Stellungnahme zur Grabmalrichtlinie 2020

Das Versetzen von Grabmalen ist Aufgabe eines ausgebildeten Steinmetzmeisters, der die fach- und handwerksgerechten Regelungen anwendet. (Foto: BIV/R. Watzke)

Bild 1 / Bemessung Grabmal (Bilder: Dr. Richard Stein)

Bild 2 / Grabmalstele

Bild 3 / Grabmal mit Einfassung

Der Bundesverband Deutscher Steinmetze (BIV) hat seine Richtlinie „Erstellung und Prüfung von Grabmalanlagen“ 2020 überarbeitet und in 7. Auflage mit Stand Juni 2020 neu herausgegeben, >>>siehe hier .
Darauf bezieht sich Dr. Richard Stein in seiner Stellungnahme mit dem Titel „Die Richtlinie 2020 und die Konsequenzen für Steinmetzbetriebe“, die wir in voller Länge veröffentlichen. Mit Einverständnis von Herrn Dr. Stein haben wir diese Stellungnahme im Vorfeld der Veröffentlichung an Raphael Holzer, Master of Engineering, von der Technischen Beratung des BIV geschickt. Seine Erwiderung auf die Stellungnahme von Herrn Dr. Stein finden Sie im Anschluss an dessen Ausführungen, ebenfalls in voller Länge.
 

Die Richtlinie 2020 und die Konsequenzen für Steinmetzbetriebe
von Dr. Richard Stein vom 07.07.2020

Die Richtlinie 2020 des Verbandes Deutscher Steinmetze wurde überarbeitet und als 7. Auflage mit Stand Juni 2020 neu herausgegeben. Geht man vom ersten Eindruck aus, so fällt auf, dass die Richtlinie keine Systembilder oder Skizzen enthält. Weiterhin ist sie gespickt mit Formeln und Variablen, die sich wenigen Steinmetzmeisten und keiner Verwaltung erschließen. Ebenso sind Warnhinweise an die Friedhofsverwaltung enthalten, die in einem Regelwerk nicht zu suchen haben. Von einem Regelwerk, das im Jahre 2020 veröffentlicht wird, erwartet man, dass es für den Nutzungsberechtigten, der Friedhofsverwaltung und für den Steinmetzbetrieb verständlich ist. Betrachtet man die aktuelle Richtlinie im Vergleich zur ersten Richtlinie aus dem Jahr 1975, so war diese bebildert und verständlicher als die heutige Richtlinie.
Die Richtlinie unterscheidet zwischen den Verfahrensabläufen für die Verwaltung und den Technischen Vorgaben für den Steinmetzbetriebe.

Vorgaben für die Verwaltung
Beim Antragsverfahren wird besonders darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Grabmalantrag entsprechend den Bauvorschriften um ein genehmigungsfreies Bauvorhaben handelt und somit kein Standsicherheitsnachweis und keine Abnahmeprüfung erforderlich sind. Wenn, wie gefordert, der Steinmetzbetrieb die Grabanlage standsicher errichten muss, so ist es notwendig Berechnungen zur Ermittlung der notwendigen Dimensionierungen durchzuführen. Warum soll der Steinmetz diese Berechnungen nicht einreichen? Bei einem vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren wird auch eine statische Berechnung verlangt, ohne dass die Bauverwaltung diese Statik prüfen muss. Hierfür ist der Bauingenieur verantwortlich, an den höhere Anforderungen gestellt werden. Für den Standsicherheitsnachweis ist stets der verantwortlich, der diesen Nachweis erstellt hat. Einschüchterungen der Verwaltung haben in einem Regelwerk nicht zu suchen.

Warum werden in der Richtlinie nur Steinmetzmeister erwähnt und nicht alle Steinmetzbetriebe oder Dienstleister. Somit sind die Betriebe, die von Altgesellen oder EU-Dienstleistern geführt werden, nicht betroffen. Ignoriert man, dass, sich das Spektrum der auf dem Friedhof tätigen Dienstleister geändert hat? Die Richtlinie soll für alle auf dem Friedhof tätigen Personen verständlich sein.

Entsprechend der Richtlinie hat die Friedhofsverwaltung ein Recht den Standsicherheitsnachweis zu fordern. Hierbei werden vier Möglichkeiten aufgezeigt. Die Berechnung auf der Grundlage von Bemessungsdiagrammen hat ihre Grenzen, da nicht alle zur Anwendung kommenden Grabsteindicken und nur eine begrenzte Möglichkeit von Gründungstechniken unterstützt werden. Das erwähnte EXCEL Programm lässt nur einteilige Grabsteine mit einer Mindestdicke von 12 cm zu. Wenn die Tabellen und das EXCEL Programms nicht zur Berechnung ausreichen, wird als Alternative eine bauteilbezogene Berechnung in Betracht gezogen. Sie hat nur den Nachteil, dass die meisten Steinmetzbetriebe mit dieser Form des Nachweises überfordert sind. Systembezogene Bauarten für den Friedhofsbereich gibt es nicht. 

Das entscheidende Dokument für eine Friedhofsverwaltung ist die Fertigstellungsmeldung. Diese muss auf Verlangen der Verwaltung übergeben werden. Mit dieser Fertigstellungsmeldung bestätigt der Steinmetzbetrieb, dass er nach den anerkannten Regeln der Technik die Grabanlage errichtet hat. Hierzu zählen auch die in der Richtlinie genannten Normen. Wenn man die Normen nicht kennt und die Richtlinie nicht verstehen kann, hat man schnell einen technischen Standard bestätigt, den man nicht ausgeführt hat. Mit den entsprechenden Konsequenzen in einen Schadensfall.

