Die Situation in den Berufsschulen und Ausbildungszentren

OStR Stephan Märker, Berufsbildende Schule Mayen
StD Kai Görder, Steinmetzschule Königslutter

In einer Umfrage der Zeitschrift Naturstein schildern Ausbilder und Fachlehrer die aktuelle Situation an den Berufsschulen. Obwohl der Rückgang der Berufsschüler deutliche Spuren hinterlässt, gibt es auch erfreuliche Lichtblicke. Diese Fragen stellte Naturstein:

1. Wie haben sich Ihre Schülerzahlen in den letzten zehn Jahren bis heute entwickelt?

2. Welche Entwicklung bzw. Klassenstärken erwarten Sie für die Zukunft?

3. Wie ändern sich Eintrittsalter und schulische Vorbildung? Gibt es mehr Abiturienten oder Berufswechsler?

4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Schülern mit Migrationshintergrund?

5. Haben Sie einen Spielraum, um innerhalb der Pflicht-Inhalte Schwerpunkte zu setzen?

6. Was muss eine moderne Berufsschule tun, um für Berufsschüler attraktiv zu sein?

7. Pflegen Sie Kooperationen mit den Lehrbetrieben, gibt es grundsätzlich einen Austausch zu allgemeinen Themen zu Branche und Berufsnachwuchs? 

Antworten von OStR Stephan Märker, Berufsbildende Schule Mayen – Carl-Burger-Schule

1. Wie haben sich Ihre Schülerzahlen in den letzten 10 Jahren bis heute entwickelt?
Wir beschulen an der Carl Burger Schule Berufsbildende Schule Mayen seit mittlerweile 15 Jahren die Naturwerksteinmechaniker zweizügig. Dies bedeutet, dass wir in jedem Ausbildungsjahr 2 Klassen bilden und somit durchgängig 6 Klassen mit Auszubildenden dieses Berufes unterrichten. Die Schülerzahlen sind um einen Mittelwert schwankend, wobei ich in den vergangenen beiden Jahren eher einen leichten Anstieg der Schülerzahlen erkennen kann.

2. Welche Entwicklung bzw. Klassenstärken erwarten Sie für die Zukunft?
Für die kommenden Jahre rechnen wir an der BBS Mayen mit relativ konstanten Klassenstärken, so dass es auch in Zukunft bei zwei Klassen pro Jahrgang bleiben wird.

3. Wie ändern sich Eintrittsalter und schulische Vorbildung? Gibt es mehr Abiturienten oder Berufswechsler?
Hinsichtlich des Eintrittsalters hat sich bei den Naturwerksteinmechanikern wie auch im gewerblichen Bereich insgesamt in den letzten Jahren die Schere weiter geöffnet. Der typische Berufsschüler von ca. 16 oder 17 Jahren wird seltener und es kommen zunehmend Auszubildende in die Klassen, die z.T. deutlich älter sind. Diese beginnen entweder nach einem Ausbildungsabbruch eine neue Ausbildung oder erlernen einen zweiten Beruf nach Abschluss eines ersten Ausbildungsverhältnisses. Außerdem sind Schüler mit Abitur oder sogar abgeschlossenen Studiengängen in den letzten Jahren verstärkt in unsere Klassen hineingekommen. Diese Schüler sitzen mit Klassenkameraden zusammen, die, was ebenfalls in den letzten Jahren zugenommen hat, keinen oder nur äußerst schlechte Schulabschlüsse vorweisen können. Insgesamt sind die Klassen also viel heterogener in ihrer Vorbildung und Altersstruktur geworden, aber dies gilt im Grunde für alle gewerblichen Berufsschulklassen quer durch alle Berufe.

4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Schülern mit Migrationshintergrund?
Mit Migranten konnten wir auch bereits mehrere Jahre Erfahrungen sammeln. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ein erfolgreicher Abschluss auch für einzelne Schüler mit diesem Hintergrund möglich ist und bei uns mehrfach gelungen ist. Allerdings ist eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss das Beherrschen der deutschen Sprache in ihren Grundzügen. Ist dies nicht vor Aufnahme der Ausbildung sichergestellt bzw. wird im Verlauf der Ausbildung nicht kontinuierlich an diesem Ziel gearbeitet, ist es für die betreffenden Kandidaten nahezu unmöglich, eine Facharbeiterausbildung insbesondere im theoretischen Teil erfolgreich abzuschließen. Das Erlernen der Sprache kann nicht erst im Rahmen des theoretischen Berufsschulunterrichts erfolgen, der, wie bereits oben erwähnt, große Herausforderungen an die Kollegen stellt, um die Heterogenität der Vorbildungs- und Altersstruktur hinreichend zu berücksichtigen. Hier ist auch das betriebliche und private  soziale Umfeld der Auszubildenden mit Migrationshintergrund gefordert. Sind mehrere Migranten in einer Klasse, kommt es leider zu einer (verständlichen) Gruppenbildung, die aber nicht zuletzt durch die Vermeidung der deutschen Sprache innerhalb der Gruppe dem Unterrichtsziel entgegenwirkt.

