Grabgestaltung pflegeleicht und bedarfsgerecht

Urnengrabsteine unter Bäumen, Urnenring, Urnenhain und Memoriam-Garten

Viele Angehörige Verstorbener sehen heutzutage die Pflege eines Grabes aufgrund der veränderten Familienstrukturen und Lebensgewohnheiten als Last und entscheiden sich daher für Bestattungen in Urnenwänden oder Friedwäldern, wo Trauerhandlungen wie das Aufstellen von Blumenschalen oder Lichtern jedoch verboten sind.

"Garten der Erinnerung" auf dem Friedhof in Süßen

 
Der "Garten der Erinnerung" auf dem Friedhof in Süßen; der zentrale Platz zwischen den Grabstellen wird von Bänken und fünf bogenförmigen Steinobjekten mit einem Goethe-Zitat umrahmt. (Foto: Susanne Storath)

Um diesen Bedürfnissen der Hinterbliebenen Rechnung zu tragen, haben der Bundesverband Deutscher Steinmetze (BIV) und die Kunstgießerei Strassacker aus Süßen mit Unterstützung des Deutschen Naturwerkstein-Verbands (DNV) 2008 die Marktoffensive "Orte, die gut tun" ins Leben gerufen. Sie zielt darauf ab, Friedhöfe zu Orten zu machen, die den Trauernden "gut tun" – und das unter Einbezug aller am Friedhof tätigen Gewerke. Ob die Bezeichnung "Orte, die gut tun" vielleicht etwas irreführend ist, wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert.

Von der Grabpflege entpflichten
"Häufig erleben Menschen Friedhöfe als reines Pflichtprogramm. Bei diesem Image haben die Anbieter von alternativen Bestattungsformen wie beispielsweise in Friedwäldern oder auf Almwiesen leichtes Spiel, obwohl sie viel weniger zu bieten haben", sagt Günter Czasny, stellvertretender Geschäftsführer bei Strassacker, und gedanklicher Vater der Offensive "Orte, die gut tun".

Bedürfnis, etwas am Grab tun zu dürfen
Die meisten Menschen wollen in ihrem Verlustschmerz noch einmal die Nähe des Verstorbenen spüren. Da dies nicht mehr möglich ist, haben sie das Bedürfnis, etwas am Grab zu tun – auch wenn sie zuvor einer pflegefreien Bestattungsform zugestimmt hatten. "Deshalb müssen wir die Hinterbliebenen von der Verpflichtung entlasten, ein Grab pflegen zu müssen, aber sie darin unterstützen, bei Bedarf etwas am Grab tun zu dürfen", so Czasny. Wenn das gewährleistet sei, würden Friedhof und Grab zu Orten, die eine therapeutische Funktion erfüllen.

Urnenkreis in Waldkraiburg


Von Hinterbliebenen liebevoll bepflanzter Urnenkreis in Waldkraiburg (Foto: F. Franke-Fichtner) 

Gelungene Lösungen
Gelungene und bereits realisierte Lösungen, wie man Friedhöfe in diesem Sinne (um)gestalten kann, stellt unsere Fachzeitschrift Naturstein seit gut drei Jahren in der Artikelserie "Orte, die gut tun" vor. Die Texte berichten davon, was engagierte Steinmetze und andere Friedhofsinteressierte initiiert haben, um auf den Wandel in der Bestattungskultur zu reagieren. "Wir müssen anderen Steinmetzen und der Öffentlichkeit zeigen, was es statt Urnenwänden noch gibt", sagt Wolfgang Thust, Leiter der Grabmalkommission im DNV.

Pflegeleichte Grabgestaltung wird nachgefragt
Die meisten der pflegeleichten Grabstättenkonzepte werden von den Hinterbliebenen gut angenommen. Einige sind sogar so beliebt, dass sie schon erweitert wurden bzw. werden. Dazu gehören der "Garten der Erinnerung" auf dem Friedhof in Süßen, die "Gedenksteine mit gärtnerischer Betreuung" auf dem Zentralfriedhof in Kempten, Urnenbestattungen unter Platanen auf dem Nürnberger Westfriedhof und die von Franziska Franke-Fichtner entwickelten Urnenkreise.