Neu in der Richtlinie ist die Nennung von Regelwerken für Ingenieurbauwerke. Die ist umso verwunderlicher, da das Grabmal nach Aussage der Richtlinie ein genehmigungsfreies Bauvorhaben ist. Die genannten Regelungen sind weder Steinmetzbetrieben noch Friedhofsverwaltungen bekannt. Betrachtet man beispielsweise die DIN 1076 „Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen, Überwachung und Prüfung“ so fehlt jeder Bezug zum Friedhof. Damit eine Brücke geprüft werden kann, muss eine Baugrunduntersuchung stattgefunden haben, detaillierte Planungen und Bewehrungspläne vorliegen, Abnahme der Bewehrung vorgenommen worden sein und die verwendeten Materialien durch ein Prüflabor kontrolliert werden. Nach Errichtung der Brücke findet eine Hauptuntersuchung (Abnahme) statt. Weiterhin ist für die Brücke ein Brückenbuch zu führen, in dem alle Prüfvorgänge mit Ergebnis festgehalten werden. Erst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, greifen die in der DIN beschriebenen Prüfzyklen. Überträgt man dies auf den Grabmalbereich, so müssten ausführliche Planungen und Berechnungen vorliegen und das Grabmal durch eine Abnahmeprüfung kontrolliert worden sein. Wenn in der Richtlinie von Anlehnung geschrieben wird, so stellt sich die Frage, an welchen Teil man sich anlehnen möchte oder gilt dies für die ganze DIN 1076? Folglich gilt die Anlehnung an die gesamte DIN. Es stellt sich die Frage, was mit der Nennung der Regelungen aus dem Ingenieurbau bezweckt werden soll. Ist nur daran gedacht größere Prüfzyklen mit der Sichtprüfung zu erreichen? Wenn man dies beabsichtigen sollte, so sollte man es benennen wie die österreichischen Kollegen es in der der Richtline für die Überprüfung von Grabanlagen und Denkmälern, Stand November 2019, getan haben: „Nach erfolgter Erstprüfung wird nach 10 Jahren eine wiederkehrende Kippsicherheitsnachweisprüfung empfohlen.“ Selbst in Österreich wird eine Abnahmeprüfung vorgeschrieben. Wenn man dieses mit der Nennung bezweckt, so ist die Vorgehensweise unseriös. 

Die Verifizierung der MPA Stuttgart galt für die Richtlinie 2017. Man kann keine Verifizierung eines älteren Regelwerkes auf die neue Richtlinie übertragen, bei der der Prüfungsablauf geändert wurde. Nach Rücksprache mit der MPA Stuttgart wurde bestätigt, dass die Verifizierung nicht für die neue Richtline 2020 gilt. Somit liegt keine Verifizierung mehr vor. Weiterhin kann man die „Frankfurter Regelempfehlung“ für die 6. Auflage nicht auf die 7. Auflage übertragen. Was ist diese Empfehlung wert, wenn den BIV-Sachverständigen noch nicht einmal aufgefallen ist, dass die Richtlinie 2017 fehlerhafte Berechnungen enthält. Diese Hinweise können ein Regelwerk kommentieren, dürfen jedoch nicht Bestandteil der Richtlinie sein.

Entsprechend der Richtlinie 2017 durfte erst eine Prüfung mit Last durchgeführt werden, wenn die Sichtprüfung zu Bedenken Anlass gab. Diese Bedingung ist nun weggefallen und die Sichtprüfung wird als Vorprüfung zum Schutze des Prüfenden angesehen. Somit sind alle Grabsteine höher als 50 cm mit Prüflast zu prüfen. Wenn ein Grabstein für eine Last von 75 daN (ca. 75 kg) Horizontallast berechnet wurde, dann kann eine Prüflast von 30 daN (ca. 30 kg), aufgebracht in 2 Sekunden, nicht schuld an einem lockeren Grabstein sein. Zumal diese Last nur 40% der berechneten Last beträgt.

Bemessung von Grabmalanlagen 
Entsprechend der Richtlinie sind nur sind nur eingemörtelte Dübel aus Gewinde- oder Rippenstahl zugelassen. Es ist nur der Mörtel mit mindesten M10 zu verwenden. Die Tabellen unterstützen den Anwender nur ab einer Grabsteindicke von 12 cm. Ist die Dicke geringer als 12 cm muss ein objektbezogener Standsicherheitsnachweis zur Ermittlung der Einbindelänge erstellt werden. Bei anderen Befestigungen bedarf es eines Prüfzeugnisses einer Materialprüfanstalt oder einer bauaufsichtlichen Zulassung. (Bild 1)

Beim Lesen der Richtlinie fallen die vielen Formeln auf, die einem Handwerker schwer zugänglich und nicht verständlich sind. Dies wird besonders deutlich bei der Formel für den Nachweis der Bewehrung. Weiterhin wird auf Normen verwiesen, die zur Berechnung zu verwenden sind. Offensichtsichtlich wird die Richtlinie kaum von Handwerksbetrieben angewendet, da sonst aufgefallen wäre, dass bestimmte Dimensionierungen von Grabmalteilen nicht der Realität entsprechen.

Die Richtlinie berücksichtigt nicht die Entwicklung hin zu kleineren Grabsteinen. Ermittelt man beispielsweise ein Fundament für eine Stele von 14 cm x 14 cm und einer Höhe von 90 cm so erhält man Abmessungen von 50 cm Länge, 70 cm Breite und eine Höhe von 35 cm. Erfolgt diese Bemessung nach den Tabellen der Richtlinie 2017 so beträgt die Höhe des Fundamentes sogar 45 cm. Wo bleibt dann der Platz für die Urne? Weiterhin beträgt die Mindesthöhe von Fundamenten 20 cm. Somit sind Fundamentplatten mit einer Höhe von weniger als 20 cm nicht geregelt. Jedes Fundament muss eine Bodenüberschüttung von 10 cm haben. Folglich müsste ein Grabsteinsockel 10 cm höher sein. (Bild 2) 

Die dargestellt Grabmalanlage mit Einfassung (Bild 3) hat einen zweiteiligen Grabstein und einer Sockelhöhe von 18 cm. Ein Grabmalteil hat die Höhe von 68 cm und eine Dicke von 12 cm. Die Einbindelänge eines Dübels mit ø 12 mm beträgt 19,3 cm. Das zweite Teile besitzt eine Höhe von 60 cm und eine Dicke von 11 cm. Die erforderliche Einbindelänge des Dübels lässt sich für das kleinere Teil mit den Tabellen der Richtlinie nicht berechnen. Ebenfalls ergeben sich die Fundamentabmessungen nach der Richtlinie 2017 von 100 cm Länge, 55 cm Breite und 30 cm Höhe. Nach der Richtlinie 2020 beträgt die Höhe des Fundamentes nur noch 25 cm. An beiden Fundamentberechnungen kann man erkennen, dass die Bemessungstabellen überarbeitet und geändert wurden. Weiterhin wird darauf verwiesen, dass die Fundamente eine Mindestbewehrung haben müssen und somit unbewehrte Fundament nicht zulässig sind. Wie diese Mindestbewehrung ermittelt wird und wie eine Bewehrungsführung aussieht, wird nicht erklärt. Stattdessen wird auf die Norm EC 2 /DIN 1992-1-1 verwiesen, die kaum ein Steinmetzbetrieb kennt und anwenden kann.

