Vorurteile aufräumen: Die Bestatterinnen

Alles begann in einer kleinen Gemeinde in der Schweiz, in den 1950er Jahren: Doris und später Karin werden in eine schweizerisch-italienische Großfamilie hineingeboren, bei der der elterliche Bauernhof mit allen Arbeiten und Pflichten im Mittelpunkt steht. Das Bestattungsunternehmen ist mehr ein Nebenverdienst, der entsprechend pragmatisch behandelt wird – selbst, wenn es um die eigenen Familienmitglieder geht. Die Schwestern erzählen aus ihrem Leben, von den Höhen und den Tiefen, die eine Großfamilie mit sich bringt. Anfangs noch skeptisch und furchtsam gegenüber den Särgen und Kutschen, die im Laufe der Jahre gegen Leichenwagen getauscht werden, entschließen sich Doris und Karin mit den Jahren, den Bestattungsbetrieb zu übernehmen und zu modernisieren.

Das Buch liest sich in erster Linie wie eine Familienchronik, die sich vor allem auf die persönlichen Tragödien sowie die guten Ereignisse im Leben der Schwestern fokussiert. Doch das ist nicht alles: sobald das Bestattungsunternehmen von Doris und Karin geleitet wird, verändert sich die Haltung im Betrieb: individuelle Wünsche werden berücksichtigt und die Tätigkeiten beschränken sich nicht mehr nur auf das Versorgen und Einsargen der Leichen. Vorurteile gegenüber des Berufs des Bestatters werden aus dem Weg geräumt, und ein Einblick in den Berufsalltag gewährt – ohne das Grauen, das so manchen immer noch beim Gedanken an Leichen überkommt.

Neben den Erzählungen der Schwestern, die mit Einführung der Ausbildung zum Bestatter in der Schweiz in den 1990ern ihre Beschäftigung offiziell machten, geben viele andere Branchenmitglieder Einblicke in ihre Sicht und ihren Arbeitsalltag. Andreas Egli, der größte Sarglieferant in der Schweiz, spricht über Trends und Veränderungen, und der einzige praktizierende Thanatologe in der Schweiz, Daniel Lachbrunner, bietet eine Übersicht über seine Tätigkeit. Über Totenmasken und deren Geschichte informiert der Bestatter Andreas Frei.

Zwischen den einzelnen Kapiteln geben die Bestatterinnen Tipps und Hinweise zu Trauerfällen, wie zum Beispiel verschiedene Bestattungsriten aus anderen Ländern und Kulturen, einen Trauerfall-Knigge und einen Ratgeber für den Umgang mit Kindern im Sterbefall.

"Für viele ist das Ende eine Erlösung, für andere ist es eine Unverschämtheit, mit der man sich lange nicht aussöhnen und erst recht nicht anfreunden will." Das sagt Doris Hochstrasser-Koch über den Tod, der auch vor ihrem kleinen Bruder und ihrem Ehemann nicht Halt machte. Am Ende des Buches geht man doch nachdenklich und hoffnungsvoll zurück ins Leben, dann man weiß zumindest, dass es Bestatterinnen wie Doris und Karin gibt, die einen auf der letzten Reise mit Fürsorge und Empathie begleiten.

Erhältlich beim Wörterseh Verlag, www.woerterseh.ch



(Veröffentlicht am 8. Mai 2018)

Autorin: Christine Kulgart