Die eben genannten Beispiele finden Sie in folgenden Heften:
- NS 11/2011, ab Seite 34, "Garten der Erinnerung"
- NS 6/2011, ab Seite 100, "Das Kemptener Modell"
- NS 5/11, ab Seite 62, "Personalisierte Naturbestattungen"
- NS 9/11, ab Seite 42, "Pflegefreie Urnenkreise"
- NS 4/13, ab Seite 56, "Urnenkreise erweitert"

"Garten der Erinnerung" in Süßen


Zwei Infotafeln am "Garten der Erinnerung" in Süßen an den Eingängen der Anlage halten Flyer bereit – wenn sie nicht gerade vergriffen sind. (Foto: Susanne Storath)

Gedenksteine mit gärtnerischer Betreuung


"Gedenksteine mit gärtnerischer Betreuung": Die acht Musterstelen auf dem städtischen Zentralfriedhof in Kempten wurden von den am Friedhof tätigen Steinmetzen angefertigt und aufgestellt. (Foto: Susanne Storath)

integrierte Urnenbestattungen


Die "integrierte Urnenbestattungen" auf dem städtischen Friedhof in Kempten
(Foto: Susanne Storath)

Westfriedhof in Nürnberg

 
Ein Brunnen bildet das Zentrum der Grabanlage am Fuße der vier Platanen auf dem Westfriedhof in Nürnberg. Die Anlage bietet Platz für bis zu 280 Urnen. Blumengrüße können in Vasen vor den Stahlselen abgelegt werden. (Foto: M. Gärtner)

Variablen Urnenring


Den von der Firma Reiter aus Dillingen entwickelten variablen Urnenring gibt es in verschiedenen Formen und Größen. (Foto: Susanne Storath) 


Ein weiteres Beispiel für pflegefreie Grabgestaltung, die dennoch Trauerrituale zulässt, zeigt das "Verdetomba"-Konzept in der Gemeinde Inden. Ein Verdetomba ("Grünes Grab") besteht aus einem Grabstein auf einer sockelartigen Grabplatte, welche Platz für das Ablegen von Blumen, Lichtern und anderen Gegenständen ermöglicht. Die Hinterbliebenen entscheiden dabei selbst, ob und wie lange das dazugehörige Beet gestaltet und gepflegt wird. Auch ein bestehendes Grab kann zu einem Verdetomba umgestaltet werden. Weitere Informationen zur Umsetzung dieses Projekts finden Sie in Naturstein 3/15 ab Seite 38.


Wegweisende Beispiele

"Basaltkreis" von Nikolaus Seubert


"Basaltkreis" von Nikolaus Seubert, Berlin, im Außenbereich der Ausstellung "Orte, die gut tun" in Berlin; Foto: H. Lachmann

Wegweisende Beispiele waren auch in der Sonderschau "Orte, die gut tun" auf der Messe Stone+tec 2009 zu sehen, die danach im Frühjahr 2011 in Berlin gezeigt wurde. Franziska Franke-Fichtner, Fachberaterin im Bereich Friedhof, lässt Fakten sprechen: "Dass der Bedarf an ansprechend gestalteten und pflegeleichten Grabstätten da ist, zeigen die Zahlen für den Waldkraiburger Friedhof: Alle 20 Grabstellen aus der ersten Anlage mit Urnenkreisen wurden innerhalb eines Jahres verkauft. Wichtig für den Erfolg meines Angebots war, dass der Preis passt."

Steinmetze Hand in Hand mit Friedhofsgärtnern
Bei den meisten Projekten arbeiteten die Steinmetze Hand in Hand mit Friedhofsgärtnern, die sich über die gesamte Laufzeit um die Pflege der Grabstätten kümmern. Die Angebote sollten immer auf die regionalen Gegebenheiten abgestimmt werden, d.h. idealerweise planen und realisieren die örtlichen Gewerke in Zusammenarbeit mit dem Friedhofsträger die Projekte. Ein Beispiel für ein solches Projekt finden Sie in der Naturstein-Ausgabe 12/2016, ab Seite 40.

Memoriam-Garten in Wetzlar

 
Im Memoriam-Garten in Wetzlar stehen sieben Grabarten zur Auswahl. (Foto: TDHT)

Regionale Bestatter eingebunden
In vielen Beispielfällen wurden schon in der Planungsphase die regionalen Bestatter in die Konzepte eingebunden. Sie übernahmen nach der Umsetzung neben den Friedhofsverwaltungen die wichtige Aufgabe, interessierte Hinterbliebene über die neuen Beisetzungsmöglichkeiten zu informieren. Es gibt aber auch zahlreiche Steinmetze, die noch nicht mit Bestattern zusammenarbeiten, sich jedoch eine Kooperation wünschen.