Die dargestellte Grabmalanlage (Bild 3) hat eine Einfassung mit 100 cm Breite und eine von Länge 200 cm und eine Breite der Einfassung von 6 cm. Somit ergibt sich für das längste Einfassungsteil von 194 cm Länge, eine Breite von 6 cm und eine Höhe von 15 cm. Gab es bei einer früheren Richtlinie Bemessungstabellen für Einfassungsteile mit Abdeckplatte, so wurde dies etwas komplexer und für den Anwender nicht einfacher gestaltet. Entsprechend der Richtlinie ist der Nachweis erbracht, wenn beim größten Einfassungsteil die Breite ≥ 12 cm, die Höhe ≥ 15 cm und die Länge ≤ 180 cm ist. Da bei dem Beispiel die Länge größer 180 cm und die Breite kleine 12 cm ist, gilt die Einfassung als nicht nachgewiesen. Folglich muss der Steinmetzbetrieb einen statischen Nachweis für die Einfassung bringen. Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie, ist für viele Einfassungen der Nachweis nicht erbracht. Warum werden Abmessungen von Einfassungen vorgegeben, die mit den meisten gebauten Grabmalanlagen nicht übereinstimmen?
Da die einzelnen Einfassungsteile an den Stößen konstruktiv (z.B. durch Langloch-Eckwinkel) zu verbinden sind, müssen alle Einfassungsteile, auch bei Urnengräbern, mit Winkeln befestigt werden.

Es ist schon verwunderlich, dass bei begehbaren Platten auf die Anforderungen an die Trittsicherheit nach DGUV Regel 108-003 (bisher BGR 181) verwiesen wird. Wenn man diesen Zusatz macht, sollte man auch benennen welche Platten auf Friedhof begehbar sind. Sind es die Abdeckplatten, auf die der Nutzungsberechtigte gehen muss um die Platte bzw. den Grabstein zu reinigen, oder sind es die die Platten für die Urnenrasengräber? List man in der DGUV Regel nach, so gilt diese Regel „für solche Arbeitsräume, Arbeitsbereiche und betriebliche Verkehrswege, deren Fußböden nutzungsbedingt bzw. aus dem betrieblichen Ablauf heraus mit gleitfördernden Stoffen in Kontakt kommen, die eine Gefahr des Ausrutschens darstellen“. Der Friedhof ist kein Arbeitsraum!

Die Intension der Richtlinie 2020 kann man am besten verstehen, wenn man die Formblätter für den Grabmalantrag aus dem Jahr 2017 mit dem Jahr 2020 vergleicht. So wurde auf dem aktuellen Formblatt auf die Angaben zur Gründung, zur Verdübelung sowie auf die Angabe zum Standsicherheitsnacheis verzichtet. Folglich zielt die Richtlinie 2020 auf Intransparenz und auf fehlende Nachvollziehbarkeit ab. Der Bundesverband Deutscher Steinmetze will nicht, dass die Friedhofsverwaltung sicherheitsrelevante Daten erhält. Man erwartet, dass nach DIN 1076 und der Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit geprüft wird und ist nicht bereit Fundamentierung und Verdübelung beim Antrag zu benennen. Ob dies zur Erhöhung der Fachkompetenz eines Berufstandes beiträgt, kann in Frage gestellt werden. 

Wenn im Vorwort behauptet wird, dass sich aus fachlich technischer Sicht hinsichtlich Bemessung und Errichtung von Grabmalanlagen nichts geändert wurde, dann entspricht dies nicht der Wahrheit. Wie in den obigen Beispielen aufgezeigt wird, wurden die Tabellen für die Dimensionierungen der Fundamente überarbeitet und korrigiert und somit ein abgeändertes Rechenmodell verwendet. Folglich war die Richtlinie 2017 fehlerhaft. 

Normalerweise sollte ein Regelwerk für die Errichtung und Kontrolle von Grabmalen mit den Betroffenen abgestimmt sein. Leider fand eine Abstimmung mit dem Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands e.V. und der Sozialversicherung Landwirtschaft, Forst- und Gartenbau (SVLFG) nicht statt.

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STELLUNGNAHME
von Herrn Raphael Holzer, Master of Engineering, Technischer Berater des BIV, 17.07.2020 

Die Erstellung und Prüfung von Grabmalanlagen muss fach- und handwerksgerecht von einem Steinmetz ausgeführt werden – dies ist eine legitime Forderung der Kunden, der  Friedhofsverwaltungen und nicht zuletzt der Steinmetzbranche selbst. Der Bundesverband Deutscher Steinmetze gibt dazu seit über 50 Jahren und nun in der 7. Auflage die Richtlinie „Erstellung und Prüfung von Grabmalanlagen“ – genannt BIV-Richtlinie – als legitimierter Vertreter des Steinmetzhandwerks die anerkannte Regel des Handwerks heraus. Die fachliche Expertise wird dabei von internen und externen Fachleuten getragen bzw. anerkannt. 

Im Zuge der 7. Auflage fühlte sich Dr. Richard Stein bemüßigt, die Richtlinie aus seiner sehr persönlichen Sicht zu interpretieren und diese Meinung über die Fachmedien der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da es sich hier aber nachweislich um bewusstes Weglassen von Fakten sowie z.T. sogar um falsche Tatsachen handelt, reagiert der Bundesverband Deutscher Steinmetze mit dieser Stellungnahme auf die Vorwürfe und wird die angesprochenen Aspekte abschließend klarstellen. Der BIV bedauert, dass Dr. Stein seine Kritik auf diese Weise äußert, viele seiner Aussagen hätten in einem persönlichen Gespräch geklärt werden können. Zwecks Richtig- und Klarstellung wählen wir nun den Weg einer öffentlichen Stellungnahme und nehmen zu den einzelnen Aspekten wie folgt Stellung:

„Die Richtlinie enthält keine Systembilder oder Skizzen.“
Das entspricht nicht den Fakten: Im Anwendungsbeispiel sind Systembilder und Skizzen zur Veranschaulichung enthalten. 

