Vergaberecht: Nicht nur der Preis zählt

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Nicht selten kritisieren Unternehmen die Ausschreibungspraxis Baubereich. Die öffentliche Hand ist durch das deutsche Vergaberecht gezwungen, den wirtschaftlichsten Anbieter zu beauftragen. Häufig wird nach dem niedrigsten Preis entschieden. Aber der niedrigste Preis allein ist nicht immer langfristig wirtschaftlich. Da durch die Vergabepraxis Fehlanreize gesetzt werden, möglichst jedes Schlupfloch zu nutzen, um einen Nachtrag zu generieren, werden Bauvorhaben häufig deutlich teurer als geplant. Spielräume für Zuschlagskriterien Mit den Praxisfolgen des geltenden Vergaberechts bestens vertraut ist Katja Gnittke, die bei der Berliner Kanzlei WMRC als Fachanwältin auf diesem Gebiet tätig ist. Nach § 127 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) sei der Zuschlag grundsätzlich auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen – und dieses leite sich aus dem besten PreisLeistungs-Verhältnis ab. "Es gibt Spielräume für Zuschlagskriterien, die über eine vergleichende Bewertung anhanddes Preises hinausgehen. So können auch qualitative, umweltbezogene und soziale Gesichtspunkte herangezogen werden. Hier bestimmt der Auftraggeber, welche Kriterien zur Ermittlung de besten Preis-Leistungs-Verhältnisses entscheidend sind." 

Zugänglichkeit, Ästhetik und Umwelt berücksichtigen
Näher ausgestaltet werden die Zuschlagskriterien in § 58 Abs. 2 VgV, § 43 UVgO und § 16 bzw. § 16 EU VOB/A. Katja Gnittke zählt eine ganze Reihe von Punkten auf, die neben der Qualität/dem technischen Wert auch Kriterien wie Ästhetik oder soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften betreffen. Sind die Leistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich? Werden die Anforderungen im Hinblick auf das "Design für Alle" erfüllt? Wie steht es mit Vertriebs- und Handelsbedingungen, der Verfügbarkeit von Kundendienst und technischer Hilfe sowie den Lieferbedingungen (Liefertermin, -verfahren sowie Lieferund Ausführungsfristen)?

Pluspunkte für Effizienz
Laut Katja Gnittke kann der Auftraggeber sogar Festpreise oder Festkosten vorgeben. Dann finde der Wettbewerb nur über andere Kriterien statt. Wichtig
sei, dass der Beschaffer Zuschlagskriterien für das einzelne Vergabeverfahren bestimmt. Die Kriterien müssen eine Verbindung zum Auftragsgegenstand haben, Kriterien dürften sich z.B. nicht auf die Unternehmenspolitik beziehen. Die Bestimmung der Zuschlagskriterien ist für die Fachanwältin ein Wechselspiel zwischen Mindestanforderung und dem Mehrwert, der sich aus dem Angebot ergibt. In der Ausschreibung darf u.a. eine maximale Ausführungsfrist vorgegeben werden. Wer effizient plant und infolgedessen eine kürzere Ausführungsfrist anbietet, kann Pluspunkte sammeln.

Mehr zum Thema Vergaberecht erfahren Sie in Naturstein 8/2021, ab Seite 18.

(Veröffentlicht am 11. August 2021)