Erstarrte Momente aus Marmor
- Erstellt von Willy Hafner
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Das Pfarrdorf Weihenlinden gehört zu Gemeinde des oberbayerischen Marktes Bruckmühl im Landkreis Rosenheim. Die katholische Wallfahrtskirche "Heilige Dreifaltigkeit" war der erste große Kirchenbau in Oberbayern nach der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Aus kunsthistorischer Sicht ist die Basilika einzigartig. Auf dem ersten Blick erscheint sie fünfschiffig. Sie hat aber nur drei Kirchenschiffe, denn die beiden Außenschiffe stellen Wandelgänge dar.
Mittelpunkt der jüngsten Restaurierungsarbeiten im Innenraum war die Wiederherstellung der Oberflächen in Anlehnung an die letzte Renovierung in den 1970er Jahren. Die Restauratoren hatten die Aufgabe, das barocke Original und die Ergänzungen zusammenzuführen. Im Fokus der rund 3,5 Mio.€ teuren Sanierungsarbeiten stand aber die Neugestaltung des Altarraums mit Altar und Ambo. Mit Abschluss der Renovierung ist dort ein neuer Ort für die katholisch-liturgische Feier entstanden.
Eine neue liturgische Mitte
Gestalter des neuen Altarraums ist der Goldschmiedemeister Rudolf Bott, der in den 1980iger Jahren an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert hat, und zwar bei Hermann Jünger in der "Klasse für Schmuck und Gerät". Vor dem zweigeschossigen Hochaltar aus dem 17. Jahrhundert schuf er ein rundes Podest aus ADNETER MARMOR sowie einen Zelebrationsaltar und einen Ambo als "Altar des gesprochenen Wortes", ebenfalls aus ADNETER MARMOR, und definierte so die Grundfläche einer neuen liturgischen Mitte. Da schon die Künstler aus der Barockzeit diesen intensiv roten Kalkstein aus dem nahen Salzkammergut unter anderem für die Fassung des Hochaltars verwendet hatten, passt sich der ADNETER MARMOR in die liturgische Ausstattung des Gotteshauses harmonisch ein.
Altar und Ambo mit Durchblicken
Bei der Gestaltung von Altar und Ambo griff Rudolf Bott die für das barocke Gotteshaus typischen Rundbögen auf. Der 180 x 90 x 100 cm große, an seinen Oberflächen fein geschliffene Altar und der 60 x 50 x 130 cm große, an den Oberflächen ebenfalls fein geschliffene und wie der Altar massiv aus einem Stück ADNETER MARMOR gefertigte Ambo haben beide eine bogenförmige Öffnung, die den Blick auf die dahinter liegende Gnadenkapelle lenken. Rudolf Bott lotete mit der Gestaltung die Grenzen von Naturstein sowie sein eigenes Können, aber auch das des ausführenden Steinmetzbetriebs aus. "Bis zu dieser Arbeit haben die Steine etwas mit mir gemacht, heute mache ich etwas aus und mit dem Stein", sagt er. Bott will dem Wesen der natürlichen Steine nicht nur gerecht werden, sondern auch die Grenzen des mit ihnen Machbaren aufzeigen. Mit seinen, "erstarrten Momenten" – wie er seine Gestaltungen aus Naturstein nennt – experimentiert er und testet die Möglichkeiten des natürlichen Materials aus. Bott will sehen, was Stein kann.
Zeitgenössischer Akzent im barocken Kirchenraum
Der neue Altarraum setzt einen klaren zeitgenössischen Akzent in einem barocken Kirchenraum. Altar und Ambo schaffen einerseits eine Verbindung zwischen Gnadenkapelle und Hochaltar und rücken andererseits das Gemeinsame von Botschaft und Gemeinde im Sinne einer neuen, nach-konziliaren Liturgie in den Vordergrund. Eine schwierige Aufgabe, die durch die in ihrer skulpturalen Ausformung nicht zu laut wirkenden Gestaltung und vor allem durch die hohe Präzision der Steinmetzarbeiten zu überzeugen vermag.
(Veröffentlicht am 4. April 2022)