„Die BIV-Richtlinie ist gespickt mit Formeln und Variablen, die sich wenigen Steinmetzmeisten und keiner Verwaltung erschließen.“
Da die BIV-Grabmalrichtlinie ein Regelwerk für die Bemessung von Grabmalbauteilen ist, sind die technischen Inhalte selbstverständlich in erster Linie auch für Steinmetze und nicht für Friedhofsverwaltungen geschrieben. Im Umkehrschluss wird Verwaltungsrecht ja auch nicht im technischen Kontext verfasst. Es ist vermessen, Steinmetzen zu unterstellen, sie könnten ihr eigenes Gewerk nicht verstehen und den technischen Hintergrund nicht nachvollziehen, obwohl es sich dabei um das Alltagsgeschäft vieler Unternehmen handelt.

„In der BIV-Richtlinie sind Warnhinweise an die Friedhofsverwaltung enthalten, die in einem Regelwerk nicht zu suchen haben.“ 
Sämtliche Formulierungen bzgl. der Verwaltungsabläufe sind gemeinsam mit Friedhofsverwaltungen, die bei der Überarbeitung mitgewirkt haben, abgestimmt. Falls explizit Hinweise gegeben werden, sind diese auch nötig (z.B. der Absatz bzgl. Trittsicherheit bei Abdeckplatten). 

„Die erste BIV-Richtlinie von 1975 war verständlicher, als die heutige Richtlinie und bebildert.“
Die erste Richtlinie stammte nicht aus dem Jahre 1975, sondern von 1965. Damals gab es noch keine baurechtlich eingeführten Bemessungsnormen (Eurocodes), die mit dem umfänglichen Teilsicherheitskonzept als Grundlage herangezogen werden mussten. Dadurch gibt es selbstverständlich mehr Formeln und Variablen. Der hier herangezogene Vergleich ist nicht angemessen.

Das ist das Konzept der BIV-Richtlinie: Die Zusammenfassung der allg. gültigen baurechtlichen Bemessungsvorgaben, die Übertragung auf das Grabmal und schließlich die praktische Anwendung des Ganzen mittels Bemessungstabellen, Excel-Programm oder Handrechnung. Für eine schnelle Erfassung der wichtigsten Punkte steht bereits in der Einleitung, dass bei Berücksichtigung der seitlich grün markierten Abschnitte alle Vorgaben erfüllt sind.

„Die BIV-Richtlinie fordert, dass der Steinmetzbetrieb die Grabanlage standsicher errichten muss.“
Das wird nicht extra von der BIV-Richtlinie gefordert, sondern ist Grundlage eines jeden Werkvertrags, unabhängig um welches Bauteil es sich handelt oder welches Regelwerk zugrunde liegt.

„Für eine standsichere Errichtung ist es notwendig, Berechnungen zur Ermittlung der notwendigen Dimensionierungen durchzuführen.“
Nein, dazu gibt es einfache Bemessungstabellen oder eine Excel-Tabelle für Standardmaße. Da Grabmalteile bzgl. der Abmaße nicht zuletzt wegen enger Gestaltungsvorgaben keine große Varianz haben, werden separate Berechnungen nur in den seltensten Fällen nötig sein.

„Warum soll der Steinmetz diese Berechnungen nicht einreichen?“
Das deutsche Baurecht mit deinen Landesbauordnungen sieht das Grabmal als untergeordnetes Bauteil, dass in allen Bundesländern genehmigungsfrei ist. Deshalb liegt es v.a. im Interesse der Friedhofsverwaltungen, nicht noch weiteren Verwaltungsaufwand (Dokumentationsaufwand, Plausibilitätsprüfung, Haftungsproblematik) entstehen zu lassen – dies sind die Rückmeldungen aus unzähligen Beratungen. Dies ist also nicht nur die Intention der Steinmetze, sondern auch im Interesse der Friedhofsverwaltungen.

„Bei einem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren wird eine statische Berechnung verlangt, ohne dass die Bauverwaltung diese Statik prüfen muss.“
Es müssen für die meisten Fälle eben KEINE Statikunterlagen eingereicht werden, eine Bestätigung bzgl. der Qualifikation reicht aus (z.B. in BaWü § 18 LBOVVO >> keine Statikprüfung bei Wohngebäuden und allg. Gebäuden bis 250 m² Grundfläche).

„Für die statische Berechnung ist der Bauingenieur verantwortlich.“
Nicht ausschließlich! In vielen Bundesländern sind z.B. auch Zimmerermeister bauvorlageberechtigt.

„Einschüchterungen der Verwaltung haben in einem Regelwerk nichts zu suchen.“
Die Verwaltungen haben am Text mitgewirkt, und es werden ausschließlich Vorgaben der öffentlichen Hand zitiert (LBO´s, MBO, RÜV, DIN 1076 etc.). Fakt ist: Es gibt aus baurechtlicher Sicht keine Verpflichtung, für ein Grabmal eine Statik einzureichen. Warum sollte eine Friedhofsverwaltung, die sich i.d.R. damit nicht auskennt und die Dokumentation nur mit viel Verwaltungsaufwand bewerkstelligen kann, das dann trotzdem fordern?

„Warum werden in der Richtlinie nur Steinmetzmeister erwähnt und nicht alle Steinmetzbetriebe oder Dienstleister?“
Gemäß der Musterfriedhofssatzung des Deutschen Städtetags und eines Urteils des OVG NRW ist es legitim, die Zulassungsvoraussetzungen / Fachkundenachweis in Anlehnung an die Prüfungsinhalte des jeweiligen Handwerks anzulehnen. Das Steinmetzhandwerk ist in der Handwerksrolle A eingetragen, nur ein Meister darf ein Steinmetzunternehmen führen. Es ist legitim, diesen Steinmetzmeister zu benennen, weil er auch für die Arbeiten seines Betriebs und seiner Mitarbeitenden die Verantwortung übernimmt.

„Die Berechnung auf der Grundlage von Bemessungsdiagrammen hat ihre Grenzen, da nicht alle zur Anwendung kommenden Grabsteindicken unterstützt werden“.
Mit den möglichen Grabsteindicken 12, 14, 16 und 18 cm sind bundesweit fast alle Grabsteine erfassbar. Friedhofssatzungen setzen in den meisten Fällen enge Grenzen. Größere Dicken sind selbstverständlich per Excel- oder Handrechnung nachweisbar.

„Das erwähnte EXCEL-Programm lässt nur einteilige Grabsteine mit einer Mindestdicke von 12 cm zu.“
Das ist nicht richtig, die Verankerung einzelner Grabmalteile kann jeweils separat eingegeben und berechnet werden.

