Werner Haußner verstorben

Werner Haußner (Foto: privat)

Am 30. September verstarb in Dresden Werner Haußner. Er gehörte innerhalb der deutschen Natursteinindustrie zu den wichtigsten Managern der Nachkriegszeit. 
 
Geboren 1926 im thüringischen Saaldorf bei Bad Lobenstein, hatte er zunächst in den Marmorwerken im benachbarten Saalburg den Steinmetzberuf erlernt. Er folgte damit seinem Großvater, der auch schon Steinmetz war.  Gleich nach der Lehre erwarb er in Weimar auch den Meisterbrief. Es schlossen sich ein Studium zum Diplom-Wirtschaftler an der Deutschen Verwaltungsakademie im brandenburgischen Forst-Zinna und eine erste Tätigkeit als Leitungsassistent im VEB (Volkseigener Betrieb) Lausitzer Granit Demitz-Thumitz. Schon wenig später berief man Haußner dann 1952 zum Werkleiter des neu gegründeten VEB Sächsische Sandsteinindustrie in Dresden. Er war gerade 26 Jahre alt und damit der jüngste Werkleiter der Branche in Ostdeutschland. „Doch die damalige Zeit verlangte nach entwicklungsfähigen jungen Leuten, die sich etwas trauten“, erinnert sich sein langjähriger Mitstreiter Dieter Käßke. „Sie wurden damals gezielt gefördert.“
 
Haußner war nun Chef von über 90 Steinmetzen und Steinbildhauern sowie weiteren Beschäftigten aus dem Baubereich. Wenig später übernahm er auch noch die 20 Steinmetzlehrlinge des Lehrbauhofes des Dresdner Zwingers sowie in den Folgejahren mehrere Betriebsstätten im Dresdener Umland, so in Königstein, Gersdorf, Herrenleite und Heidenau. Damit unterstanden ihm nun rund 230 Mitarbeiter.
 
Auch als das von ihm geleitete Unternehmen in VEB Elbenaturstein umbenannt wurde, blieb Haußner an der Spitze des durch neue Erweiterungen ständig wachsenden Firmengeflechts. „Er überzeugte dabei durch sein hohes fachliches Wissen und seine verbindliche Art“, erinnert sich Käßke. So etwas „wie ein Radikalist oder Parteisoldat“ sei er nie gewesen. Unter Haußners Führung vereinigten sich schließlich zum 1. Januar 1970 der VEB Elbenaturstein, der inzwischen 590 Beschäftigte zählte und eine Jahresproduktion von 10 Mio. Mark erreichte, mit seinem früheren Ausbildungsbetrieb VEB Saalburger Marmorwerke sowie dem VEB Travertinwerke Bad Langensalza (heute TRACO) und der Betriebsabteilung Theumaer Plattenbrüche des VEB Hartsteinwerke Vogtland (heute Natursteinwerk Theuma). 
 
In der Folge gliederte Haußner auch noch die zuvor selbstständigen Firmen Roter Granit in Meißen, Quarzporphyr in Löbejün, Diabas in Neuensalz sowie Diabas in Oberottendorf in den VEB Elbenaturstein ein. Das Unternehmen unterhielt nun 18 Steinbrüche. Es zählte inzwischen über 1.850 Mitarbeiter und war in der gesamten DDR tätig. Neben vielen stadtbildprägenden Objekten in Dresden gehören dazu u.a. auch das Ensemble in Potsdam-Sanssouci, der Berliner Dom sowie der Neubau des Palastes der Republik. „Mit seinen insgesamt neun Betriebsteilen firmierte der VEB Elbenaturstein zugleich als Stammbetrieb des VEB Kombinat Zuschlagstoffe und Natursteine Dresden, quasi als DDR-weiter Leitbetrieb für die Erzeugnisgruppe Werksteine“, so Käßke, der hierfür damals Haußners Erzeugnisgruppensekretär war. 
 
Haußner nutzte die damit verbundene Monopolstellung für umfangreiche Investitionen, die auch heutigen reprivatisierten Nachfolgeunternehmen noch zugutekommen. Hierfür gab er aus dem betrieblichen Budget 1970-1977 rund 24 Mio. Mark und 1978-1989 annähernd 84 Mio. Mark frei. Rund ein Drittel davon floss in die Bausubstanz, zwei Drittel in technische Anlagen. 
 
So brachte Haußner den technologischen Ablauf in den Werkhallen auf einen zeitgemäßen Stand. Er ließ Hallenkrane einbauen, Lasthaftgeräte installieren, investierte frühzeitig in Gabelstapler für den Palettentransport sowie Rollentische zwischen den einzelnen Maschinengruppen, um Plattenfließlinien zu schaffen. Eine wichtige Rolle spielten hierbei auch betriebseigene Rationalisierungsmittelbau-Abteilungen, in denen an den einzelnen Standorten talentierte Schlosser, Schmiede und Elektriker zusammengefasst wurden, um maßgeschneiderte Lösungen zu kreieren. 
 