5. Haben Sie einen Spielraum, um innerhalb der Pflicht-Inhalte Schwerpunkte zu setzen?
Im laufenden Schuljahr haben wir erstmalig eine neue Aufteilung der Schülerinnen und Schüler vorgenommen. Und zwar haben wir nach der ersten Blockphase und damit nach den ersten Leistungsfeststellungen die Schülerinnen und Schüler nach ihrer voraussichtlichen Leistungsfähigkeit und eventuell erhöhtem Förderbedarf aufgeteilt. In einer Klasse mit den den eher langsameren Lernern bzw. sprachlich benachteiligten Schülern werden sogenannte Mindeststandards unterrichtet, die dem Mindestumfang an Pflichtinhalten für das Bestehen der Abschlussprüfung entsprechen. Diese Lerngruppe ist von uns bewusst zahlenmäßig klein gehalten worden, um dem individuellen Förderbedarf der Auszubildenden besser gerecht werden zu können. Erste Erfolge bestätigen uns, an diesem Vorgehen festzuhalten und es zu erweitern. In der anderen, zahlenmäßig größeren Klasse können die Inhalte, die der Rahmenlehrplan vorgibt, etwas zügiger und dennoch umfassender behandelt werden und darüber hinaus auch Themenbereiche aus dem Berufsfeld Steintechnik besprochen bzw. diskutiert werden, die über die reinen Lehrplanvorgaben hinausgehen. Auch dies zeigt sich nach wenigen Monaten als eine Strategie, die unseren Lernern entgegenkommt und gerne angenommen wird.

6. Was muss eine moderne Berufsschule tun, um für Berufsschüler attraktiv zu sein?
Fakultative Kurse sind grundsätzlich möglich und können von uns bei Bedarf und Interesse eingerichtet werden. Insgesamt gesehen muss m.E. eine moderne Berufsschule die Schüler auf den Umgang mit neuen Technologien und Medien vorbereiten bzw. neue Medien sinnvoll in den Unterricht integrieren. Ein unreflektierter Einsatz von Internet, I-Pads usw. alleine ohne gut durchdachte Integration in den Lernprozess führt keinesfalls zu einem messbar höheren Lernerfolg. Eine digitale Bildung, wie sie gerne von der Politik propagiert wird ("Computer in die Schulen"), ist in der Pädagogik unbekannt und das Lernen am Computer führt nicht per se zu einem höheren (messbaren) Lernerfolg.

7. Pflegen Sie Kooperationen mit den Lehrbetrieben, gibt es grundsätzlich einen Austausch zu allgemeinen Themen zu Branche und Berufsnachwuchs?
Mein Kontakt zu Ausbildungsbetrieben ist gut und häufig, da ich bei drei unserer sechs Klassen Klassenleiter bin und in den drei anderen Klassen dem dortigen Klassenleiter als Co-Klassenleiter zur Hand gehe. Durch die von uns sehr strikt gehandhabten Anwesenheitslisten stehen wir in fast täglichem Kontakt mit Betrieben, wenn es darum geht, Fehlzeiten der Schüler zu überprüfen. Dabei bietet sich selbstverständlich viel Gelegenheit, auch andere Dinge rund um Ausbildung etc. zu besprechen. Darüber hinaus bin ich bei fünf verschiedenen IHK`s als Mitglied der Prüfungskommissionen bestellt und komme somit im Laufe eines Jahres in mindestens fünf bis sechs Betriebe, um an der Bewertung der praktischen Abschlussprüfungen teilzunehmen. Mit den Kollegen unseres Fachbereiches nutzen wir seit Jahren die Möglichkeit, einzelne unserer Ausbildungsbetriebe zum Zweck einer Fortbildung aufzusuchen. Im Rahmen dieser Fortbildungen haben wird in verschiedenen Bundesländern Steinbrüche, Fertigungsanlagen, Materiallager sowie die Mitarbeiter bis hin zu den Geschäftsführern kennengelernt. Es ergaben sich häufig Gesprächsansätze hinsichtlich Branche und Nachwuchs, aber auch zur Berufsbildung usw.