„Als weitere Alternative zum Nachweis wird eine bauteilbezogene Berechnung in Betracht gezogen. Sie hat nur den Nachteil, dass die meisten Steinmetzbetriebe mit dieser Form des Nachweises überfordert sind.“
Die BIV-Richtlinie zeigt gemäß dem Einleitungstext eine einfache und verständliche Methode, alle geltenden Vorgaben, Berechnungen und Bemessungsregelungen zu erfüllen und zwar ohne inhaltlich in jede Norm einzusteigen: Die seitlich grün markierten Abschnitte. Außerdem bietet der BIV ein Formblatt für die Handrechnung, Schulungen und schließlich die technische Beratung, die unabhängig vom Grabmal in allen fachlichen Fragestellungen helfen kann. 

„Systembezogene Bauarten für den Friedhofsbereich gibt es nicht.“
Dem ist nicht so. Es gibt genügend systemgeprüfte Verankerungssysteme (vgl. Lieferanten für Steinmetzbedarf).

„Wenn man die Normen nicht kennt und die Richtlinie nicht verstehen kann, hat man schnell einen technischen Standard bestätigt, den man nicht ausgeführt hat. Mit den entsprechenden Konsequenzen in einem Schadensfall.“
Dies ist eine unzureichende Schlussfolgerung! Die BIV-Richtlinie mit ihren Bemessungstabellen berücksichtigt sämtliche baurechtlichen eingeführten Normen. Das ist Sinn und Zweck einer jeden gewerksspezifischen Veröffentlichung, nämlich genau die Übersetzung der allg. Vorgaben auf die Handwerkspraxis (s. Konzept oben). Für das Ablesen der Tabelle müssen die einschlägigen Normen nicht im Detail bekannt sein (wie z.B. auch bei anderen Merkblättern: Welcher Fliesenleger kennt denn alle Abdichtungsnormen im Detail >> gearbeitet wird nach Merkblättern.) 

„Warum nimmt die BIV-Richtlinie Bezug auf die DIN 1076, die für Verkehrsbauwerke und nicht für Grabmale gilt?“
Um an das zweistufige Prüfverfahren (welches im Übrigen auch die zuständigen Unfallversicherer als adäquate Beschreibung der Grabmalprüfung ansehen) für die Standsicherheitsprüfung heranzuführen, werden mehrere Vorgaben der öffentlichen Hand genannt. Selbstverständlich regelt die DIN 1076 gemäß dem Geltungsbereich andere Bauteile, für eine Herleitung des zweistufigen Prüfverfahrens ist dies – gemeinsam mit der „Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes“ und der „Hinweise für die Überprüfung der Standsicherheit von baulichen Anlagen durch den Eigentümer“ aber allemal zweckmäßig. In allen wird ein Stufenverfahren verwendet, welches sich die BIV-Richtlinie eben für die Grabsteinprüfung herleitet.

„Was soll mit der Nennung der Regelungen aus dem Ingenieurbau bezweckt werden? Ist nur daran gedacht größere Prüfzyklen mit der Sichtprüfung zu erreichen?“
Es gibt keine strategischen Intentionen bei der Herleitung der Prüfverfahren! Die Grabmale sollen 1 x im Jahre geprüft werden – und zwar erst durch Inaugenscheinnahme und dann durch Druckprüfung. Eine grundsätzliche Verlängerung des Prüfzyklus wird nicht beabsichtigt. Dies kann eine technische Richtlinie gar nicht, da es bzgl. der Prüfzyklen eine Unfallverhütungsvorschrift der Unfallversicherungsträger gibt.

„Man kann keine Verifizierung eines älteren Regelwerkes auf die neue Richtlinie übertragen, bei der der Prüfungsablauf geändert wurde.“
Der Prüfungsablauf wurde nicht geändert. Das Prüfverfahren ist nach wie vor zweistufig (1. Inaugenscheinnahme / 2. Druckprüfung). Nachdem bewusste oder unbewusste Fehlinterpretationen im Raum standen, wurde lediglich präzisiert, dass die Druckprüfung selbstverständlich nach wie vor ein wesentlicher Teil einer Grabmalprüfung ist.

„Weiterhin kann man die „Frankfurter Regelempfehlung“ für die 6. Auflage nicht auf die 7. Auflage übertragen.“
Frankfurter Regelempfehlungen werden bei den Sachverständigentreffen des BIV verabschiedet. Jeweils zu Beginn wird hinsichtlich neuer BIV-Veröffentlichungen berichtet. So es aus Sicht der Sachverständigen nötig ist und die alte Formulierung als nicht mehr passend erachtet wird, wird es bei nächster Gelegenheit eine Aktualisierung der „Frankfurter Regelempfehlung“ geben. 

„Was ist diese Empfehlung wert, wenn den BIV-Sachverständigen noch nicht einmal aufgefallen ist, dass die Richtlinie 2017 fehlerhafte Berechnungen enthält?“
Zum einen handelt es sich nicht um BIV-Sachverständige, sondern um von Handwerkskammern öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige. Mit dieser Aussage wird den ö.b.u.v. Sachverständigen die fachspezifische Sachkunde zur Bewertung technischer Regelwerke aus dem eigenen Fachbereich abgesprochen. 

Die Richtlinie 2017 enthielt KEINE falschen Berechnungen. Lt. den beschriebenen Änderungen (s. unten im Inhaltsverzeichnis) wurden die Bemessungstabellen gezielter definiert. Da sich bei den meisten statisch relevanten Grabmalgrößen (u.a. Dicke und Höhe) zumeist keine großen Varianzen ergeben, wurde die planmäßige Schiefstellung – wie seit Jahrzehnten üblich – nun auch bei den Bemessungstabellen auf 5 % festgelegt, denen bisher noch größere Toleranzen zugrunde lagen. Selbstverständlich hat dies Auswirkungen auf die Bemessungstabellen – nicht jedoch auf die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Bemessung von Grabmalbauteilen.

„Wenn ein Grabstein für eine Last von 75 daN (ca. 75 kg) Horizontallast berechnet wurde, dann kann eine Prüflast von 30 daN (ca. 30 kg), aufgebracht in 2 Sekunden, nicht schuld an einem lockeren Grabstein sein.“
Eine Prüflast sollte niemals „schuld“ an einem lockeren Grabstein sein. Die Grabmalprüfung ist nicht dazu da, Grabsteine zu lockern! Die Prüflast von 30 kg soll eine nutzungsähnliche Belastung simulieren und zeigen, ob ein Grabstein dieser Belastung standhält. Die Bemessungslast ist dabei völlig unrelevant. 

