Dieter Drossel – Ein Leben für den Naturstein

Gemeinsam auf der Marmomac

Dieter Drossel als "Student" (Fotos: privat)

Nachruf von Prof. Dr. Siegfried Siegesmund auf Dieter Drossel, der am 2. Juni verstarb: 

Eines Nachmittags im Sommer 2013 klingelte mein Telefon. Eine sehr ambitionierte Stimme erklärte, dass sie gerade an der Ostsee im Urlaub sei und an mindestens zwei Buchprojekten zum Thema »Naturstein« arbeite. Bei seinen Recherchen sei er auch auf mich gestoßen und wir müssten uns unbedingt persönlich treffen. Es vergingen nur wenige Tage und Dieter Drossel saß in meinem Büro an einem großen Lotharheil-Schiefersteintisch. Sehr schnell füllte er in großer Schrift beschriebene A2-Blätter mit immer neuen Zahlen zu möglichen Gewerken, die unbedingt Querverbindungen vom Stein zum weiteren Umfeld der Architekten und Bauherren, ganz besonders aber zum Bäderbau, zu Apparaturen im Sanitärbereich, zum Holz, zum Leder, zur Keramik und, und, und aufzeigen. Dieter Drossel lebte für den Naturstein und er war ständig auf der Suche, dieses Material mit immer neuen Kompetenz¬strategien zu inszenieren. 

Schnell hat Dieter Drossel erkannt wie vielfältig und abwechslungsreich der Naturstein ist. Es hat ihn kaum Mühe gekostet mich zu überreden, an seinem »7 Sterne Stone Guide Europe« mitzuarbeiten, zumal auch mein Freund Reinhard Kögler bereits zugesagt hatte. Bei der Recherche war ihm sofort aufgefallen, dass bei der Bezeichnung von Natursteinen eine unerträgliche Leichtigkeit, fahrlässige Verschleierung und Verworrenheit an den Tag gelegt wird. Bereits Friedrich Müller hat in der 1. Auflage seines Gesteinskunde-Buchs auf diesen Umstand hingewiesen und gemeint, keiner würde in einem Tierpark zu einem Elefanten »Afrika Grau« oder zu einer Maus »Imperator« sagen. Leider haben auch die folgenden acht Auflagen nicht viel daran geändert, dass u.a. ein Glimmerschiefer als Softquarzit bezeichnet wird. Die Recherche auf den Internetseiten vieler Natursteinhändler – auch der sogenannten renommierten Premiumhändler – lässt erkennen, dass es ein Labyrinth von Steinbruchbesitzern, Exporteuren, Zwischenhändlern, Verarbeitungsbetrieben und Fachhändler gibt, die einen sehr unbedarft entspannten und irreführenden Umgang bereits bei der Benennung der Farbe pflegen, wobei ein satter Grauton schnell zum eleganteren Blau mutiert.
Als Antolinis Business Development Manager trieben Dieter Drossel nicht nur mögliche rechtliche Konsequenzen um, sondern auch seine ungebremste Neugier, welche Nomenklatur hinter dem Kosmos »Naturstein« steht. Nach unserem ersten Treffen war er gleich zum Krantz-Mineralienkontor nach Bonn gefahren und hatte sich dort alle verfügbaren Bücher zu Gesteinen und ein kleines Mikroskop gekauft. Bei verschiedenen Redaktionssitzungen ließ er sich erläutern, ob ein Stein nun ein Glimmerschiefer, ein Gneis oder gar ein Migmatit sei. Etwas zaghaft bat er mich, ob er nicht einmal an einer meiner Studentenexkursion in der Nähe des Lago Maggiore teilnehmen könne. Er hat diese Tour mit sehr großer Neugier und gespanntem Interesse begleitet und alles auf seine besondere Art hinterfragt. Seine große und sehr schwere Profikamera immer im Anschlag, kletterte er jeden Abhang hinauf, um alles detailgetreu zu dokumentieren. Für mich war es eine große Freude, erleben zu dürfen, wie jemand allmählich die dynamische Erde zu erfassen lernt und sein Verständnis zur Entstehung der Gesteine kontinuierlich überprüft und verbessert.

Als Antolinis Business Development Manager hat er für unser gemeinsames Buch mindestens 30 verschiedene Gesteine für weiterführende Gesteinsanalysen an mich weitergegeben, und es war bei einigen Exemplaren nicht trivial, eine korrekte Entscheidung ohne den Einsatz von weiterführenden geochemischen und mineralogischen Untersuchungen zu treffen. Er wollte diese Analysen unbedingt haben, um alle Gesteine für das Buchprojekt exakt bezeichnen zu können. 
In den letzten Jahren präsentierte er mir immer wieder die neusten Gesteine der Antolini-Kollektion und wollte ganz genau wissen, was diese für eine Vergangenheit haben und wie man sie nunmehr exakt denominieren müsse. Anlässlich der Natursteinmessen in Verona wurde es eine Tradition, dass ich ihn während der ganztägigen Gesteinstouren begleitete und wir in sehr entspannter Atmosphäre und freundschaftlicher Verbundenheit über die Neuerscheinungen plauderten.
Immer wieder haben wir darüber philosophiert, den 2016 herausgegebenen »7 Sterne Stone Guide Europe« in englischer Sprache aufzulegen. Es war ein Projekt, wofür er Alberto Antolini gewinnen und zu motivieren versuchte. Den letzten Stand dazu konnte er mir leider nicht mehr übermitteln.

Trotz seiner Erkrankung, mit der er zu meinem größten Respekt sehr offensiv umging, war er unermüdlich und im Kampf mit der wenigen ihm verbliebenen Zeit. Seinen Traum, ein Bäderbuch zu finalisieren hat er hoffentlich noch realisieren können. Vor ein paar Wochen hat mich Dieter Drossel noch einmal angerufen und sich verabschiedet. Bei diesem Gespräch konnte ich ihm noch versprechen, dass ich seinen vorläufigen Beitrag  zum Bäderbau für mein noch nicht ganz abgeschlossenes Buch final fertig stellen werde. 

Ich werde Dieter Drossel in Erinnerung halten als jemand, der mit seinen Marketingstrategien, Schulungskonzepten, Bäderakademien und Meisterklassen unermessliche Verdienste für den Naturstein leistete. Seine Kamera war sein Auge und genau dies hat er genutzt, um dem Naturstein in seiner vielfältigen, ästhetischen Natürlichkeit, architektonischen Brillanz und Exklusivität einen unvergesslichen Meilenstein zu setzen. Er hat der gesamten Natursteinbranche vollkommen neue, umweltverträgliche und wohltuende Perspektiven aufgezeigt.
Prof. Dr. Siegfried Siegesmund, Göttingen den 04.06.2021

(17.06.2021)