Antworten von Fachleiter Uwe Steglich, Sächsische Steinmetzschule Demitz-Thumitz

1. Wie haben sich Ihre Schülerzahlen in den letzten 10 Jahren bis heute entwickelt?
Die Schülerzahlen an der Sächsischen Steinmetzschule in Demitz-Thumitz, welche seit 2004 als Außenstelle zum Beruflichen Schulzentrum für Wirtschaft und Technik gehört, sind in den letzten zehn Jahren nahezu konstant geblieben. So ist es uns möglich, in jedem Schuljahr ca. 35-40 neue Lehrlinge in 2 Klassen zu begrüßen. Der Einzugsbereich der Sächsischen Steinmetzschule geht über die Landesgrenzen von Sachsen hinaus und reicht bis Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt und zukünftig auch Berlin, entsprechend des Wunsches der Berliner Steinmetzinnung.

2. Welche Entwicklung bzw. Klassenstärken erwarten Sie für die Zukunft?
Sollte die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe konstant bleiben, rechnen wir auch in Zukunft mit konstanten Lehrlingszahlen. Voraussetzung ist natürlich, dass auch ausreichend junge Menschen bereit sind, einen Handwerksberuf erlernen zu wollen. Wichtig ist die Werbung für den Steinmetzberuf!

3. Wie ändern sich Eintrittsalter und schulische Vorbildung? Gibt es mehr Abiturienten oder Berufswechsler?
Die Anzahl der Umschüler ändert sich unwesentlich, durchschnittlich liegt sie bei 1 bis 2 pro Lehrjahr. In Bezug auf die schulische Vorbildung unserer Lehrlinge reicht die Palette vom Hauptschüler bis zum Bachelor. Der überwiegende Teil der Lehrlinge verfügt über einen Realschulabschluss, einige haben das Abitur oder die Fachoberschule abgeschlossen.

4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Schülern mit Migrationshintergrund?
Derzeit können wir noch nicht direkt über Erfahrungen sprechen. Unsere 3 Lehrlinge mit Migrationshintergrund befinden sich noch am Beginn ihrer Ausbildung. Ich bin mir sicher, dass ihnen die Praxis leichter fällt als der theoretische Unterricht. Der Grund dafür ist die Fachsprache, welche noch erlernt werden muss.

5. Haben Sie einen Spielraum, um innerhalb der Pflicht-Inhalte Schwerpunkte zu setzen?
Der sächsische Lehrplan für Steinmetze und Steinbildhauerlehrlinge bietet neben den 12 Lernfeldern zum Beispiel zusätzlich 2 Wahlpflichtfächer an. Hierbei muss sich der Auszubildenden für eines von beiden entscheiden. Diese Praxisfächer „Handwerkliche Natursteinbearbeitung“ und das „Gestalten von Schriftbildern“ finden im 2. und 3. Lehrjahr mit jeweils 3 Stunden pro Woche statt.

6. Was muss eine moderne Berufsschule tun, um für Berufsschüler attraktiv zu sein?
Der neue Rahmenlehrplan stellt die Anforderungen, die eine Schule zu erfüllen hat. Unsere Aufgabe ist es daher, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Das Erstellen von digitalen Zeichnungen gehört dabei genauso dazu wie das Ansteuern von entsprechenden Maschinen und der Einsatz neuer Materialien. Auf Messen und Fortbildungsveranstaltungen wird das Wissen der Kollegen aufgefrischt und auf den aktuellen Stand gebracht.
Die Sächsische Steinmetzschule arbeitet darüber hinaus eng mit dem Gemeinnützigen Förderverein des Steinmetz- und Bildhauerhandwerkes e.V. zusammen. So werden über diesen Verein in der Freizeit den Auszubildenden Zusatzqualifikationslehrgänge angeboten. Jeder dieser Lehrgänge hat einen Umfang von 40 Unterrichtsstunden. Im Angebot stehen 3 Lehrgänge, um die Bedienberechtigung von Gabelstaplern, Radladern und Ladekranen zu erwerben sowie ein Grundkurs in Denkmalpflege. Diese Kurse erfreuen sich großer Beliebtheit bei den Teilnehmern.