„Entsprechend der Richtlinie sind nur eingemörtelte Dübel aus Gewinde- oder Rippenstahl zugelassen.“
Dies entspricht nicht der Formulierung in der Richtlinie! Bei dem eingemörtelten Dübel handelt es sich um die Regelausführung. Alternative Methoden sind selbstverständlich möglich (s. Abs. 3.1.5.2), dafür gibt es genügend Bauarten mit geprüfter Eignung.

„Bei anderen Befestigungen bedarf es eines Prüfzeugnisses einer Materialprüfanstalt oder einer bauaufsichtlichen Zulassung.“
Diese Aussage ist nicht vollständig. Es gibt keine abschließende Liste, wessen Nachweise akzeptiert werden können, z.B. gibt es auch TÜV-Prüfzeugnisse. Relevant ist, dass der Hersteller die Eignung nachweist.

„Beim Lesen der Richtlinie fallen die vielen Formeln auf, die einem Handwerker schwer zuganglich und nicht verständlich sind.“
Da bauaufsichtlich eingeführt liegen der BIV-Richtlinie Bemessungsnormen zugrunde, die nun mal solche Formeln enthalten. Diese wurden von uns nicht erfunden, sondern in Bemessungstabellen übersetzt und für die Handwerkspraxis angepasst. Im täglichen Geschäftsverkehr werden die normativen Hintergründe – wie im Übrigen auch bei anderen Bemessungsnormen – also eher keine Rolle spielen. Unabhängig davon: Der Bundesverband verwehrt sich gegen die Aussage, ein gut ausgebildeter Handwerker könne diese Berechnungen nicht nachvollziehen. 

„Dies wird besonders deutlich bei der Formel für den Nachweis der Bewehrung.“
Diese Formel stammt aus der baurechtlich eingeführten DIN EN 1992-1-1 und liegt somit ALLEN unbewehrten Bauteilen zugrunde – unabhängig vom Grabmal. Der versierte Leser wird erkennen, dass aufgrund der i.Vgl. zu anderen Betonbauteilen bei Grabmalen die Bodenpressung i.d.R. so gering ist, dass – wie seit Jahrzehnten – die einfache Regel gilt „Fundamenthöhe muss größer als der Überstand über den Sockel“. Sowohl bei der Handrechnung als auch in unseren Schulungsveranstaltungen herrscht gerade bei diesem Punkt Klarheit.

„Offensichtlich wird die Richtlinie kaum von Handwerksbetrieben angewendet, da sonst aufgefallen wäre, dass bestimmte Dimensionierungen von Grabmalteilen nicht der Realität entsprechen.“
Diese Aussage widerspricht den Tatsachen: Die Dübeleinbindelängen sind i.Vgl. zu den 2000er Versionen aufgrund der Teilsicherheitsbeiwerte sogar kleiner geworden. Genauso die Fundamenthöhe: Durch den im Stahlbetonbau neu verwendeten Berechnungsansatz sind die Fundamente in den meisten Fällen sogar dünner geworden. Ein einfacher Vergleich mit älteren Auflagen zeigt dies nachweislich. 

„Die Richtlinie berücksichtigt nicht die Entwicklung hin zu kleineren Grabsteinen.“
Die faktenbasierte Bautechnik mit dem mathematisch-wissenschaftlichen Hintergrund kann sich nicht einer gesellschaftlichen Entwicklung anpassen, sonst wäre Sie ja falsch! Die Bemessungsvorgaben sind in dieser Form nun mal da und hohe, leichte Bauteile brauchen ein breiteres Einzelfundament – das ist die technische Logik. Die Bemessungstabellen gelten für die Regelausführung – nämlich für Ortbeton-Einzelfundamente. Dass diese nicht für alle möglichen Dimensionen, Gründungsarten und Friedhofsgegebenheiten am besten passen, liegt wohl in der Natur der Sache.

Bei der angesprochenen Urnenbettungsthematik werden deshalb andere Gründungsarten empfohlen (z.B. durchlaufende Streifenfundamente oder reversible Verankerungssysteme). Der Anwender findet dazu ausreichend Handlungsalternativen in der BIV-Grabmalrichtlinie.

„Weiterhin beträgt die Mindesthöhe von Fundamenten 20 cm. Somit sind Fundamentplatten mit einer Höhe von weniger als 20 cm nicht geregelt.“
Dies entspricht nicht dem Inhalt der BIV-Richtlinie. Die Bemessungstabellen gelten für die Regelausführung – nämlich für unbewehrte Einzelfundamente. Gemäß Abschn. 3.5.2 werden weitere Gründungsarten (nicht abschließend!) aufgelistet und sind selbstverständlich möglich.

„Jedes Fundament muss eine Bodenüberschüttung von 10 cm haben. Folglich müsste ein Grabsteinsockel 10 cm höher sein.“
Diese Aussage ist unvollständig, da sie nur für die Standardausführung gilt. 

„Die erforderliche Einbindelänge des Dübels lässt sich bei zweiteiligen Grabsteinen für das kleinere Teil mit den Tabellen der Richtlinie nicht berechnen.“
Selbstverständlich kann die Dübellänge auch für das zweite Grabsteinteil berechnet werden – ganz einfach ohne Angaben zum Fundament einzugeben.

„Nach der Richtlinie 2020 beträgt die Höhe des Fundamentes nur noch 25 cm. An beiden Fundamentberechnungen kann man erkennen, dass die Bemessungstabellen überarbeitet und geändert wurden.“
Darauf wird bereits im Inhaltsverzeichnis hingewiesen und ist deshalb auch in den Tabellen ersichtlich. Lt. den beschriebenen Änderungen (s. unten im Inhaltsverzeichnis) wurden die Bemessungstabellen gezielter definiert. Da sich bei den meisten statisch relevanten Grabmalgrößen (u.a. Dicke und Höhe sind bei allen gängigen und lt. Friedhofssatzung erlaubten Abmaßen vergleichbar) zumeist keine großen Varianzen ergeben, wurde die planmäßige Schiefstellung – wie seit Jahrzehnten üblich – nun auch bei den Bemessungstabellen auf 5 % festgelegt, denen bisher noch größere Toleranzen zugrunde lagen. Selbstverständlich hat dies Auswirkungen auf die Bemessungstabellen – nicht jedoch auf die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Bemessung von Grabmalbauteilen.

