. Lautstärke allein ist nicht immer ein Beweis für Qualität.
 
Wettbewerb Friedhofsplanung
Wir sind aktuell dabei, eine Wettbewerbsausschreibung zu erstellen, bei der es um Friedhofsentwicklung geht, und rufen alle Kollegen auf, sich daran zu beteiligen. Die Ausschreibung wird u.a. in der Fachzeitung Naturstein veröffentlicht. Wir würden uns freuen, wenn viele mitmachen. Die Veränderungen am Friedhof mitzugestalten und dabei unser Können und Wissen einzubringen, kann zu einem positiven Ergebnis führen. BIV, DNV, Friedhofsgärtner, Friedhofsverwalter, Aeternitas, die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal sowie die Fachzeitschriften Naturstein und Friedhofskultur unterstützen uns ebenfalls – gemeinsam mit allen Genannten sind wir von der Idee zum fertigen Projekt gelangt. Wir halten die Weiterentwicklung des Friedhofs und deren Begleitung auch im Zusammenschluss mit den anderen Gewerken und Interessensgruppen - auch den Kirchen - für ein wichtiges Instrument, um die Zukunft des Friedhofs zu gestalten. Daraus ist zu erkennen, dass wir neben allen anderen parallel laufenden Aktivitäten den Friedhof als einen zentralen Punkt unserer Verbandsarbeit sehen.
 
Friedhof als attraktives Dienstleistungszentrum
Gesellschaftliche Veränderungen zu beeinflussen, ist ein langer und schwieriger Weg, der viel Geduld, Zeit und Kreativität benötigt. Da der Friedhof entweder unter kommunaler oder kirchlicher Verwaltung steht und einem enormen Kostendruck ausgesetzt ist, sind die Spielräume gering. Und ohne aktive Beteiligung der Friedhofsverwaltungen ist hier nichts zu verändern.

Der Friedhof steht im direkten Wettbewerb mit den alternativen Bestattungsorten. Also müssen die Angebote finanziell und gestalterisch eine Alternative zu der wachsenden Konkurrenz bieten. Der Friedhof sollte zu einem attraktiven Dienstleistungszentrum werden – das betrifft aber auch die dort arbeiteten Gewerke. Stärken des bestehenden Friedhofs erhalten – ja, Veränderungen und Anpassen an neue Bedürfnisse – unbedingt, aber das Bestehende zementieren – nein. Wir müssen uns alle fragen, ob wir uns nicht viel zu lange in einer bequemen Situation eingerichtet hatten.

Die Veränderungen am Friedhof finden nicht erst seit 2014 statt, je nach Region gibt es doch schon seit 20 Jahren einen Bruch. Und wer weiß, wie es heute aussehen würde, wenn nicht der BIV und andere am Friedhof tätige Gewerke schon seit vielen Jahren für den Friedhof aktiv geworden wären – mal lauter, mal leiser, mal hinter und mal vor den Kulissen?

Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass der BIV alles unternimmt, dem Friedhof auch weiterhin den Stellenwert in der Gesellschaft zu verschaffen, den er aus kultureller und emotionaler Sicht verdient. Wir setzen dabei auf Eure Unterstützung und nehmen Anregungen aus dem Kollegenkreis gerne auf.

(24.11.2015)

Autor/in: Gustav Treulieb, Bundesinnungsmeister