Hier sind einerseits die Steinmetze gefragt, auf die Bestatter zuzugehen und ihre Ideen – am besten schon vor der Umsetzung – gemeinsam zu besprechen. Andererseits sollten aber auch die Bestatter ruhig beim örtlichen Steinmetz nachfragen, ob es schon entsprechende Anlagen gibt oder das Interesse besteht, etwas Entsprechendes zu initiieren.

Miteinander reden
"Die Gewerke müssen miteinander reden. Gemeinsame Projekte sind dann kein Problem", ist auch der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Bestatter, Christian Streidt, überzeugt und verweist auf das positive Beispiel der Stadt Mainz, wo alle Gewerke in einer Arbeitsgemeinschaft der Stadt gemeinsam Perspektiven entwickeln.

Ausführliche Informationen und Best-Practice-Beispiele
Ausführliche Informationen und Best-Practice-Beispiele inklusive Kalkulationen finden sich unter anderem im Leitfaden für die Umsetzung alternativer Grabstättenkonzepte "Orte, die gut tun", der in unserem Webshop kostenlos heruntergeladen werden kann. Er enthält auch eine Liste mit offiziellen Ansprechpartnern seitens des BIV, die bei Fragen weiterhelfen.

Wissenswertes zur Initiative "Orte, die gut tun“ gibt es auch auf den von vielen Landesverbänden angebotenen "Friedhofskulturellen Tagungen" oder "Friedhofsforen" wie zuletzt in Ulm, München oder im Saarland, zu denen stets auch Bestatter eingeladen werden.Informationen über Friedhofskonzepte bzw. pflegeleichte Bestattungslösungen nach dem Prinzip "Orte, die gut tun", die von Steinmetzen entwickelt wurden, erhalten Sie in unserem Webshop. Unsere kostenlose Downloadserie Bedarfsgerechte Grabstättenkonzepte "Orte, die gut tun" umfasst vier eDossiers, die insgesamt über 40 Angebote nach Bundesländern zusammengefasst vorstellen. Sie entsprechen dem Wunsch vieler Hinterbliebener nach Pflegefreiheit und erlauben gleichzeitig Trauerrituale wie das Niederlegen von Blumen oder das Anzünden von Lichtern. Hier geht es zu den Downloads für:
 > Bayern
 > Baden-Württemberg
 > Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland
 > Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin

 


Gemeinschaftsgrabanlage "Garten Eden": Der Name des Feldes steht auf einer Stele, die Namen der Bestatteten stehen auf einem Gemeinschaftsdenkmal aus RUHRSANDSTEIN und ANRÖCHTER GRÜNSANDSTEIN. (Foto: Betrieb, Timothy C. Vincent)

Ruhestätten unter RUHRSANDSTEIN
Auf dem Friedhof in Wengern in Nordrhein-Westfalen hat die Steinbildhauerei Vincent zusammen mit einem Friedhofsgärtner zwei Gemeinschaftsgrabanlagen mit Stelen und anderen Komponenten aus regionalen Gesteinen angelegt. Grabstellen sind dort vergleichsweise erschwinglich, um die Pflege müssen sich die Hinterbliebenen nicht kümmern. 2017 bekam Timothy Vincent den Auftrag für die Anlage. Dort legte er unter anderem einen 30 x 8 m großen "Garten Eden" an. In ihm befindet sich eine RUHRSANDSTEIN-Stele mit der Aufschrift "Eden" sowie, als zentrales Element, ein Gemeinschaftsdenkmal (320 x 240 x 25 cm) aus naturrauen RUHRSANDSTEIN-Platten und ANRÖCHTER GRÜNSANDSTEIN-Blöcken, in das die Namen der Toten direkt vor Ort eingehauen werden. Rundherum können bis zu 60 Personen bestattet werden, es gibt eine Fläche für Trauerrituale, auf der Blumen und Gegenstände abgelegt werden können. Mehr dazu lesen Sie in Naturstein 5/2019, ab Seite 42.