„Weiterhin wird darauf verwiesen, dass die Fundamente eine Mindestbewehrung haben müssen und somit unbewehrte Fundament nicht zulässig sind.“
Dies entspricht nicht dem Textlaut der BIV-Richtlinie. Bei unbewehrten Fundamenten handelt es sich um die Regelausführung. Gemäß Abschnitt 3.5.2 sind weitere Gründungsarten möglich – und somit auch bewehrte Fundamentplatten.

„Wie eine Mindestbewehrung ermittelt wird und wie eine Bewehrungsführung aussieht, wird nicht erklärt.“
Bei bewehrten Fundamentplatten handelt es sich i.d.R. um werkmäßig hergestellte Betonplatten mit einer Standardbewehrung von mind. 2 Ø 6. Der Steinmetz wird diese aus Wirtschaftlichkeitsgründen normalerweise nicht selbst herstellen, ansonsten könnte er ja gleich vor Ort betonieren. Die Standardbewehrung wird aufgrund der i.Vgl. zu anderen Betonbauteilen sehr geringen Belastungen in den gängigen Fällen immer ausreichen, um die auftretenden Zugkräfte aufzunehmen. Aufgrund der Lastfallkombinationen und der standardmäßigen Bewehrung wird auf eine komplizierte Bewehrungsermittlung verzichtet.

„Gab es bei einer früheren Richtlinie Bemessungstabellen für Einfassungsteile mit Abdeckplatte, so wurde dies etwas komplexer und für den Anwender nicht einfacher gestaltet.“
Im Gegenteil – es ist nun sogar einfacher gestaltet, da es eben keine Bemessungstabelle mehr gibt, sondern eine einzige Maßvorgabe, womit die meisten Fälle berücksichtigt sind. Für außerplanmäßige Fälle gibt es immer noch die Excel-Tabelle (mit lediglich 3 nötigen Eingaben) oder die Handrechnung.

„Für mit einer Abdeckplatte belastete Einfassungsteile mit einer Länge > 180 cm und einer Breite < 12 cm gilt die Einfassung als nicht nachgewiesen.“
Nein, dabei handelt es sich lediglich nicht um eine Standardausführung. Mittels Excel- oder Handrechnung lässt sich diese Maßvorgabe ebenfalls problemlos für den Steinmetz überprüfen. Außerdem ist der Hintergrund kein reiner Nachweis, sondern erst einmal die technische Dimensionierung der Bauteile.

„Folglich muss der Steinmetzbetrieb einen statischen Nachweis für die Einfassung bringen. Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie, ist für viele Einfassungen der Nachweis nicht erbracht.“
Diese Aussage ist unzutreffend. Wenn wie im Regelfall die Friedhofsverwaltung nichts einfordert, ist diese Rechnung rein für den Ausführenden gedacht, um seine Bauteile ausreichend groß zu dimensionieren. Wie in der Baustatik üblich, liegen pauschalisierte Tabellenangaben immer auf der sicheren Seite. Eine projektspezifische Nachrechnung mit der ausschlaggebenden Biegezugfestigkeit des konkreten Natursteins wird immer zu kleineren Dimensionen führen – also auch in solchen Grenzfällen.

„Warum werden Abmessungen von Einfassungen vorgegeben, die mit den meisten gebauten Grabmalanlagen nicht übereinstimmen?“
Diese Fragestellung entspricht nicht den Tatsachen. Die Abmessungen sind so vorgegeben, dass die meisten Grabmalanlagen berücksichtigt sind. Es gibt regional sehr unterschiedliche Vorgaben oder historisch bedingt werden gewisse Maße verwendet. Im Regelfall wird eine max. Länge von 180 cm bei Einfassungsteilen ausreichen, was bei einer Grablänge von z.B. 200 cm einen Sockel von 20 cm bedeutet. Ein Grabstein mit 14 cm würde auf dem Sockel hinten und vorne mit 3 cm Überstand stehen, was realistisch sein dürfte. Zuletzt sind Vollabdeckplatten gemäß vielen Friedhofssatzungen gar nicht erlaubt, weshalb sich dieses Thema in den meisten Fällen ohnehin erübrigt. 

„Da die einzelnen Einfassungsteile an den Stößen konstruktiv (z.B. durch Langloch-Eckwinkel) zu verbinden sind, müssen alle Einfassungsteile, auch bei Urnengräbern, mit Winkeln befestigt werden.“
Diese Aussage widerspricht grundlegend dem Inhalt der BIV-Richtlinie. Es wird eine konstruktive Lagesicherung gefordert. Deshalb werden beispielsweise („z.B.“ im Text) Langloch-Eckwinkel beschrieben. Konstruktiv kann aber auch noch anders konstruktiv gesichert werden, z.B. mit einer „keilförmigen“ Einbettung der einzelnen Teile in Beton.

„Es ist verwunderlich, dass bei begehbaren Platten auf die Anforderungen an die Trittsicherheit nach DGUV Regel 108-003 (bisher BGR 181) verwiesen wird. Wenn man diesen Zusatz macht, sollte man auch benennen welche Platten auf Friedhof begehbar sind.“
Im Hinblick auf die allgemeine Verkehrssicherungspflicht spielt es überhaupt keine Rolle, auf welche konkreten Bauteile sich dieser Hinweis bezieht. Eine abschließende und bewertete Aufzählung ist aufgrund regionaler Unterschiede ohnehin nicht möglich.

„Liest man in der DGUV-Regel nach, so gilt diese Regel „für solche Arbeitsräume, Arbeitsbereiche und betriebliche Verkehrswege, deren Fußböden nutzungsbedingt bzw. aus dem betrieblichen Ablauf heraus mit gleitfördernden Stoffen in Kontakt kommen, die eine Gefahr des Ausrutschens darstellen“.
… und genau das kann in gewissen Friedhofsbereichen der Fall sein. Deshalb sehen wir es im Gegenteil als unabdingbar an, auf diese Thematik hinzuweisen. Außerdem ist es in der täglichen Geschäftspraxis üblich, dass auch im Rahmen der privaten Verkehrssicherungspflicht (z.B. Podest am privaten Hauseingang) in Anlehnung an die berufsgenossenschaftlichen Vorgaben auszuführen und bei Schadensfällen auch zu bewerten ist. Somit gelten die Unfallverhütungsvorschriften z.T. eben nicht nur im Geltungsbereich des Regelwerks, sondern werden im Sinne der Verkehrssicherungspflicht bei vielen weiteren Bauteilen zugrunde gelegt.

