Von eitlen Bildhauern

Konrad Kyns vier Gekrönte, v. l. Bildhauer, Werkmeister, Steinmetz und Polier, BAUMBERGER SANDSTEIN, ca. 1445 Foto: Kolumba Museum

Was prägt das Individuum, was bestimmt sein Handeln? Zu dieser Leitfrage haben die Kuratoren des Kolumba Museums in Köln eine Ausstellung mit Werken vom 6. bis 21. Jahrhundert zusammengestellt, darunter die "Vier Gekrönten", eine Skulptur aus dem 15. Jahrhundert.

Der Bildhauer und Dombaumeister Konrad Kuyn schuf die Figurengruppe "Vier Gekrönten" aus BAUMBERGER SANDSTEIN nach 1445 als Epitaph für seinen Vorgänger Nikolaus von Bueren. Die in jahrelanger Arbeit von Übermalungen befreiten, farbig gefassten Steinfiguren verkörpern exemplarisch die vier Berufsgruppen, die beim Bau einer gotischen Kirche gebraucht werden. Der Architekt, der Bildhauer, der Polier und der Steinmetz tragen jeweils das für ihre Arbeit charakterisierende Werkzeug. Doch in den Gewändern stecken, was für das 15. Jahrhundert nördlich der Alpen noch ungewöhnlich ist, keine typisierten Figuren, sondern Individuen mit einprägsamen Physiognomien und Gesten. Man könnte sogar reale Porträts vermuten. Zum Beispiel der Bildhauer: Sein Gesicht zeigt eine deutliche Rötung und den Grauschimmer eines rasierten Bartes. Er hat eine verächtliche Miene aufgezogen und seine Körperdrehung sieht so aus, als wolle er sich von den neben ihm stehenden Handwerksmeistern, einem Werkmeister, Steinmetzen und Polier, hochmütig abwenden. Zu bedenken ist, dass bereits im Mittelalter nur der Bildhauer als herausgehobene Künstlerpersönlichkeit galt, die aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten zur Innovation befähigt war. Der Steinmetz blieb der ausführende Handwerker. Aus der geometrisch strengen Aufreihung der mittelalterlichen Architektur befreit, werden die vier Meister plötzlich zu Zeitgenossen, zu Charakterfiguren, die gut erkennbar einer bestimmten Tätigkeit nachgehen und einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe angehören. Der Besucher sieht vier Menschenbilder und begreift, wie alte Bildwerke, die für ganz bestimmte Orte geschaffen worden sind, im Scheinwerferlicht des Museums so intensiv wirken, dass sie ein zweites Leben gewinnen. Was liegt also näher, als einmal mit dem Medium Kunst über den Begriff des Individuums, seiner gesellschaftlichen Aufgaben und seiner – wohl nicht nur mittelalterlichen – Eitelkeiten nachzudenken. Die Ausstellung ist noch bis zum 10. Juli zu sehen.

www.kolumba.de

(27.6.2017)

Autor/in: Willy Hafner