Ein Blick auf die Ulmer Bestattungskultur

Der Schneider-Grabstein im Untergeschoss des Stadthaus Ulm. (Fotos:Christine Kulgart)

Von der Wiege bis zur Bahre: Rommelfiguren stellen den letzten Weg eines Menschen dar. Zu sehen ist hier das Zeigen der Kinderleiche.

Der Schneider-Grabstein
Bevor der Ulmer Münsterplatz Schauplatz des Wochenmarkts und des Weihnachtsmarkts wurde, lag seine Hauptaufgabe darin, ein simpler Kirchhof zu sein. Bereits 700 nach Christus nutzen die Alemannen diesen Platz allerdings bereits als Friedhof, ebenso die Barfüßer, die 1229 ihr Kloster dort erbauten. Erst seit 1526 musste außerhalb der Stadt bestattet werden. Zu den zahlreichen Funden bei Umbauten des Münsterplatzes gehört auch der Schneider-Grabstein, der im Untergeschoss des Ulmer Stadhauses direkt am Münsterplatz bestaunt werden kann. Er zeigt eine Schere und weist auf den Berufstand des Verstorbenen hin - eine Tradition, die bestehen blieb. Schon um 1000 nach Christus fand man Ziegelsteine, auf denen Name, Todestag und Beruf des Toten eingeritzt waren.

Auch bei Ausgrabungen auf dem Münsterplatz im Jahr 1989 stieß man auf ein Grab - diesmal aus der Jungsteinzeit. Eine etwa 30 Jahre alte Frau wurde in Hocklage etwa zwei Meter tief bestattet. Im Grab befanden sich auch aus Tierknochen geschnitzte Zierknöpfe und Tonbecher. Den Beigaben zufolge handelt es sich um ein Grab aus der jüngsten steinzeitlichen Kultur, der Glockenbecherkultur. Diese begann ca. 3000 v. Chr. und kannte bereits Schmuck und Waffen aus Kupfer, Silber und Gold. Die Überreste können heute um Ulmer Museum bestaunt werden. 

Von der Steinzeit bis zum Biedermeier
Benannt nach ihren Schöpfern – Mitgliedern der Hafnerfamilie Rommel – stellen Rommelfiguren das Leben in Ulm am Ende der reichsstädtischen Zeit im Übergang zu Empire und Biedermeier dar. Durch Kleider oder Details wie einer bestimmten Anzahl von Zöpfen der Ratsherren können der Stand und andere Zugehörigkeiten an den Tonfiguren abgelesen werde. Johann Jakob Rommel (1740 - 1823) war der erste, der die kleinen Tonfiguren formte und danach bemalte. Vier seiner Söhne erlernten das Handwerk des Vaters. Mit dem Tod von Sohn Septimus im Jahr 1846 endete die Produktion der beliebten Figuren. Den Figuren nach erfolgte eine Bestattung nach einem ganz bestimmten Ablauf. Vom Ausrufen der Todesnachricht bis zur eigentlichen Bestattung war es ein langer Weg. Sechs Männer und sechs Frauen, die von dem Tod des Verstorbenen betroffen waren, fanden sich am Tag der Bestattung um ein Uhr in einem besonderen Zimmer ein, bevor sie langsam das Zimmer wieder verließen. Vor der Haustür rief der sogenannte Leichenlader jeden der Begleiter mit Rang, Titeln und Namen auf. Währenddessen sang ein Schülerchor Sterbelieder. Bis zum Gottesacker ging der Leichenzug allerdings nicht mit. Nur Mägde, Mummen, Schüler und Studenten begleiteten den Leichnam auf seinem letzten Weg, denn Ulmer Bürger haben nie der eigentlichen Bestattung beigewohnt.

(Veröffentlicht am 7. Dezember 2020)
 

Autorin: Christine Kulgart