Tod im Tal des Löwenmenschen

Mit dem Schädel-Symbol markierte Ludwig Bürger das über 8000 Jahre alte Grab der jungen Frau mit ihrem Kind, welches er in der Bocksteinhöhle fand. (Foto: Museum Ulm)

Die Schädel von zwei Erwachsenen und einem Kind, gefunden im Hohlensteinstadel (Foto: Christine Kulgart)

Drei Schädel mit den erhaltenen Nackenwirbeln, die filigranen Knochen eines Säuglings ohne Schädel, Teile von Unterkiefern und Zähne: die Knochen, die im 45 Kilometer langem Lonetal gefunden wurden, erzählen viele Geschichten. Doch neben wissenschaftlichen Arbeitstechniken wie der Radiokohlenstoffmethode ist es oft die Interpretation, die das Puzzle aus Knochenstücken vervollständigt. Die Ausstellung "Tod im Tal des Löwenmenschen – Knochengeschichten aus 100.000 Jahren" im Ulmer Museum kümmert sich nicht so sehr um den eigentlichen Löwenmenschen, sondern um die archäologischen Funde, die sonst nur wenig Aufmerksamkeit erhalten.

In den Höhlen, die dem Lonetal 2017 zum UNESCO-Welterbe verhalfen, lassen sich Spuren menschlicher Nutzung vom Neandertaler bis zum Mittelalter belegen. Immer wieder wurden die Höhlen als Kultstätte, Opferplatz und nicht zuletzt als Bestattungsort genutzt. Die Ausstellung gibt neben den Irrungen und Wirrungen der Wissenschaft und der Archäologie auch Einblicke in das Leben während der Jungsteinzeit, aber auch in die Totenbehandlung.

Rituelle Schädelbestattung
Herzstück der Sammlung sind die drei Schädel, die wohl einer Kopfbestattung zuzuführen sind. Die Schädel von zwei Erwachsenen und einem Kind wurden samt der oberen Nackenwirbel im Hohlenstein-Stadel, einer der Lonetal-Höhlen, gefunden. Schnittspuren weisen darauf hin, dass die Schädel absichtlich so bestattet wurden. Auch bestreute man sie mit roter Farbe. Es wird angenommen, dass diese Art der Bestattung vor allem in Süddeutschland und Ostfrankreich verbreitet war. Der Kopf wurde vermutlich auch im siebten Jahrhundert vor Christus schon als Sitz des Geistes gesehen. Auch Grabbeigaben wurden gefunden. Einen ähnlichen Fund gab es bereits im  Nördlinger Ries mit ganzen 34 Schädeln.

Mit Kannibalismus-Gerüchten aufräumen
Nicht weit entfernt fand man wenige Tage später eine Ansammlung von 1200 menschlichen Knochen, vermischt mit Tierknochen, Tonscherben und Werkzeugen aus Feuerstein.Durch den Fund von Schnitt- und Brandmalen lag die Vermutung von Kannibalismus unter den Sreinzeitmenschen nahe – und sie hielt sich bis vor 15 Jahren. 54 Menschen aller Altersgruppen bildeten die Überreste dieser sogennaten "Knochentrümmerstätte", welche sich durch spätere Forschungen als die Überbleibsel einer Sekundärbestattung erwies. Von Kannibalismus waren keine Spuren zu finden. Vielmehr waren die Leichname bereits verbrannt und teilweise verwest, bevor man sie bestattete.

Kinderskelette und Grabbeigaben
Hinweise auf steinzeitliche Bestattungsriten geben auch die Überreste einer jungen Frau um die 20, welche in Hochstellung zusammen mit einem neun Monate altem Kind in der gleichen Stellung bestattet wurde. Die Überreste eines Kindes wurden auch 1954 von Schülern in der Bärenhöhle entdeckt, welches wohl 3000 vor Christus dort bestattet wurde. Im Vergleich dazu sind die drei Schädel 4000 Jahre älter. Mehr noch als die Knochenteile des Kindes fasziniert allerdings die Grabbeigabe: eine winzige Kette aus 26 Kalksteinperlen.

Diese und viele weitere "Knochengeschichten" können noch bis zum 24. November 2019 im Museum Ulm entdeckt werden.

UNESCO-Welterbetag
Der UNESCO-Welterbetag findet jedes Jahr am ersten Sonntag im Juli statt. Zahlreiche Kultureinrichtungen und Welterbestätten beteiligen sich mit verschiedenen Veranstaltungen. Die Veranstaltungen im Museum Ulm gehörten zur Stätte „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“, welche seit 2017 auf der UNESCO-Welterbeliste steht. Die Eintrittspreise der Einrichtungen reduzieren sich am Welterbetag um die Häflte. Am 7. Juni 2020 findet der nächste Welterbetag statt.

Museum Ulm
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 11 – 17 Uhr
Donnerstag 11 – 20 Uhr
Feiertag 11 – 17 Uhr
Freier Eintritt an jedem ersten Freitag des Monats

Marktplatz 9
89073 Ulm
Tel.: 0731/1614301
Fax: 0731/161/1626
info.museum@ulm.de
www.museumulm.de

(Veröffentlicht am 24. Juli 2019)

Autorin: Christine Kulgart