Stein schmückt Stadtpalais

Neues Ensemble mit zwei Bürogebäuden und zwei Wohnhäusern.

Fassadenschäden am 1898 erbauten Stadtpalais, verursacht im Krieg, durch den "Zahn der Zeit" sowie durch mangelhafte Sanierungs arbeiten (Foto: SSW)

Eine große Herausforderung stellte im neuen Stockwerk des Eckgebäudes v. a. die Ausführung der Fensterbögen dar, die nur mit den Holzfüllungen der Fenster gefüllt waren. Vierkantprofile auf der Rohdecke, Konsolen und eine verringerte Tiefe waren nur ein Teil der Lösung. Fotos: Sächsische Sandsteinwerke (SSW)

Das zweigeschossige offene Vestibül von Haus 1 aus BAUHAUS-TRAVERTIN, vertikal scharriert verlegt, bildet als repräsentatives Entrée die Mittelachse des Gebäudes. (Fotos: Patzschke Planunggesellschaft)

Mitten in der Berliner Dorotheenstadt ist parallel zum Prachtboulevard "Unter den Linden" ein neues Ensemble entstanden, das zwei Bürogebäude und zwei Wohnhäuser mit hochwertig verarbeiteten Natursteinfassaden umfasst. Die Steinarbeiten haben das Steinwerk Lauster und die Sächsischen Sandsteinwerke ausgeführt.

Herzstück des Ensembles ist ein denkmalgeschütztes ehemaliges Wohnhaus von 1898 an der Ecke Behren- und Glinkastraße. Das Eckhaus und das sich in der Glinkastraße anschließende Gebäude bieten hochwertigen Wohnraum. In der Behrenstraße wurden hingegen zwei Bürogebäude mit straßenbegleitenden Einzelhandelsflächen errichtet.

Ausschreibung und Planung
2008 schrieb die Frankonia Eurobau einen Wettbewerb für das Baugrundstück Behrenstraße 14–19/Glinkastraße 42 in Berlin aus. Das denkmalgeschützte Eckgebäude von 1898 war für eine hochwertige Wohnnutzung in das Gesamtkonzept einzubeziehen. Die Planung der Architekten KSG aus Leipzig überzeugte den Bauherrn für das Wohnhaus an der Glinkastraße und das hintere Bürogebäude an der Behrenstraße (Häuser 2 und 3); die Patzschke Planungsgesellschaft, Berlin, siegte mit ihren Entwürfen für das Bürogebäude an der Behrenstraße (Haus 1) und das Eckgebäude (Haus 4). Das Büro Patzschke erhielt den Auftrag für die Ausführungsplanung aller Gebäude. "Leitidee für die Planung war die Schaffung hochwertiger Gebäude, die sich unprätentiös in die historische Umgebung einfügen und dennoch eine selbstbewusste und elegante Präsenz zeigen, erläutert Architekt Michael Mohn," Büroleiter der Patzschke Planungsgesellschaft das Konzept. Zu den übergeordneten Entwurfsmerkmalen der Neubauten gehörte auch die horizontale und vertikale plastische Gliederung sowie die Repräsentativität ausstrahlende Symmetrie der Fassaden. Ferner wurde die lange Bauflucht an der Behrenstraße gemäß dem städtebaulichen Wunsch nach Kleinteiligkeit in zwei Einzelgebäude gegliedert. Dabei erfolgte die Teilung nicht mittig, sondern im Verhältnis von ca. einem Drittel zu zwei Dritteln, was sowohl den gestalterischen Proportionen, als auch der Ausweisung unterschiedlich großer Mietbereiche diente. "Die geforderte hohe gestalterische Qualität der Neubauten wurde durch eine feingliedrige Detaillierung erreicht, die sich insbesondere in der Natursteinverarbeitung der Fassaden zeigt", betont Architekt Mohn und ergänzt: "Die Fassaden der drei Neubauten unterscheiden sich in Material, Farbton und Detail, folgen aber einem klaren architektonischen Prinzip und nehmen die historische Struktur des Quartiers auf."

