Standardfehler unter der Lupe

(Zierbild: Pixabay)
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Eine Auftragnehmerin (AN) wird von der Auftraggeberin (AG=Lebensmittelmarkt) unter allgemeinem Verweis auf die VOB/B u.a. damit beauftragt, einen im Bestand befindlichen Terrazzo-Boden zu demontieren und durch einen von der AG ausgesuchten PVC-Belag zu ersetzen. Die AN lässt diese Arbeiten durch einen Sub-Unternehmer ausführen. Dieser ermittelte auf dem Terrazzo-Boden elektrisch Feuchtigkeitswerte von 47 bis 52 Digits, fräste den Fliesenboden mechanisch ab, säuberte und bereitete ihn mit Spachtelmasse vor und klebte den PVC-Belag mit einem faserarmierten Nassbett-Klebstoff auf. Weder der Sub-Unternehmer noch die AN haben den Bodenaufbau zusätzlich untersucht. Dem AG wurden auch keine Bedenken angezeigt. Vier Jahre später rügt die AG, dass sich der Boden anhebe und dass Stolpergefahr bestehe.

I. Wirksame Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag
Hierzu das OLG: In einem Vertrag mit einem im Baubereich nicht bewanderten Unternehmer als Vertragspartner des Verwenders wird die VOB/B nur wirksam einbezogen, wenn ihm die VOB/B tatsächlich zur Kenntnis gebracht wird. Der Hinweis im Angebot: "Ausführung nach VOB/B in der derzeit gültigen Verfassung. VOB liegt zur Einsichtnahme in unseren Geschäftsräumen aus", reicht nicht aus.

Denn: Die VOB/B ist kein Gesetz, sondern eine allgemeine Geschäftsbedingung. Es gilt § 305 Abs. 2 BGB. Hiernach muss der Vertragspartner (vereinfacht) bei Vertragsschluss in zumutbarer Weise Einsicht nehmen können. 
Aber: Besondere Regeln gelten nur für am Bau tätige Unternehmen. Kommt der Vertragspartner regelmäßig mit der VOB/B in Kontakt (GU, GÜ, Baugenossenschaft) oder wird er durch einen Architekten vertreten, reicht der allgemeine Hinweis, dass die VOB/B gelten soll.

II. Funktionaler Mangelbegriff
Hierzu das OLG: Ein Fußbodenbelag, der sich an mehreren Stellen hebt, sodass eine erhebliche Stolpergefahr besteht, ist nach dem funktionalen Mangelbegriff mangelhaft.
Denn: Neben den Vereinbarungen des Vertrags und den anerkannten Regeln der Technik muss das Werk funktionieren. Auf einem Bodenbelag muss man sich sicher bewegen können. Besteht Stolpergefahr, ist der Boden mangelhaft.
Aber: Der Mangel muss zum Zeitpunkt der Abnahme vorhanden sein. Wölbt sich der Boden z.B. wegen eines Wasserschadens oder wegen falscher Pflege, liegt kein Mangel zum Zeitpunkt der Abnahme vor.

III. Prüfung des Vorgewerks bzw. des Bestands
Hierzu das OLG: Ein Bodenleger muss vor der Ausführung der Arbeiten prüfen, wie der Fußbodenunterbau beschaffen ist. Das gilt nicht nur im VOB/B-, sondern auch im BGB-Bauvertrag. Der Unternehmer ist für den Mangel verantwortlich, wenn er seiner Pflicht zur Anmeldung von Bedenken nicht nachgekommen ist.

Denn (siehe auch Punkt II): Der Unternehmer haftet verschuldensunabhängig für den Mangel. Er muss das Vorgewerk daraufhin prüfen, ob er sein Gewerk mangelfrei erstellen kann. Der Umfang dieser Prüfung hängt vom Einzelfall ab.
So auch das OLG: Ein Bodenleger ist zwar nicht zur Abklärung des Untergrunds mithilfe einer zerstörenden Prüfung per Bohrkernentnahme verpflichtet. Er hat sich jedoch vor Ausführung der Arbeiten über die Beschaffenheit des Fußbodenaufbaus zu erkundigen.
Aber: Der Unternehmer wird von der Mängelhaftung befreit, wenn er bei der gebotenen Prüfung die Fehlerhaftigkeit einer Leistungsbeschreibung, einer verbindlichen Anordnung des Auftraggebers, vorgeschriebener Stoffe oder Bauteile oder einer Vorleistung nicht erkennen konnte.

Die Fortsetzung der Ausführungen zum Thema Standardfehler erscheint in Naturstein 12/2023. 

(Veröffentlicht am 7. November 2023)

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