Friedhof als Weltkulturerbe?

Mit positiven Impulsen will die in diesem Jahr gegründete "Initiative Kulturerbe Friedhof" mit Sitz in Hamburg der breiten Öffentlichkeit die Bedeutung des Friedhofs stärker ins Bewusstsein rufen. Unter einem Dach zusammengeschlossen haben sich hierfür bisher der Verein zur Förderung der deutschen Friedhofskultur (VFFK), der Bundesverband Deutscher Bestatter (BDB), das Kuratorium Deutsche Bestattungskultur e.V., der Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands (VFD), der Bund deutscher Grabsteinhersteller (BDG) und der Verband deutscher Naturstein Verarbeiter (VDNV). Gemeinsames Ziel: die deutsche Friedhofskultur in die Liste für das "immaterielle Weltkulturerbe" aufnehmen zu lassen. Ein entsprechender Antrag wird gerade formuliert, Bewerbungsschluss ist am 30. Oktober.

Zuspruch von der AFD
Positiv zu der Aktion geäußert habe sich auch Matthäus Vo­gel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD). Mit ihm sowie dem Bund deutscher Friedhofsgärtner (BdF) sei man noch im Gespräch, so Tobias Pehle vom VDNV, der die Bewerbung organisiert, koordiniert und nach außen kommuniziert. Weitere Unterstützer sind herzlich willkommen. Nähere Infos bei To­bias Pehle (t.pehle@vdnv.de, Tel. 0163 8331000) sowie in einer Broschüre, die beim VDNV erhältlich ist.

Empfehlungsschreiben in Aussicht
Auch Prof. Norbert Fischer von der Universität Hamburg, Volks­kundler und Kulturan­thropologe, befürwortet die Bewerbung und würde sie mit einem Empfehlungsschreiben unterstützen, "sollten hier tatsächlich sämtliche am Friedhofswesen beteiligte Kräfte an einem Strang ziehen". Fischer hat selbst über die "Sozialgeschichte der Friedhöfe in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert" promoviert. Er sieht bereits in der Bewerbung die Chance, das oft negative Image des Friedhofs in den Medien aufzuwerten und einen Marketingeffekt nach dem Motto "Der Weg ist das Ziel" zu erreichen, wie ihn beispielsweise die Olympiabewerbung von Hamburg bewirkt hat.

Die Bewerbung
Die Bewerbung basiert laut Tobias Pehle auf der Überzeugung, dass die Aufnahme der Friedhofskultur in die deutsche Liste des immateriellen Kulturerbes nicht nur allen geforderten Kriterien genügt, sondern auch wichtig und sinnstiftend ist. "Die Lebensleistung jedes einzelnen Menschen ist es wert, nach dem Tod mit einem entsprechenden Erinnerungszeichen gewürdigt zu werden. Deshalb geht es uns auch nicht darum, einzelne, besonders schöne Friedhöfe als Weltkulturerbe aufzunehmen, sondern die Friedhofskultur allgemein", begründet Pehle die Idee.

Inhaltlich soll sich die Bewerbung insbesondere auf folgende Aspekte stützen: Erinnerungskultur, Gedenkkultur, Trauer- und Bestattungskultur sowie Handwerks- und Gestaltungstradition. "Momentan feilen wir an einer Erstfassung des Antrags­textes, den wir dann an die großen unterstützenden Mitglieder der Initiative zur Feinjus­tierung weitergeben", erklärt Pehle.

Die Zielgruppen
Drei Zielgruppen stehen im Fokus:
1. Menschen, die im Friedhofswesen aktiv sind: Unabhängig davon, ob die Bewerbung am Ende erfolgreich ist, erhofft man sich hier starke Signalkraft in die Branche. Der Welterbe-Antrag mache den Wert aller Tätigkeiten rund um den Friedhof neu bewusst, bedeute Anerkennung und zeige, dass hier Verantwortung für die Zukunft der Arbeitsplätze gelebt wird, heißt es von Seiten der Initiative.
2. Presse und Öffentlichkeit:
Bereits die Bewerbung könne bundesweit für positive Schlagzeilen sorgen und die Bedeutung und den Wert des Friedhofs mehr in den Fokus rü­cken, meinen die Initiatoren.
3. Politik und kommunale Entscheidungsträger: Die Bewerbung kann Politikern und Entscheidungsträgern verdeutlichen, warum es wichtig ist, sich für Friedhöfe einzusetzen.

