Offenes Atelier mit Gastkünstler aus Syrien

Am "Tag des offenen Ateliers" haben die Bildhauerin Steff Bauer und der Künstler Sören Ernst (re.) als Gast den syrischen Künstler Saleh Nemr (li.) eingeladen. (Foto: Sabine Meißner)

Das Bildhauerpaar Steff Bauer und Sören Ernst hat Interessierte ins "Offene Atelier" eingeladen. Als Gastkünstler hat sich an der Aktion der aus Syrien stammende Bildhauer Saleh Nemr beteiligt. Er ist nach eigener Aussage mit seiner Frau und zwei Söhnen aus Syrien geflohen.

Seit knapp einem Jahr ist Familie Nemr in Deutschland und lebt in Gerolzhofen in Untefranken. Einem Tipp des Schweinfurter Kulturamts- und Museenleiters Dr. Erich Schneider folgend, hatte Saleh Nemr vor neun Monaten Steff Bauer und Sören Ernst in ihrem Atelier aufgesucht. Er lernte deren Werkstatt, ihre Lebens- und Arbeitsweise sowie ihre Ansichten kennen. Gleichzeitig erfuhren die Schweinfurter Künstler, welches Schicksal die syrische Familie erlitten hatte. "Wir haben viele interessante Gespräche geführt, obwohl anfangs die Sprachbarriere groß war und oft Hände und Füße nötig waren, um einander zu verstehen", berichtet Steff Bauer. "Mittlerweile spricht Saleh schon so gut Deutsch, dass wir viele tiefgreifende künstlerische, aber auch politische Gespräche führen konnten". Sympathie sei von Anfang an da gewesen, "und inzwischen verbindet uns eine bereichernde Freundschaft", sagt sie. So sei auch die spontane Idee entstanden, das Atelier für einen Tag zu öffnen. Anlass war der "Kreativ-Jackpot", ein vom Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft initiiertes Projekt, bundesweit auf den 4. September datiert. 

"Andere Menschen sollen ebenfalls die Möglichkeit erhalten, Saleh Nemrs Arbeiten kennenzulernen und etwas über ihn und seine Kunst im Gespräch zu erfahren", erklärt Sören Ernst. Der Syrer hat an einer Wand des Ateliers Bilder seiner Werke angeheftet. Sie können nicht im Original gezeigt werden. "Einige Arbeiten konnten in den Irak gebracht werden", erzählt er. Sie seien dort in einer Kunsthalle ausgestellt. Die anderen seien zerstört, so wie sein gesamtes Atelier in Syrien. In Gerolzhofen wolle er für seine Familie ein neues Leben und neue Arbeiten schaffen.

Vor den Augen der Besucher schaffen die drei Bildhauer gemeinsam eine Steinskulptur. "Die Idee dafür stammt von Saleh", sagt Steff Bauer. Lächelnd und nicht ohne Stolz zeigt der syrische Bildhauer sein Gipsmodell. Es ist ein abstrakter halber Frauenkörper, mit gewölbtem Leib und Flügeln am Kopf. "Ein Freiheitssymbol" soll es sein. Die Flügel stehen symbolisch für den Wunsch nach Eigenständigkeit und gegen Verfolgung, der gewölbte Rumpf weise auf entstehendes Leben hin und drückt wohl auch die Freude des Künstlers über die dritte Schwangerschaft seiner Ehefrau aus. Zu den beiden Söhnen, dem fast zehnjährigen Mitra und dem zwei Jahre jüngeren Ahura, wird sich bald ein drittes Söhnchen gesellen.

Nach Saleh Nemrs Modell arbeiten die drei Bildhauer abwechselnd an der Steinskulptur, für die sie Königsgrätzer Sandstein gewählt haben. Nach Fertigstellung soll das Werk zum Erwerb angeboten werden. Der Erlös wird gespendet. Der Betrag soll einer gemeinnützigen Einrichtung zugutekommen, die sich um Asylsuchende und deren Integration kümmert.

Hintergrund
Die Bildhauerin Steff Bauer und der Bildhauer Sören Ernst leben und arbeiten in den Monaten Mai bis November in Schweinfurt, ansonsten in Portugal an der Algarve. Steff Bauer stammt aus Schweinfurt und absolvierte ein Steinmetz- und Bildhauerlehre bei "Koch & Lenhardt" im unterfränkischen Hofheim sowie Studienkurse an den freien Kunstakademien in Essen und Bad Reichenhall. Studienreisen führten sie u. a. nach Japan, Indien, Kambodscha, Russland und auf die Philippinen. Seit 1997 ist sie als freischaffende Bildhauerin tätig. Mit mehreren Natursteinskulpturen hat sie sich in Franken und darüber hinaus einen Namen gemacht.

Sören Ernst wurde in Hamburg geboren, lebte zunächst in Schottland und zog vor mehr als 20 Jahren nach Portugal. Beide Bildhauerr arbeiten vorwiegend mit Naturstein, gelegentlich auch mit Holz und anderen Materialien. Sie waren wiederholt an Ausstellungen im In- und Ausland beteiligt, teils einzeln, teils gemeinsam. Mit zahlreichen Arbeiten sind sie im öffentlichen Raum vertreten. Unter anderem sind ihre Skulpturen im Schweinfurter Wildpark zu sehen. Eine der bedeutendsten Arbeiten ist der "Kreuzweg von Breitbrunn".

Saleh Nemr stammt aus Syrien. Er floh nach eigener Aussage über die Türkei nach Deutschland, wo er seit 2014 mit seiner Familie lebt. Nemr studierte in seinem Heimatland Angewandte Kunst und ist Mitglied der Syrischen Vereinigung Bildender Künstler. Am syrischen Institut für Angewandte Kunst stellte er einige Arbeiten aus und war zwischen 2006 und 2008 im Lehramt für Geschichte und Kunst tätig. Nemr war u. a. an Ausstellungen in den Arabischen Kulturzentren von Damaskus (2003) und Al-Qamishly (2005) beteiligt. Es folgten Ausstellungen in Halab (2007) und Damaskus (2010). Zuletzt war der Bildhauer im Jahr 2013 an einer Ausstellung in Sulaimniya beteiligt. Er erhielt mehrfach Preise und nahm an Symposien teil. 

Mehr Infos:
www.steffart.de

(7.9.2015)

Autor/in: Sabine Meißner