Die Serie "Orte, die gun tun" wird stetig fortgesetzt. Die Beiträge finden Sie in unseren Naturstein-Ausgaben. Hier die letzten Veröffentlichungen:
- NS 01/2018, ab Seite 40, "Pflegefreie Vielfalt"
- NS 04/2018 ab Seite 40, "Bestattungen im 'Lichtgarten'"
- NS 03/2019 ab Seite 22, "Garten mit 50 Gräbern"
- NS 08/2020 ab Seite 34, "Bezahlbar & pflegefrei"


Marketing pro Friedhof
Zum 200. Jahrestag der Münchner Friedhofsverwaltung verhilft der Landesinnungsverband des bayerischen Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks einer Sphinx zur Wiedergeburt. Außerdem planen die Steinmetze mit Partnern eine Grabmal-Wanderausstellung im Stadtgeschehen. Berühmt wurden die Sphingen durch Thomas Mann, der in seiner Novelle "Tod in Venedig" die Aussegnungshalle mit ihrem Portal und den apokalyptischen Sphingen beschrieb. Der Anblick der Figuren löst beim Protagonisten eine Todesahnung aus.

Zusammen mit der Friedhofsverwaltung, den Kirchen sowie den Friedhofsgärtnern und Floristen, den Bestattern und einem Schmied planen die Steinmetze 2019 eine weitere Aktion pro Friedhof: Im Rahmen der 200 Jahr-Feier der Münchner Friedhofsverwaltung werden 2019 fünf Grabmale mit Anpflanzung präsentiert. Diese Gräber wandern dann vor die Feldherrnhalle am Odeonsplatz, vor die Siemenszentrale am Wittelsbacherplat, an den Harras und schließlich direkt vor das Siegestor. Zur Ausstellung ist jeweils ein Beratungsstand vorgesehen.

Heilsame Abschiede
Hat der Friedhof Zukunft? Möglich, meint Matthias Horx, Zukunftsforscher und Moderator des Kongresses "Heilsame Abschiede", der am 25. Oktober 2019 unter der Leitung der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal in Köln stattfand. Dafür erforderlich? Ein neues Bewusstsein für Trauern als lebendige Begegnung. Artikel zum Thema finden Sie hier:

> "Trauer braucht Raum" in Naturstein 8/2019, ab Seite 44
> "Bitte mehr Raum für Trauer!" in Naturstein 12/2019, ab Seite 14
> "Orte für die Lebenden" in Naturstein 5/2021, ab Seite 46

Mitgliedschaft ARGE
Das Grab und seine zentralen Funktionen für die Menschen stehen im Zentrum der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (ARGE). So ist die ARGE auch ideeller Träger des Projekts "Heilsame Abschiede". Die Mitglieder der ARGE engagieren sich für eine Bewahrung, Pflege und zeitgemäße Weiterentwicklung der Bestattungs- und Friedhofskultur. Sie fördern finanziell und ideell Arbeit und Anliegen der ARGE und ihres Museums. Jede natürliche und juristische Person mit Interesse an der Erforschung, Erhaltung und Entwicklung der Bestattungs- und Friedhofskultur ist eingeladen, Mitglied zu werden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt gegenwärtig (2020) 90 € bzw. 130 € für juristische Personen und 45 € für Studierende. Die Mitglieder erhalten die Zeitschrift "Friedhof und Denkmal" (4 x jährlich), freien Eintritt ins Museum für Sepulkralkultur, bei kostenpflichtigen Beratungs- und Planungsleistungen einen deutlich reduzierten Stundensatz sowie Bücher zu reduzierten Preisen.
Mehr Informationen finden Sie auch in Naturstein 8/2019, ab Seite 38.
www.sepulkralmuseum.de/31/110/Mitgliedschaft.html. 
 

Immaterielles Erbe anerkannt
Die Friedhofskultur in Deutschland ist seit dem 13. März 2020 immaterielles Kulturerbe. Das beschloss die Kulturminister konferenz – auf Empfehlung der Deutschen UNESCO-Kommission. Jetzt geht es darum, dieses Erbe nicht nur zu erhalten, sondern auch zu gestalten und weiterzuentwickeln. Dafür einsetzen will sich ein neues Kuratorium. Mit der Aufnahme in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis würdigt die Bundesrepublik den identitätsstiftenden, lebendigen und vielschichtigen Wert der Friedhofskultur für unsere Gesellschaft, und das nicht nur in kultureller Hinsicht, sondern auch unter sozialen und historischen Aspekten sowie in Bezug auf Klimaschutz, Integration und Völkerverständigung. Mehr dazu lesen Sie hier:
> "Immaterielles Erbe anerkannt", Naturstein 5/2020, ab Seite 43