Historisches Gebäude integriert
Das denkmalgeschützte Eckgebäude, das als einziges Wohngebäude in der Behrenstraße erhalten ist, wurde wie gefordert in das Gesamtkonzept einbezogen. Ein ehemals vorhandenes viertes Obergeschoss und die Dachaufbauten waren dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen und bei Umbauten bzw. Restaurierungen in den 1950er und 80er Jahren nicht wieder hergestellt worden. Jetzt sollte die historische Viergeschossigkeit wieder hergestellt werden, um das Baudenkmal besser in die Block struktur des Ensembles zu integrieren. Mit der Denkmalbehörde wurde geklärt, dass dies im Sinne einer Rekonstruktion erfolgen sollte und nicht in bewusst modern gestaltetem Kontrast.

Alle Fassadenbekleidungen und -Gliederungen des denkmalgeschützten Gebäudes stammen aus dem Baujahr 1898. Über dem Sockel aus Granit wurden die Straßenfassaden vollständig aus Elbsandstein (v.a. COTTAER SANDSTEIN) errichtet. Das Sockelgeschoss ist stark rustiziert mit bossierten Quadern und mit einem Sockelgesims abgeschlossen. Darüber setzt sich im Erdgeschoss die Gestaltung in abgestufter Form fort. Die Oberfläche der Quader ist geglättet und mit exakt geschnittenen Fugen gestaltet. So entsteht aus Sockel- und Erdgeschoss eine hohe Sockelzone, über der sich ursprünglich drei Hauptgeschosse erhoben. In den Obergeschossen sind die Quaderflächen glatt geschliffen und die Quaderfugen flächenbündig ausgeführt. Ein im Auftrag des Bauherrn im August 2010 erstelltes Gutachten zeigte zahlreiche Schäden an der Sandsteinoberfläche auf, die meist durch Kriegseinwirkung entstanden sind und später nicht fachgerecht instandgesetzt wurden. Im gesamten Bereich der Straßenfassaden zeichneten sich Fehlstellen oder Abplatzungen durch bereits ausgebrochene Vierungen und heraus gefallene Mörtelplomben ab. Erschwerend kam hinzu, dass bei den Ende der 1980er Jahre ausgeführten mangelhaften Sanierungsarbeiten nicht nur optische Beeinträchtigungen entstanden waren, sondern der verwendete Mörtel auch zu Problemen bei der Standfestigkeit geführt hat.

Sanierung der Bestandsfassade
Den Auftrag für die Sanierung der Bestandsfassade und die Wiedererrichtung des vierten Obergeschosses auf dem Bestand erhielten die Sächsischen Sandsteinwerke, Pirna. "Um den Umfang der unsachgemäßen Sanierung und aller Schäden genau verifizieren zu können, haben wir eine komplette Bestandsaufnahme der Fassade durchgeführt", berichtet Matthias Thomschke, Leiter Montage der Sächsischen Sandsteinwerke. Dazu wurde die gesamte Fassade in Einzelsegmenten fotografiert und die jeweiligen Fassadenabschnitte am Rechner ausgewertet. Im Ergebnis entstand eine Bestands- und Maßnahmekartierung, die als Grundlage für die anstehenden Sanierungsarbeiten diente. Die Sanierung erfolgte dann mit COTTAER SANDSTEIN, der in Textur und Farbe an die vorhandenen Steine angepasst wurde. "Alle runden Vierungen wurden durch fachgerechte Vierungen ersetzt. Vor allem die 450, mit einem spachtelförmigen Zweikomponentenkleber eingesetzten Vierungen wurden ausgetauscht. Auch die mangelhaften Spachtelstellen, die bestehende Einschusslöcher ausfüllten, haben wir entfernt und mit geeigneter Steinersatzmasse wieder verschlossen", erläutert Matthias Thomschke die durchgeführten Maßnahmen. Abschließend erfolgte eine Reinigung mit Heißdampf; Teerreste und andere hartnäckige Flecken wurden mechanisch überschliffen.