7. Pflegen Sie Kooperationen mit den Lehrbetrieben, gibt es grundsätzlich einen Austausch zu allgemeinen Themen zu Branche und Berufsnachwuchs?
Die Zusammenarbeit mit unseren Ausbildungsbetrieben hat für unsere Kollegen eine große Bedeutung. Nicht nur der Austausch über die Erfolge der Auszubildenden spielen dabei eine Rolle. Gemeinsame Messebesuche mit der Steinmetzinnung, die gegenseitige Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und die Mitarbeit in den Prüfungsausschüssen der Kammern und Kreishandwerkerschaften unseres Einzugsbereiches gehören ebenso dazu.
Um den Beruf des Steinmetz und Steinbildhauers zu bewerben, präsentiert sich die Sächsische Steinmetzschule auf mehreren Messen und Veranstaltungen in Dresden, Löbau und Bautzen. Natürlich gehört auch der "Tag der offenen Tür" an der Sächsischen Steinmetzschule und die Mitgestaltung des "Tages des offenen Granitdorfes Demitz-Thumitz" dazu.Ein wesentlicher Kontakt mit den Innungen und Kammern entsteht durch die umfangreiche Prüfungsarbeit, die durch die Schule mit geleistet wird.

Antworten von Stephanie Rössing, Bildungsgangkoordinatorin Steinmetze, Berufskolleg Ulrepforte, Köln

1. Wie haben sich Ihre Schülerzahlen in den letzten 10 Jahren bis heute entwickelt?
Wir haben in den letzten 10 Jahren ca. 40 Prozent weniger Schülerinnen und Schüler (SuS). Die Angabe schwankt in den einzelnen Jahrgängen.

2. Welche Entwicklung bzw. Klassenstärken erwarten Sie für die Zukunft?
Wir gehen davon aus, dass die Klassenstärken in Zukunft stagnierend sind.

3. Wie ändern sich Eintrittsalter und schulische Vorbildung? Gibt es mehr Abiturienten oder Berufswechsler?
Wir haben kaum Änderungen im Eintrittsalter bemerkt, bzw. bei der schulischen Vorbildung. Hier gilt seit Jahren, dass die SuS in ihren Voraussetzungen sehr heterogen sind.

4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Schülern mit Migrationshintergrund im Steinbereich?
Wir haben in diesem Schuljahr erstmalig Asylbewerber im Berufsbild Steinmetze und Steinbildhauer, deshalb können wir noch nicht viel dazu schreiben.
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind im normalen Unterrichtsablauf nicht weiter auffällig. Der Lernerfolg ist hier durchaus mit den Deutschkenntnissen verbunden.

5. Haben Sie einen Spielraum, um innerhalb der Pflicht-Inhalte Schwerpunkte zu setzen?
Wir haben über Jahre das Projekt Bodendenkmal Wider dem (Un)deutschen Geist in Köln begleitet. Dazu entwarfen die SuS Schriften von Autorinnen- und Autorennamen, welche von der Bücherverbrennung betroffen waren und meißelten diese in den historischen Grund vor der TH Köln.

6. Was muss eine moderne Berufsschule tun, um für Berufsschüler attraktiv zu sein?
Gestaltung einer umfassenden Vorbereitung auf das sich fortwährend ändernde Berufsbild. Planung von auftragsbezogenen Steinmetz- und Steinbildhauerarbeiten unter Berücksichtigung von Gestaltung, Herstellung und Versetzen. Verknüpfungen in der Gestaltung von aktuell zu erstellenden Arbeiten und tradierten Werken. Einbindung von technischen Neuerungen des Steinmetz- und Steinbilhauerhandwerks im Zuge des digitalen Fortschritts. Heranführung an für das Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks neuen Materialien.

7. Pflegen Sie Kooperationen mit den Lehrbetrieben, gibt es grundsätzlich einen Austausch zu allgemeinen Themen zu Branche und Berufsnachwuchs?
Wir pflegen eine rege Kommunikation mit den Ausbildungsbetrieben.
Als Gesprächskreis Schule mit Schulleitung und Lehrerinnen und den Betrieben vertreten durch Obermeisterin und Lehrlingswarte der Innungen Köln, Bonn und Aachen.
Teilnahme der Bildungskoordinatorin am Arbeitskreis für Ausbilder der BI
Teilnahme an Innungsversammlungen