Gemeinsam stark
Damit die Bewerbung Erfolg hat, wolle die Initiative möglichst alle am Friedhofswesen Beteiligten einbinden. Ziel ist es, die Bewerbung gemeinschaftlich einzureichen, ohne dass dabei ein einzelner Verband, eine Organisation oder Institution im Vordergrund steht. "Ihr Erfolg hängt auch davon ab, wie genau sie auf die Erwartungshaltung und die Vorgaben der UNESCO-Kommission zugeschnitten sein wird", meint Tobias Pehle. "Naturgemäß hat jede Gruppe der am Friedhofswesen Beteiligten eigene Schwerpunkte, die aus der jeweiligen Sicht besonders relevant erscheinen. Die Kunst der Bewerbung wird allerdings nicht so sehr darin liegen, alle diese Aspekte zu berücksichtigen, sondern die Inhalte so zu gewichten, dass die größten Chancen auf die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes bestehen", erklärt er. Einige potentielle Bewerber und Unterstützer hätten bereits signalisiert, dass sie ihre Zustimmung auch von den konkreten Inhalten der Bewerbung abhängig machen wollen. Deshalb sei vorgesehen, dass die Bewerber/Unterstützer zunächst nur ihre grundsätzliche Zustimmung zur Bewerbung schriftlich erklären. Erst Mitte Oktober, wenn die gesamte Bewerbung steht, wolle man final eine schriftliche Zustimmung einholen.

Das immaterielle Weltkultur­erbe
Als Welterbe zeichnet die UNESCO herausragende kulturelle Errungenschaften rund um den Globus aus. Mit dem Welterbe verbindet man vor allem die Liste besonders schützenswerter Baudenkmäler und Kulturgüter. 2003 hat die UN-Organisation diese Liste um das "Immaterielle Erbe" er­weitert. Diese Liste umfasst auch Traditionen und lebendige kulturelle Ausdrucksformen, zum Beispiel gesellschaftliche Bräuche und Rituale.
Die deutsche UNESCO-Liste des immateriellen Erbes umfasst derzeit 27 Einträge, darunter die "Deutsche Brotkultur", den "Rheinischen Karneval" oder das "Reetdachdecker-Handwerk". Derzeit läuft die zweite Bewerbungsrunde für das bundesweite Verzeichnis. Die Entscheidung, womit die deutsche Liste ergänzt wird, fällt die UNESCO-Kommission 2016.

Das Aufnahmeverfahren
Das Bewerbungsverfahren ist überschaubar gestaltet:Zunächst muss ein Bewerbungsformular ausgefüllt werden, das zusammen mit zwei Empfehlungsschreiben an das Kultusministerium des Landes gesendet wird, in dem der Bewerber seinen Sitz hat. Jedes Bundesland sichtet die Bewerbungen und wählt dann jeweils vier aus, die der deutschen UNESCO-Kommission empfohlen werden. Dieses Gremium, das vor allem mit Wissenschaftlern verschiedener Fachbereiche besetzt ist, entscheidet dann, welche der 64 Bewerbungen in die deutsche Liste des immateriellen Kultur­erbes aufgenommen werden.

Aufnahmekriterien
Für die Aufnahme in die Liste des immateriellen Erbes nennt die UNESCO u.a. folgende Kriterien:
"Die Kontinuität des immateriellen Kulturerbes, d.h. seine Praxis und Anwendung in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft muss gegeben sein durch seine nachweisbare Präsenz seit mehreren Genera­tionen, seine gegenwärtige Anwendung und Praxis, Aktivitäten zur Erhaltung und Weitergabe an kommende Generationen (z.B. durch Aus-/Bildung, Dokumentation, Forschung und Berichterstattung). Die gesellschaftliche Verankerung immateriellen Kulturerbes zeigt sich durch seine Anerkennung als Teil eines gemeinsamen Kulturerbes; es wirkt identitätsstiftend im Sinne geteilter Erfahrungen und Erinnerungen."

Weiterführende Links:
https://www.unesco.de/kultur/immaterielles-kulturerbe.html
https://www.unesco.de/kultur/immaterielles-kulturerbe/bundesweites-verzeichnis.html
https://www.unesco.de/kultur/immaterielles-kulturerbe/in-deutschland/aufnahmeverfahren.html
http://www.unesco.de/kultur/immaterielles-kulturerbe/in-deutschland/innerstaatliches-verfahren.html

(Erschienen am 22.09.2015)

Autorin: Susanne Storath