Aufstockung der vierten Etage
Um den Rohbau des neuen Stockwerks nach den Entwürfen des Planungsbüros Patzschke errichten zu können, wurde die massive Fassade bis auf den notwendigen Anschluss zurückgebaut. Dabei stellte sich heraus, dass die Bereiche über den Fensterbögen nur mit den Holzfüllungen der Fenster ausgefüllt waren, sodass eine Verankerung der massiven Sandstein-Bogenelemente nur unzulänglich möglich war. Deshalb war eine zusätzliche Verankerung von oben aus dem Bereich der Betondecke erforderlich. In enger Zusammenarbeit mit den Architekten entschied man sich für die Verankerung mit einer Aluminiumkonstruktion aus T- Elementen und Knoten blechen. Auch im Bereich des Hauptgesimses gab es keinen weiteren Untergrund zur Verankerung der massiven Hauptgesimssteine. Der Rohbau endete mit Deckenhöhe, die Stahlträger des Dachstuhls durften nicht als Verankerungsgrund dienen. Deshalb wurden auf der Rohdecke Vierkantprofile aufgedübelt, die das Unter- und Oberglied des Hauptgesimses tragen. Die unter dem Gesims befindliche massive Platte wurde durch Konsolen abgefangen und diente auch damit als Lastabtrag für die Hauptgesimssteine. Das Gesims selbst wurde mit einer Überhöhung der Werksteine eingebaut, um nach der gesamten Montage die notwendige Endlage der Steine zu garantieren. Der Bereich zwischen den Metallstützen wurde nach der Fertigstellung des Hauptgesimses mit Mauerwerk ergänzt. "Um diese Montage des Hauptgesimses als massiv vorgehängtes Gesims überhaupt umsetzen zu können, haben wir das Oberglied des Hauptgesimses in der Tiefe verringert und die entstandene Fehlstelle mit einer Dämmung aus Styrodur ausgefüllt. Ein zu sätzlicher Winkel an der Rückseite des Obergliedes verhindert nun dauerhaft eine Verschiebung oder ein Kippen des Steins", schildert Matthias Thomschke diese anspruchsvolle und knifflige Aufgabe, die allen Beteiligten einige schlaflose Nächte bescherte. Nach den Plänen des Architektenteams Patzschke wurde oberhalb der Traufe ein metallgedecktes Mansarddach mit Dachgauben für eine neue Dachgeschosswohnung realisiert.

Steinfassaden an Haus 1, 2 und 3
Die hinterlüfteten Straßenfassaden der Häuser 1, 2 und 3 sollten nach den Entwürfen der Architekten im Bereich Erdgeschoss und erster Etage mit Naturstein verkleidet werden. Dabei handelte es sich um eine anspruchsvolle Aufgabe aufgrund der Komplexität der geforderten Geometrien einerseits und der aufwändigen Verankerung andererseits. Die Firma Lauster Steinwerke wurde aufgrund ihrer Erfahrung, z.B. im Bauvorhaben Oranienburger Tor und Leibnizkolonnaden, mit der Realisierung beauftragt, zumal das Unternehmen im eigenen Werk in Maulbronn produzieren und die Versetzarbeiten in eigener Regie ausführen konnte. Um den Ansprüchen des Bauherrn, der Architekten und in diesem Bereich auch denen der Denkmalpflege gerecht zu werden, war zunächst eine umfangreiche Bemusterung der ausgewählten Materialien erforderlich. Für Haus 2 und 3 fiel die Wahl auf die Verwendung von PLIEZHÄUSER SANDBAUEN STEIN, geschliffen C 60, einen sog. Stubensandstein des mittleren Keuper, der schon seit Jahrhunderten als Werkstein genutzt wird, wie zum Beispiel am Ulmer Münster und am Kölner Dom. Der in Berlin verwendete Sandstein stammt aus einem eigenen Bruch der Lauster Steinwerke, der südlich von Stuttgart liegt. Für die Straßenfassade von Haus 1 entschied man sich für BAUHAUS-TRAVERTIN, geschliffen C 120, einen Süßwasserkalk aus Kleinasien, der im Lager geschnitten ansichtig verarbeitet werden sollte, um die wolkige Struktur herauszustellen.