„Der Friedhof ist kein Arbeitsraum!“
Diese Aussage trifft nicht zu. Selbstredend ist ein Friedhof Arbeitsraum für kommunale Mitarbeiter, Friedhofgärtner, Steinmetze und nicht zuletzt für Grabsteinprüfer. Wenn ein Friedhof kein Arbeitsraum wäre, gebe es wohl keine Arbeitssicherheitsvorschriften (z.B. VSG 4.7 der SVLFG), die zu berücksichtigen sind. 

„Auf dem aktuellen Formblatt zur Grabmalgenehmigung wurde auf die Angaben zur Gründung, zur Verdübelung sowie auf die Angabe zum Standsicherheitsnacheis verzichtet.“
Der BIV stellt für den Genehmigungsantrag mehrere Formblattvarianten zur Verfügung. Es ist die alleinige Entscheidung der Verwaltung, ob sie den Vorgaben der LBO´s folgen und eben keine Statik oder Abnahmeprüfung fordern oder diese einfordern, dokumentieren und auf Plausibilität prüfen wollen. Warum sollte also ein Fachverband in einem technischen Regelwerk Unterlagen fordern, die nicht dem Baurecht entsprechen und zusätzlich noch für alle Beteiligten Aufwand bedeutet?

„Folglich zielt die Richtlinie 2020 auf Intransparenz und auf fehlende Nachvollziehbarkeit ab.“
Diese These entspricht nicht den Tatsachen, es gibt keine strategischen Intentionen. Es handelt sich um eine Behauptung, die jeglicher objektiver Grundlage entbehrt. Mit unseren optionalen Formblättern folgen wir nur den Vorgaben der öffentlichen Hand. In Deutschland sind in allen Bundesländern Grabmale genehmigungsfrei. Alles was eine Friedhofsverwaltung im baurechtlichen Sinne zu erledigen hat, ist der Abgleich mit den Vorgaben der Friedhofssatzung. Und dazu gibt es optionale Formblätter.

„Der Bundesverband Deutscher Steinmetze will nicht, dass die Friedhofsverwaltung sicherheitsrelevante Daten erhält.“
Diese Aussage ist unzutreffend! Der Bundesverband Deutscher Steinmetze unterstützt Friedhofsverwaltungen, die aufgrund regionaler Gegebenheiten einen Statiknachweis haben wollen – mit Formblättern, auf Anfrage mit Nachrechnungshilfen, mit einzelnen Plausibilitätsprüfungen oder sogar mit exklusiven Schulungen. Sogar in der Richtlinie selbst werden die Möglichkeiten der Nachweisführung im Detail beschrieben. Wenn der BIV solche Statikdaten tatsächlich nicht herausgeben wollte, würden die Möglichkeiten dort wohl kaum beschrieben. Kein Interesse an der Erstellung der Dokumente hat nicht der BIV, sondern die Verwaltungen. Diese ersparen sich somit völlig nachvollziehbar unnötigen Verwaltungsaufwand und vermeiden ein Haftungsrisiko. Der Bundesverband hat bereits für etliche Friedhofsverwaltungen Schulungen erfolgreich durchgeführt – und dies sehr zur Zufriedenheit der  Teilnehmer.

„Man erwartet, dass nach DIN 1076 und der Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit geprüft wird und ist nicht bereit Fundamentierung und Verdübelung beim Antrag zu benennen.“
Diesen Zusammenhang gibt es nicht. Die zweistufige Grabmalprüfung ist in Bezug auf Prüfzyklen und Prüfarten an diverse öffentliche Vorgaben angelehnt, für sich jedoch alleinstehend. Grabmalgenehmigung und jährliche Standsicherheitsprüfung stehen völlig unabhängig voneinander. Weder liegen bei der jährlichen Prüfung irgendwelche Statikdaten vor, noch wird die Prüfung abhängig von solchen Statikdaten unterschiedlich durchgeführt.

„Wenn im Vorwort behauptet wird, dass sich aus fachlich technischer Sicht hinsichtlich Bemessung und Errichtung von Grabmalanlagen nichts geändert wurde, dann entspricht dies nicht der Wahrheit. Wie in den obigen Beispielen aufgezeigt wird, wurden die Tabellen für die Dimensionierungen der Fundamente überarbeitet und korrigiert und somit ein abgeändertes Rechenmodell verwendet.“
Diese Schlussfolgerung ist unzutreffend. Gemäß dem Wortlaut wurde „hinsichtlich Bemessung und Errichtung von Grabmalanlagen nichts geändert“. Die Bemessungsvorgaben (Lastannahmen, Schiefstellung) sowie die zu untersuchenden Sicherheitsaspekte (Kippsicherheit, Lagesicherheit, Biegebruchsicherheit, Bodenpressung, Gebrauchstauglichkeit, Verankerung) wurden allesamt beibehalten. Richtig ist, dass die Bemessungstabellen geändert sind. Dies wird aber im Abschnitt „Änderungen gegenüber der vorherigen Ausgabe von Mai 2017“ unter gezieltere Definition der Bemessungstabellen bereits auch so genannt und entspricht somit „der Wahrheit“.

„Folglich war die Richtlinie 2017 fehlerhaft.“
Wie oben erwähnt lag den Bemessungstabellen (Stichwort Schiefstellung s. oben) eine andere Toleranz und somit lediglich ein anderes Rechenmodell zugrunde. Weder die Berechnungsmethoden noch die Richtlinie selbst waren fehlerhaft!

Leider fand eine Abstimmung mit dem Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands e.V. und der Sozialversicherung Landwirtschaft, Forst- und Gartenbau (SVLFG) nicht statt.
Dieser These stehen nachweislich Fakten entgegen: Sowohl mit dem Verband Deutscher Friedhofsverwalter als auch mit den zuständigen Unfallversicherern fand eine inhaltliche Abstimmung statt. Bei ersterem im Zuge derer Leitlinie zur Standsicherheitsprüfung, wobei unsere Argumente aufgrund anderer Intentionen leider keine Berücksichtigung fanden. Diejenigen Verwaltungen, mit denen wir im Zuge der Überarbeitung zusammengearbeitet haben, unterstützen in jedem Fall die jetzigen Inhalte.

(17.07.2020)