Antworten von StD Kai Görder, Steinmetzschule Königslutter

2. Welche Entwicklung bzw. Klassenstärken erwarten Sie für die Zukunft?
Die letzten zwei Jahre waren überproportional. In den Jahren vorher kamen von Betrieben schon vermehrt Anfragen nach Lehrlingen. Es wurden nur keine gefunden. Die Ausbildungsbereitschaft war aber vorhanden. 2017/18 kamen dann vermehrt Lehrlinge mit Flüchtlingshintergrund hinzu.
2018/19 haben zusätzlich Betriebe aus anderen Bundesländern ihre Lehrlinge bei uns angemeldet. Daher auch in diesem Jahr eine hohe Anzahl an Lehrlingen.
Wie es in den nächsten Jahren weitergeht ist schwer abzuschätzen. Da die Ausbildungsbereitschaft vorhanden zu sein scheint und wenn weiterhin die beiden zusätzlichen Bundeländer ihre Lehrlinge zu uns schicken, gehe ich von einer ähnlich hohen Zahl aus.

3. Wie ändern sich Eintrittsalter und schulische Vorbildung? Gibt es mehr Abiturienten oder Berufswechsler?
In den letzten zwei Jahren hatten wir vermehrt Schüler ohne Schulabschluss, dies könnte aber im Zusammenhang mit den Lehrlingen mit Flüchtlingshintergrund liegen. Umgekehrt hatten wir in den letzten zwei Jahren einen leichten Anstieg von Schülern mit Fachabitur oder Abitur. Die Schere geht etwas weiter auseinander.

4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Schülern mit Migrationshintergrund?
Schüler mit Migrationshintergrund, die teilweise hier geboren sind und weitestgehend die deutsche Sprache sprechen haben wir regelmäßig in der Schule. Zu diesen Schülern kann man keine besonderen Ausführungen geben. Sie sind in der Schule voll integriert.
In den letzten 10 Jahren gab es ab und an einen Schüler mit Flüchtlingshintergrund. In den letzten 3 Jahren haben sich die Zahlen stark vermehrt. Im Schnitt liegen wir momentan bei ca. 9 Prozent Lehrlingen mit Flüchtlingshintergrund. Erfahrungen mit diesen Lehrlingen sind sehr unterschiedlich. Häufig sind sie sehr engagiert. Zum Teil haben sie leider sehr wenig Grundkenntnisse z.B. in Mathe und auch mit der Schriftsprache gibt es Probleme. Mündlich klappt es oft ganz gut. Viele von ihnen sind wahre Improvisationstalente, wie sie ihren Alltag in der Schule meistern.

5. Haben Sie einen Spielraum, um innerhalb der Pflicht-Inhalte Schwerpunkte zu setzen?
Im Unterricht ist aufgrund der kurzen Zeit pro Lernfeld relativ wenig Spielraum vorhanden. Zuerst geht es immer darum, die notwendigen Inhalte abzudecken. Je nach Klasse ergeben sich aber doch die ein oder andere Vertiefung.
Ein Spielraum, den wir außerhalb des Rahmenlehrplans schon seit mehreren Jahren abdecken ist das Arbeiten mit CAD und später im 3.Lehrjahr auch CNC. Hier starten wir schon zu Beginn des ersten Schulblocks.

Zusätzlich bieten wir ergänzende Angebote auf freiwilliger Basis nach dem Unterricht an. Diese Inhalte werden von den Lehrern in ihrer Freizeit begleitet. Z.B.  Schmieden, Arbeiten in der Werkstatt, Profilbearbeitung – zusammen mit den Schülern erstellen wir ein Gewölbe und ein Maßwerk, praktische Vorbereitung auf die Gesellenprüfung, plastisches Gestalten- Modellieren, Abformen, Punktieren. Begabtenförderung

6. Was muss eine moderne Berufsschule tun, um für Berufsschüler attraktiv zu sein?
Die gesamte Bandbreite des Berufes abbilden. Glaubwürdig technische Neuerungen in den Unterricht integrieren, z.B. CNC, 3D-Scan, 3D-Schnitte etc.
Nachmittagsangebot in Theorie und Praxis neben dem Unterricht anbieten (siehe Frage 5). Bei uns in der Berufsschule mit Blockbeschulung (Schüler sind z.T. 6-7 Wochen vor Ort) geben wir den Schülern solange die Schule offen ist die Möglichkeit die Räumlichkeiten der Schule zu nutzen (z.B. Werkstatt, Computerraum, Wlan im Internat). Eines der wichtigsten Dinge ist ein fairer und freundlicher Umgang zwischen Schülern und Lehrer.