Aufgrund der exponierten und prominenten Lage des Ensembles war generell ein sehr sorgfältiges und präzises Arbeiten erforderlich. Dies wirkte sich aufgrund der klassisch-traditionellen Entwürfe des Büros Patzschke insbesondere bei der Verwendung des Travertins erschwerend aus, da Travertine eine ausgesprochene Lagerrichtung haben und die Werkstücke an den einzelnen Seiten verschiedene Farben aufweisen. "Bei der Erstellung der Fertigungsunterlagen sowie der Werkstatt- und Versetzplanung in unserem steintechnischen Ingenieurbüro und später vor allem in der Fertigung sind die korrekten Richtungsangaben für ein perfektes Ergebnis entscheidend", betont Tobias Maier, Vertriebsleiter der Lauster Steinwerke. Erst eine entsprechende Anordnung der plattierten Naturwerksteinfassade in Verbindung mit den profilierten Massivgesimsen führt zu der beabsichtigten lebhaften und interessanten Wirkung. Eine weitere Herausforderung beinhaltete die Planung von Haus 1 durch das zweigeschossige offene Vestibül als repräsentatives Entrée in der Mittelachse des Gebäudes. Im gesamten Vestibül wurde der BAUHAUS-TRAVERTIN vertikal scharriert verlegt. Für alle ausgeführten Natursteinarbeiten erbrachte das Lauster Steinwerk auch die statischen Nachweise für die erforderliche Verankerung und das Natursteinmaterial. "Gerade die anspruchvolle Verankerung und die Entwicklung objektbezogener Lösungen im Steinschnitt erforderte eine aufwändige Abstimmung mit den Planern des Bauherrn", bestätigt Tobias Maier und ergänzt noch, dass "umfangreiche Werkstattplanungen mit Abstreichplänen, detaillierten Horizontal- und Vertikalschnitten für die problemlose Fertigung der Werkstücke und das perfekte Ergebnis gesorgt haben". 

Ein perfektes Ergebnis
Sieben Jahre sind seit Beginn der Planung bis zur Realisierung vergangen. Dieser Zeitaufwand, die Genauigkeit, die Liebe zum Detail und der Anspruch, das Quartier Dorotheenstadt um ein städtebaulich adäquates Ensemble zu bereichern, haben sich ausgezahlt. "Bei alledem ist auch der ökologische Anspruch nicht zu kurz gekommen. Das Bauvorhaben wurde bereits vom amerikanischen Klassifizierungssystem für energie- und umweltfreundliche Planung von Gebäuden mit der LEED- Plakette in Gold ausgezeichnet", berichtet der Projekt leitende Architekt Holger Niemann. Als einer der ersten Mieter hat das Hauptstadtstudio der Mediengruppe RTL mit 150 Mitarbeitern ca. 4.000 m² in Haus 1 bezogen und berichtet bereits aus der Behrenstraße. Um alle Wünsche des Senders zu erfüllen, wurde für das größte Studio im Erdgeschoss ein Innenhof in das erste Obergeschoss versetzt. Von der Dachterrasse aus können die Reporter nun – je nach Kameraposition – wahlweise mit dem Reichstag oder dem Fernsehturm als Hintergrund berichten.

(30.5.2016)

Autor/in: Ingeborg Burggaller