Berliner Friedhöfe müssen schließen

Der Berliner Friedhof St. Thomas bleibt für zwei Wochen für die Öffentlichkeit gesperrt. Fotos: Sabine Meißner

Der Waldfriedhof Heerstraße bleibt geöffnet.

Obwohl die meisten Menschen sich entsprechend der Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhalten, haben wohl einige Personen die Friedhöfe als Möglichkeit für sich auserkoren, den Verboten aus dem Weg zu gehen. Wie der Geschäftsführer des evangelischen Friedhofsverbands Tillmann Wagner mitteilt, hätten etliche Leute die Friedhöfe unter anderem als Fußballplätze oder Ersatztoiletten zweckentfremdet genutzt. Aus diesem Grund habe man am 20. März beschlossen, dass die verbandseigenen Friedhöfe für zunächst zwei Wochen nur eingeschränkt nutzbar sind. Das bedeutet: 45 evangelische Friedhöfe in 11 Bezirken bleiben vorerst für die Öffentlichkeit geschlossen.

Um Verständnis bittend, erklärt Wagner: "Wir müssen unsere Mitarbeitenden schützen, damit zumindest die Bestattungen, die nicht aufschiebbar sind, weiterhin durchgeführt werden können." Beisetzungen werden laut Wagner in eingeschränkter Form weiterhin stattfinden. Urnenbestattungen müssten zeitlich nach hinten verschoben werden. Für die Durchführung einer Beisetzung werde der jeweilige Friedhof geöffnet und gegebenenfalls der Einlass über Kontrollen geregelt. "Trauerfeiern werden wir nach Möglichkeit im Freien abhalten", sagt Wagner.

Falsches Signal mit Friedhofsschließung?
Die Maßnahme stößt zum Teil auf Unverständnis, zumal andere Berliner Friedhöfe derweil geöffnet bleiben. "Unsere Friedhöfe sind offen und sollen auch in diesen schweren Zeiten ein Ort von Trost, Besinnung und innerer Einkehr sein", heißt es beispielsweise auf der Website der Luisenkirchhöfe. Sie sind nicht dem Evangelischen Friedhofsverband angeschlossen. Thomas Höhne, Luisenkirchhofsverwalter, meint: "Ich halte solche vorübergehenden Erscheinungen, wie das Ballspielen Jugendlicher, für das kleinere Übel im Vergleich zu einem geschlossenen Friedhof." Den Schutz der Mitarbeiter als Argument heranzuziehen, verstehe er nicht. Es sei in diesen Tagen selbstverständlich, dass die Friedhofsgärtner den vorgegebenen Abstand zu den Friedhofsbesuchern halten. Das werde akzeptiert und sei praktikabel. Die Evangelische Landeskirche setze ein falsches Signal, wenn sie den Menschen, die Trost auf dem Friedhof suchen, diese Möglichkeit verwehrt. Letztlich stärke man damit nur die Hinwendung zu Friedwäldern oder anderen alternativen Bestattungsorten, meint Höhne.

Steinmetzmeister Frank Rüdiger, Geschäftsführer des Natursteinbetriebs Albrecht, verteidigt die Entscheidung des Friedhofsträgers: "Viele Leute sind unbelehrbar, das zeigte sich am Sonntag, als sich Menschenmassen ohne Respekt auf dem Friedhof bewegten." Er habe gesehen, wie Kinder und Hunde teils über Gräber gerannt sind. Einige Erwachsene hätten alle Regeln des Anstands ignoriert. "Das war kein Ort der Ruhe mehr", sagt Rüdiger, der selbst zwiegespalten der Angelegenheit gegenübersteht, aber meint, die Entscheidung müsse dem Friedhofsleiter überlassen werden, der im Interesse der Menschen handelt, die Gräber auf dem Friedhof haben.

Nach acht Tagen wurden die Friedhöfe mit begrenzten Öffnungzeiten (Montag bis Freitag von 8 bis 13 Uhr und am Wochenende bis 19 Uhr) wieder geöffnet. Wie Geschäftsführer Tillmann Wagner auf Nachfrage mitteilte, kämen mit den neuen Öffnungszeiten auch die Menschen zurecht, die unter der zeitweiligen Schließung besonders gelitten haben. Vor allem für Personen, die gerade erst einen Todesfall in der Familie oder im Freundeskreis hatten, sei die Schließung besonders hart gewesen. Allerdings habe man in diesen Fällen auf Anfrage den Zugang zum Friedhof individuell ermöglicht.  Die vorangegangene Maßnahme und der Druck, der sich aus der zeitweiligen Schließung ergab, sei notwendig gewesen, betont Wagner. Den Besuchern sei deutlich gemacht worden, dass die Einhaltung der Abstands-, Versammlungs- und Hygieneregeln zur Eindämmung des Coronavirus dienten. Die Friedhofsmitarbeiter hätten Zeit gewonnen, sich auf die veränderten Bedingungen während der Pandemie einzustellen, etwa auf die Durchsetzung der Hygienestandards und die veränderte Vorbereitung der Beisetzungen.
 

(veröffentlicht am 27. März 2020)

Autor/in: Sabine Meißner