Campus Vivorium: Impulsort und Raum für Trauer
Friedhöfe unterliegen einem Wandel. Demographische Entwicklungen und Trends bei Beisetzungsangeboten fordern Verantwortliche zur Weiterentwicklung ihrer Planungen auf. Das bietet laut Sprechern der Initiative Chancen, das Miteinander in der Gesellschaft zu stärken, denn der Friedhof sei seit jeher ein wichtiger sozialer Ort. Am 29. Juni 2023 wurde der Campus Vivorum in Süßen (Baden-Württemberg) eröffnet (Naturstein 8/2024, S. 30). Als begehbarer Impulsort biete er Verantwortlichen aus Kommunen und Kirchen seither wertvolle Anregungen für eine zukunftsorientierte Friedhofsentwicklung. Der rege Zuspruch von Städte- und Gemeindetagen und Landeskirchen mache deutlich: Mit seinem vor allem trauerpsychologischen Ansatz trifft der Campus Vivorum auf einen gesellschaftlichen Bedarf, so die Initiative "Raum für Trauer". Schon im ersten Jahr fanden über 60 Gruppenführungen statt – mit steigender Tendenz. Vor allem Bürgermeister, Friedhofsverwalter und fachliche Gremien nicht nur aus Deutschland haben ihn seit der Eröffnung besucht, um Anregungen für eine Weiterentwicklung ihrer Friedhöfe zu sammeln. Die hier baulich umgesetzten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis sollen dazu inspirieren, den Friedhof als öffentlichen Raum zu verstehen, ihn neu zu bewerten und entsprechend zu gestalten. Der ca. 6.000 m² große "Impulsort" wird ständig weiterentwickelt.Der Campus Vivorum rege unter anderem dazu an, über die Funktion von Beisetzungsorten nachzudenken – und diese als therapeutisch wirksame Trauerorte zu gestalten. Die Initiative "Raum für Trauer" ist überzeugt: Als "Caring Infrastructure" der Kommunen können Friedhöfe nicht nur Trauernde besser unterstützen, sondern auch der Gesellschaft insgesamt nützen. Erste Kommunen und Kirchen in Baden-Württemberg und Bayern haben bereits damit begonnen, ihre Planungen zur Umgestaltung von Friedhöfen anhand der hier gewonnenen Erkenntnisse zu verändern, unter anderem Friedhöfe in Amtzell, Ihlingen und Obereschach. Günter Czasny, Sprecher der Initiative "Raum für Trauer", ist überzeugt: "Friedhöfe können gerade in Zeiten fragmentierter Gesellschaften wichtiger Ausdruck sozialer Fürsorge und Seelsorge sein. Wenn sie menschenzugewandt gestaltet sind, können sie durch ihre psychologischen Wirkkräfte ein wichtiger sozialer Ort in der Kommune werden. Denn dann können sie Trauernden helfen, Bürgerinnen und Bürger aus der Einsamkeit herausführen und so auch das soziale Miteinander in Kommunen insgesamt verbessern." Dabei spielt er auch auf die gerade erschienene Einsamkeitsstudie der Bundesregierung an. Diese misst sozialen Orten eine besondere Rolle gegen Einsamkeit und damit für den Zusammenhalt in der Gesellschaft bei. Friedhöfe könnten, so Czasny, ein Game Changer sein – therapeutische Orte für Trauernde und ein Halt gebender Begegnungsort für alle. Der Campus Vivorum ist auf Anfrage für am Friedhof Tätige zugänglich. 
www.raum-fuer-trauer.de
 

Literaturtipps:
- Orte, die "gut tun" von Günter Czasny ist in erster Linie ein Leitfaden für Entscheidungsträger, die dem Wandel in der Bestattungskultur entgegenwirken wollen. Mit Projektbeispielen werden praktikable und leicht umsetzbare Lösungsansätze aufgezeigt, die von der Grabpflege entpflichten und dennoch Trauerrituale zulassen, wenn dies von den Angehörigen gewünscht wird.

- "Du fehlst mir…", initiiert von der Firma Strassacker, ist ein Gemeinschaftswerk aller am Friedhof beteiligten Gewerke. Dieser Leitfaden für Hinterbliebene wirbt nicht für bestimmte Formen der Abschiednahme und Bestattung; er weist lediglich darauf hin, dass es sich im Umgang mit den letzten Dingen lohnt, sich fachkundig beraten zu lassen. "Die Kultur eines Volkes wird auch danach beurteilt, wie es seine Toten bestattet." Denkanstoß und Motivation, sich mit den vielleicht letzten Entscheidungen des Lebens frühzeitig auseinander zu setzen.

Susanne Storath

(Aktualisiert am 31.07.2024)