7. Pflegen Sie Kooperationen mit den Lehrbetrieben, gibt es grundsätzlich einen Austausch zu allgemeinen Themen zu Branche und Berufsnachwuchs?
In unserem Bereich sind wir gut mit den Innungen und den Betrieben vernetzt. Wenn möglich besuchen wir die Innungsversammlungen. Umgekehrt haben Innungen ihre Versammlungen auch schon in unserem Haus (inkl. Werkstattfest) abgehalten.
Im letzten Jahr hat die Innung Hannover an einer Ausbildungsmesse teilgenommen, an der wir uns beteiligt haben. Zusätzlich hat die Innung Hannover auf der Messe BIG einen großen Stand an dem wir auch teilnehmen.
Auf unserem alle zwei Jahren stattfindendem Werkstattfast des Fördervereins kommen immer viele Schülern, Ausbildern und Ehemaligen. Hier findet immer ein regen Austausch statt.

Antworten von StD Martin van Limbeck. Abteilungsleiter Bautechnik, Berufsbildende Schule 1, Mainz

1. Wie haben sich Ihre Schülerzahlen in den letzten 10 Jahren bis heute entwickelt?
Wir haben die Landesfachklassen aus den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland. 1985 gab es noch in jedem Ausbildungsjahr 4 Parallelklassen mit bis zu 40 Schüler/-innen. In den letzten 10 Jahren sind das 2 Parallelklassen je Ausbildungsjahr, also 6 Klassen mit 20 bis 25 Schüler/-innen. Einen kleinen Einbruch gab es 2014 bis 2016, so dass vorübergehend nur ein erstes Lehrjahr eingeschult wurde. In den letzten beiden Jahren hat sich das jedoch wieder stabilisiert auf 2 Klassen im ersten Lehrjahr und Klassenstärken von im Schnitt 20 bis 22 Schüler/-innen. Also insgesamt in den letzten Jahren relativ gleichbleibende Zahlen, allenfalls ein geringfügiger Rückgang. 

2. Welche Entwicklung bzw. Klassenstärken erwarten Sie für die Zukunft?
Durch die Einstellung der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU) in Mainz-Hechtsheim beim Ausbildungszentrum der HWK Rheinhessen müssen die Lehrlinge aus unseren drei Bundesländern künftig nach Ingolstadt, Wunsiedel oder Königslutter zur ÜLU.
Dies wird ggf. dazu führen, dass viele Betriebe keine Lehrlinge mehr bekommen, weil diese vielleicht nicht bereit sind die damit verbundenen Probleme (fremdes Umfeld, Kosten und Länge der Anfahrten, Unterbringungskosten) in Kauf zu nehmen. Zunehmend haben wir auch Schüler/-innen die aus sozialen Gründen eher ein geordneteres Umfeld und Hilfe vor Ort benötigen zur weiteren Entwicklung in ihrer Ausbildung. 
Für uns als Schulstandort der Landesfachklassen ergeben sich weitere Probleme hieraus.  Betriebe aus der Nähe der noch bestehenden Überbetrieblichen Ausbildungszentren schicken ihre Schüler/-innen dann teilweise auch zur Theorieausbildung in die jeweilige Berufsschule des Ausbildungszentrums (zum Beispiel Betriebe aus Nordhessen nach Königslutter). Einige Betriebe stellen auch Naturwerksteinmechaniker ein, die gar nicht an einer ÜLU teilnehmen müssen bzw. dürfen. Letztlich hat dies aber eben auch Auswirkungen auf die Qualität der Ausbildung, so dass viele unserer kleinen und mittelgroßen Betriebe ihre Auszubildenden auch weiterhin lieber zu uns schicken.
Trotzdem haben wir Angst, dass wir trotz langjähriger durchgängig positiver Rückmeldungen über die Qualität unserer theoretischen Ausbildung der Steinmetzen und Steinbildhauer mit einem Rückgang der Zahlen ab 2019 durch die Einstellung der ÜLU rechnen müssen.
Viele verwechseln auch ÜLU und Schule BBS 1 bzw. werfen beide Ausbildungsinstitutionen in einen Topf. So werde ich ständig von Betrieben und Interessenten für eine Ausbildung angefragt, ob die Schule weiter besteht. Insgesamt bedauere ich zutiefst, dass die jahrzehntelange erfolgreiche pädagogische Zusammenarbeit von ÜLU, dem Kolpinghaus und unserer Schule im Rahmen des „Mainzer Modells“ nun aufgesprengt wird durch die Streichung der ÜLU vor Ort.

