Jüdische Friedhöfe: Ein integraler Teil der deutschen Friedhofskultur

Das von "Tilman2007" fotografierte "Taharahaus auf dem Jüdischen Friedhof Rödelsee" ist unter den 100 Gewinnern des Wiki-Fotowettbewerbs. (Foto: "Tilman2007")

Die jüdischen Friedhöfe sind unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Friedhofskultur – und das schon seit über 1000 Jahren, so das Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur. Bester Beleg dafür sei, dass gleich drei jüdische Friedhöfe zum deutschen UNESCO-Welterbe zählen. Darauf machte das Kuratorium anlässlich des Gedenktags am 9. November 2023 an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren aufmerksam. Der "Heilige Sand" in Worms gilt als ältester erhaltener jüdischer Friedhof Europas, auf dem sich zugleich – wie auch auf dem "Alten jüdischen Friedhof" in Mainz – einige der ältesten Grabsteine des Kontinents befinden. Und der jüdische Friedhof auf dem Pfingstberg gehört zu den Denkmälern der Stadt Potsdam, die ebenfalls Teil des UNESCO-Weltkulturerbes sind. 

Die Friedhofskultur als Immaterielles Kulturerbe beziehe sich auf das Trauern und Erinnern, aber auch auf das Pflegen und Weiterentwickeln der Friedhöfe. Dazu hat Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, bereits 2020 anlässlich der Ernennung zum Kulturerbe festgestellt: "Die Friedhofskultur wie wir sie kennen, Friedhöfe als immaterielles Kulturerbe, wären ohne das Judentum nicht denkbar." Es seien die Juden, die als eine der ersten das Begräbnis als Zeremoniell entwickelten. Und die Friedhöfe müssten erhalten werden, und zwar bis in alle Ewigkeit, oder wenigstens bis zur Auferstehung in einer kommenden Welt.

Einende und identitätsstiftende Friedhofskultur
"Unsere Friedhöfe sind Orte des Friedens und der Gemeinschaft – und das für jeden Menschen, unabhängig von Religionszugehörigkeit, sozialem Status oder Herkunft", so Tobias Pehle, Geschäftsführer des Kuratoriums. Nicht zuletzt betont die Fachorganisation den großen kulturwissenschaftlichen sowie historischen Wert aller jüdischen Friedhöfe. So mahnt das Kuratorium auch im Sinne des UNESCO-Übereinkommens zum Immateriellen Kulturerbe ihre Schutzwürdigkeit an: "Es ist eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, jüdische Friedhöfe vor jeder Form von Antisemitismus zu schützen und für ihren Erhalt einzutreten", unterstreicht Tobias Pehle.

Foto eines jüdischen Friedhofs preisgekrönt
Dass die jüdische Friedhofskultur selbstverständlicher Bestandteil des kulturellen Lebens in Deutschland ist, habe sich zudem gerade bei "Wiki Loves Monuments" gezeigt, dem großen Wikipedia-Fotowettbewerb. Für den in diesem Jahr ausgeschriebenen Sonderpreis "Friedhöfe" wurden zahlreiche Fotografien von jüdischen Friedhöfen eingereicht. Eine von ihnen zählt zu den preisgekrönten Bildern: Dies zeigt das Taharahaus des Jüdischen Friedhofs Rödelsee, in dem Verstorbene gewaschen werden. "Fotografiert wurde keine liebliche Erinnerungslandschaft. Vielmehr steht das Taharahaus als Symbol jüdischen Lebens in einem verwildert anmutenden Umfeld unter bedrohlich wirkendem Himmel, in den der (David-)Stern selbstbewusst und visuell stark hineinreicht", begründete die Jury den Preis. Dem Fotografen mit Wikipedia-Namen "Tilman2007" gelinge es so, einen deutlichen Zeitbezug herzustellen.

Die Preisverleihung von Wikimedia Deutschland gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur fand am 10. November 2023 in Berlin statt. Rund 2.500 Friedhofs-Fotos waren allein zu dem Sonderpreis eingereicht worden. Die Jury zeichnete vier Siegerfotos von drei Fotografen aus, die jetzt online stehen. Insgesamt kann man die zehn besten Fotos des Sonderpreises und die 100 besten Bilder des Hauptwettbewerbs >>hier<< ansehen. 

[28.11.2023/es]

Autor/in: Tobias Pehle