Damit gelang es unter seiner Leitung, die Arbeitsproduktivität des Unternehmens (Pro-Kopf-Leistung je Mitarbeiter) von 18.500 Mark Anfang der 1970er Jahre auf 70.000 Mark (1988) zu erhöhen. Das Produktionsvolumen wuchs in dieser Zeit von 22 Mio. auf 121 Mio. Mark, bei jährlichen Zuwachsraten zwischen 6 und 8 %. Systematisch setzte Haußner im Unternehmen zudem auf eine technologische Dreiteilung aus Steingewinnung, Steinveredelung und Montage. 

Zugleich behielt für den gelernten Steinmetz auch die kunsthandwerkliche Arbeit der Bildhauer und Steinmetzen stets ihre Sonderstellung im Unternehmen. „Mehr noch, er engagierte sich damals in der gesamten DDR dafür, dass handwerkliche Steinmetzbetriebe trotz einer oft schwierigen Versorgungslage mit Hartgestein aus der Oberlausitz versorgt wurden, um so das Grabmalgeschäft am Laufen zu halten“, so Käßke, der einst selbst in der Oberlausitz Steinmetz gelernt hatte.
 
In den 1980er Jahren fertigte man zudem in Zöblitz, Saalburg und Langensalza 10 mm dünne Bodenplatten (statt bisher 25/30 mm), um einen internationalen Branchenstandard zu erreichen. Damit wuchsen auch die Wettbewerbsfähigkeit und das Exportgeschäft des VEB Elbenaturstein. Man lieferte beispielsweise die Fassadenplatten aus COTTAER Elbsandstein für den Landtag in Düsseldorf und fertigte mit eigenen Bildhauern vor Ort Figuren für Brückenpfeiler am Königsschloss in Kopenhagen sowie in Norwegen.
 
Im Gegenzug wurden dem Dresdener Betrieb vom Staat Devisenkontingente zugestanden, um im westlichen Ausland moderne Bearbeitungsmaschinen kaufen zu können. Weitgehend eigene Wege ging man dagegen bei der Diamantwerkzeugentwicklung. Hierzu unterhielt das Dresdener Unternehmen beim VEB Lausitzer Granit in Demitz-Thumitz eine eigene Erzeugnisgruppenforschungsstelle, die sich ebenso intensiv wie erfolgreich mit den zuvor teuer im westlichen Ausland eingekauften Diamant-Präzisionstools beschäftigte. „Jährlich wurden hier in den 1980er Jahren rund 400.000 Karat Diamantgranulat verarbeitet“, so der langjährige NATURSTEIN-Autor Dr.-Ing. Dieter Gerlach, der damals als Fachdirektor auch diesen Forschungsbereich leitete. Hier gefertigte Anlagen verkaufte man auch in die Bundesrepublik (Carl Meyer) sowie nach Polen und in die CSSR. Nach der Einheit übernahm dann die Firma Diamant Winter diese sächsische Diamantwerkzeugabteilung.
 
Besonders danken es ehemalige Mitarbeiter Werner Haußner bis heute, dass er immer wieder – oft unter Umgehung staatlicher Bilanzen – Gelder abzweigte, um beispielsweise Ferieneinrichtungen für die Belegschaft zu schaffen. Hierzu gehörten Bungalows in Mecklenburg sowie das attraktive Urlaubsheim „Strandperle“ in Graal-Müritz. 
 
Ab 1988 war Werner Haußner offiziell Invalidenrentner. Dennoch führte er das Unternehmen weiter. Als er sich schließlich 1989 aus gesundheitlichen Gründen ganz aus dem beruflichen Alltag zurückzog, galt er als dienstältester Betriebsleiter im Bauwesen der DDR. Damit konnte er jedoch auch keinen Einfluss mehr auf Entscheidungsprozesse der Treuhand nehmen, die ab 1990 den VEB Elbenaturstein zerschlug und die Betriebe dieses Geflechts einzeln privatisierte. Einige davon, vor allem im Hartgestein, blieben dabei auf der Strecke. „Hätte noch Werner Haußner diese Treuhandabwicklung übernehmen können, es wäre es auch hier 100-prozentig anders gekommen“, so Dieter Käßke.
 
Doch viele der jungen Mitarbeiter, die einst bei ihm das Metier erlernten, prägen bis heute maßgeblich die deutsche Natursteinbranche mit.
 
Werner Haußner wurde am 30. Oktober 2020 im Beisein seiner Witwe, seiner drei erwachsenen Kinder sowie vieler langjähriger Wegbegleiter auf dem Heidefriedhof in Dresden beigesetzt.

(19.11.2020)
 

Autor/in: Harald Lachmann