3. Wie ändern sich Eintrittsalter und schulische Vorbildung? Gibt es mehr Abiturienten oder Berufswechsler?
Auffällig ist hier die Zunahme von Auszubildenden mit Migrationshintergrund, insbesondere auch Flüchtlingen, die über sehr geringe Deutschkenntnisse verfügen. Ansonsten hat sich nicht viel verändert. Die Vorkenntnisse aus vorhergehenden Schulen gehen weiter zurück im Hinblick auf die fachlichen Kompetenzen. Der Anteil an Frauen und Abiturienten liegt auch weiterhin bei 2 bis 3 pro Klasse, manchmal sind die Frauen dann aber auch die Abiturient/-innen. Den „typischen“ Auszubildenden mit 16 Jahren und Berufsreife hatten wir immer schon seltener, aber sicher hat die Zahl der älteren Auszubildenden mit völlig differierenden Bildungserfahrungen und Kompetenzen jüngst zugenommen.

4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Schülern mit Migrationshintergrund?
Die Erfahrungen differieren sehr stark. Von vorzeitigem Abbruch wegen Überforderung durch zu schlechte Deutschkenntnisse bis hin zu erfolgreichem Kompetenzzuwachs. Oft werden die praktischen Fertigkeiten von den Betrieben gelobt, aber die fehlenden Deutschkenntnisse lassen eine erfolgreiche Gesellenprüfung oft fraglich erscheinen. Die Integration in die Klassen ist zumeist sehr gut, teilweise haben die Schüler/-innen sich sogar zu "internationalen" Lerngruppen zusammengeschlossen, die dann auch außerhalb der Unterrichtszeiten und mit Hilfe der englischen Sprache sich gegenseitig helfen.

5. Haben Sie einen Spielraum, um innerhalb der Pflicht-Inhalte Schwerpunkte zu setzen?
Die heutigen Lehrpläne sind durch die Lernfelder und das exemplarische Lernen im Rahmen des Kompetenzmodells grundsätzlich offen genug um Schwerpunkte zu setzen. Letztlich ist ja über die neuen Ausbildungs- und Lehrpläne auch eine aktuellere Schwerpunktsetzung erfolgt. Wir versuchen immer unsere Steinmetzen und Steinbildhauer gemeinsam in den  relevanten Fachkompetenzen zu fördern. So gibt es dann neben dem traditionellen Freihandzeichen und dem technischen Zeichnen von Hand eben inzwischen auch eine CAD-Grundbildung mit Berufsbezug, die bei uns auch von Praktikern im Lehrauftrag gemacht wird.

6. Was muss eine moderne Berufsschule tun, um für Berufsschüler attraktiv zu sein?
Fakultative Kurse zur Differenzierung nach fachlichen oder auch sozialen Gesichtspunkten ermöglichen immer einen gesteigerten und breiteren Kompetenzzuwachs. Zumeist müssen dafür aber die Klassen geteilt und zwei Lehrer/-innen gleichzeitig eingesetzt werden. Dies ist aus fiskalischen Gründen leider viel zu selten möglich. So versuchen wir innerhalb der Gesamtklasse durch fachlich und leistungsmäßig differenzierte Arbeitsaufträge den unterschiedlichen Lerntypen gerecht zu werden.
Gleichzeitig ist eine große Nähe zu den tatsächlichen betrieblichen Arbeitsabläufen wichtig. Entsprechend qualifizierten Auszubildenden sollte man immer eine Möglichkeit bieten, sich parallel höher zu qualifizieren. Allerdings sind wir hier im Hinblick auf ein duales Studium immer auf eine  Hochschule angewiesen, die dies anbietet und auf Betriebe, die daran interessiert sind. Ein breiter „Markt“ wird hier nicht entstehen, aber Anfragen dazu hatte ich schon.

7. Pflegen Sie Kooperationen mit den Lehrbetrieben, gibt es grundsätzlich einen Austausch zu allgemeinen Themen zu Branche und Berufsnachwuchs?
Unsere Kolleg/-innen und Kollegen sind in nahezu allen Prüfungsausschüssen der drei Bundesländer vertreten und tauschen sich bei den Prüfungen immer mit den Betriebsinhaber/-innen und Lehrlingswarten vor Ort aus. Daneben sind die Klassenleiter in ständigem Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben, Förderinstitutionen, Kammern und dem Kolpinghaus. Auf Berufsmessen und an Tagen der offenen Tür werden durch unsere Schulen allerdings nur die Wahlschulen beworben, nicht die Ausbildungsberufe.
Darüber hinaus arbeiten wir eng mit der ÜLU zusammen, haben auch schon EU-Projekte gemeinsam gestaltet, und nehmen an den jährlichen Treffen des Arbeitskreises für Ausbildungsfragen beim BIV teil. Auch mit den Schulen der anderen Ausbildungszentren tauschen wir uns aus.
Regelmäßig fahren 2-3 Auszubildende von uns zu einem dreimonatigen Auslandspraktikum nach Carrara, organisiert durch die HWK Braunschweig. In diesem Rahmen finden auch Ausbilderreisen statt nach Italien, Laas und Spanien, an denen unsere Lehrkräfte teilweise teilnehmen konnten
2018/2019 arbeitet unsere Abteilung der Steinmetzen und Steinbildhauer als Partner zusammen mit dem DNV in einem Erasmus+ Programm der EU. Bei dem Projekt "Safeplace" geht es darum, computeranimierte Lehrvideos zum Thema Arbeitssicherheit zu erstellen. Diese kommen ohne Sprache aus und sollen so insbesondere Flüchtlingen mit geringen Deutschkenntnissen zumindest Grundkenntnisse zur Arbeitssicherheit vermitteln und potentielle Unfälle verhindern helfen. Nachdem vorherige Projekte bzw. Videos den Abbau und die Verarbeitung des Natursteins zum Thema hatten, geht es nun um die Sicherheit beim Versetzen unserer Natursteinprodukte. Steinmetzschulen aus Kroatien (Brac), Italien (Padua), Südfrankreich (Blanquefort) und Spanien (Andalusien) arbeiten neben dem DNV und spanischen Projektkoordinatoren mit uns zusammen in diesem Projekt.
Infos zum laufenden DNV/Erasmus-Programm: www.safestoneplace.com

Antworten von StD Jürgen Wunderlich, Staatl. Fachschule für Steintechnik und Gestaltung Wunsiedel

1. Wie haben sich Ihre Schülerzahlen in den letzten 10 Jahren bis heute entwickelt?
Rückgang um 35%

2. Welche Entwicklung bzw. Klassenstärken erwarten Sie für die Zukunft?
Keine Prognose möglich! Abhängig z.B. von Ausbildungsvergütung und Tätigkeiten im Betrieb etc. Wer z.B. eine Lehre in der Vertiefung Bildhauerarbeiten wählt, möchte bestimmt auch in diesem Bereich ausgebildet werden. Ist das dann auch wirklich die Realität in den Betrieben?

3. Wie ändern sich Eintrittsalter und schulische Vorbildung? Gibt es mehr Abiturienten oder Berufswechsler?
Keine signifikanten Änderungen, wobei der Vorbildungsstand allg. schlechter ist. Ein Wechsel während des Schuljahres mit Lehrzeitabbrüchen und Neuanfängen ist stark angestiegen.

4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Schülern mit Migrationshintergrund?
Problemfelder sind mangelhafte Sprachkenntnisse und kulturelle Unterschiede (Werte, Rolle der Frau, weibliche Lehrkräfte).

5. Haben Sie einen Spielraum, um innerhalb der Pflicht-Inhalte Schwerpunkte zu setzen?
Ja, schon alleine durch die Anlage moderner Lehrpläne! Ausbildungsordnung und Lehrplan sind seit 2018 neu!

6. Was muss eine moderne Berufsschule tun, um für Berufsschüler attraktiv zu sein?
Schülerinnen und Schüler kommen NICHT zu uns, weil die Schule attraktiv ist! Es gibt keine Wahlmöglichkeit der Schulen in der Erstausbildung! Vielmehr muss die Ausbildung interessant sein, was eine Frage an die Ausbildungsbetriebe wäre. Wie soll ein Steinmetzlehrling bei den momentanen Ausbildungsvergütungen seinen Lebensunterhalt finanzieren und wie sieht der Vergleich in Bezug auf die Ausbildungsvergütung mit anderen Berufen aus? Warum bleiben viele Lehrlinge nach der Ausbildung nicht im Steinmetzberuf, sondern wechseln?

7. Pflegen Sie Kooperationen mit den Lehrbetrieben, gibt es grundsätzlich einen Austausch zu allgemeinen Themen zu Branche und Berufsnachwuchs? Ja, Tag der offenen Tür, Teilnahme an Messen (Berufsbildungskongress, Handwerksmesse, Ausbildungsmessen), Besuch und Vorstellung des Berufes an ca. 20 Schulen im Umkreis. Aber was nützt es, wenn die Schule an der Steinmetzausbildung Interessierte generiert, diese aber keine regionalen Ausbildungsplätze finden?