Steine richtig bewerten und verwenden

Autor Dieter Drossel im Gespräch mit Dr. Simon Geisler, Chief Marketing Officer beim Ebner Verlag.

Der Ebner Verlag Ulm hat im Objektbereich Naturstein neu den "7 Sterne Stone Guide Europe – Natur- und Kunststeine für den Innenausbau" herausgebracht. Chief Marketing Officer Dr. Simon Geisler sprach mit Autor Dieter Drossel.

Dr. Simon Geisler: Herr Drossel, wie kamen Sie auf die Idee, Natur- und Kunststeine in Sterne-Kategorien einzuordnen?
Dieter Drossel: Durch die Zusammenarbeit mit Alberto Antolini von der Firma Antolini, Weltmarktführer für exklusive Natursteine aus Sega di Cavaion, Italien. 2012 fragte er mich, ob ich ihn als Business Development Manager u.a. auf internationalen Messen wie der BAU in München, der ISH in Frankfurt, der IMM Cologne in Köln, dem Salone di Mobile in Mailand, der Maison et Objet in Paris, der Marmomacc in Verona und diversen Hausmessen repräsentieren könnte. Da ich schon seit mehr als zehn Jahren in der Werksteinbranche tätig war, machte ich mich relativ schnell mit dem Antolini-Sortiment vertraut, das rund 1.000 Steinsorten umfasst. Ein Problem hatte ich jedoch mit Aussagen zu den Preisen, die bei Großformaten in Abhängigkeit von mehreren Faktoren ermittelt werden.
Auf einer Messe muss alles schnell gehen. Architekten und Bauherren wünschen sich im Erstgespräch eine Orientierung zu Materialeigenschaften, Verarbeitungs- und Liefer-möglichkeiten und Preisen. Auf meiner ersten Messe für Antolini bezeichnete ich einen Stein, der schon als Rohplatte über 2.000 €/m² kostet, spontan als "7 Sterne-Material". Mein Gesprächspartner verstand das sofort, erwiderte aber, dass Geld zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle spiele, er brauche nur ein Gefühl für die Wertigkeit der einzelnen Materialien, da es sich um ein größeres Bauvorhaben handele. Als diesem Gespräch eine konkrete Anfrage und ein Auftrag folgten, entwickelte ich ein Beratungssystem nach Sternen. Dieses System habe ich dann drei Jahre lang in der Praxis getestet –es funktioniert! An der Einstufung der Materialien beteiligten sich zahlreiche Verarbeiter und Händler, da der Rohstoffpreis nur in Verbindung mit den Fertigungs- und Montagekosten eine genaue Orientierung über die Wertigkeit der Materialien gibt. Alle diese Firmen sind im Buch genannt.

Folgen Sie mit der 7 Sterne-Logik insofern auch der Struktur typischer Luxusgütermärkte wie z.B. dem Markt für mechanische Luxusuhren aus der Schweiz? Auch dort gibt es ja, wenn auch nur implizit, die Unterscheidung in "Einsteigermechanik" (wo dann der Preis wichtig ist) und das absolute Top-Segment, bei dem Geld keine Rolle spielt.
Richtig – genau so ist das. Naturstein ist in einigen Bereichen im Prinzip eine Art Luxusmarkt. Der Kunde entscheidet sich heutzutage bewusst für Naturstein als Material, weil er etwas Besonderes möchte. Und da ist dann eben "Luxus" nicht gleich "Luxus". Zwischen einem hochwertigen Naturstein-Bad und einem echten, einzigartigen Luxusobjekt liegen in Bezug auf Material- und Verarbeitungsqualität Welten. Das Problem im Natursteinmarkt ist, dass es hier – anders als etwa bei mechanischen Uhren - kaum Marken gibt, an denen sich die Kunden orientieren können. Uhrenkäufer wissen oder lernen schnell, dass z.B. Marken wie Longines und Patek Philippe preislich und uhrmacherisch kaum vergleichbar sind, obwohl sie beide Uhren herstellen. Dort schaffen Marken Orientierung und helfen auch dem Verkäufer, verschiedene Produkte den Kundenwünschen entsprechend einzuordnen und zu empfehlen. Im Natursteinmarkt ist diese Orientierung sehr viel schwieriger. Der 7 Sterne Stone Guide“ soll dabei helfen, genau diese Lücke für Kunden und Anbieter zu schließen.

Warum haben Sie neben Natursteinen auch Kunststeine wie Keramik, Quarzwerkstoff und Agglo mit in die 7 Sterne-Einstufung aufgenommen?
Sie müssen einen Kunden immer da abholen, wo er zuhause ist und sich auskennt. Deutschland ist stark von Kunststeinen, insbesondere Keramik, geprägt. Da mittlerweile viele Keramikproduzenten auch Großformate produzieren und dabei vermehrt Natursteine kopieren, war es naheliegend, die Einstufung auf die genannten Materialien auszudehnen, zumal auch hier großer Schulungsbedarf besteht.

Kleine Fliesenformate nennen Sie "ein notwendiges Übel" bei bestimmten Untergründen oder eingeschränktem Budget. Wird sich das bei Naturstein übliche Großformat auch in der Keramik durchsetzen?
Schneller als es manchen Anbietern lieb ist. Früher habe ich mit Produktlebenszyklen von zehn Jahren gerechnet. Durch die Vielzahl der Ideenportale im Internet kann ein Trend jedoch extrem beschleunigt werden. Interessant ist, dass viele echte Natursteine im Einkauf günstiger sind als ihre Imitate, obwohl sie in der Gesamtbetrachtung wertiger sind. In Deutschland gibt es mittlerweile in jeder Region Steinverarbeiter, die für ihre Kunden visualisieren können, wie Großformate im Raum wirken. Ich bin davon überzeugt, dass die Zukunft der ganzheitlichen Raumgestaltung. Den Trend zum Großformat kann niemand mehr aufhalten. Bei meinen mehr als 1.000 Objektberatungen habe ich noch keinen Bauherrn kennengelernt habe, der sich über viele Fugen gefreut hätte, insbesondere im Nassbereich.

In Ihrem Buch dominiert ganz klar der Naturstein. Warum beschreiben Sie die Kunststeinvarianten nicht detaillierter?
Ursprünglich wollte ich die führenden Keramikanbieter mit berücksichtigen. Aber es vergeht kaum ein Jahr, in dem die Industrie nicht die jeweiligen Trendfarben vom Wettbewerb kopiert, was die Produkte austauschbar macht. Bei Natursteinen, die ja nicht menschengemacht sind, ist das anders. Jeden Stein gibt es nur ein Mal. Die Vielzahl der verfügbaren Gesteinssorten ist etwas für das Buch. Auf die Kunststeine gehe ich ausführlich auf der Website www.stoneguide.eu ein, wo ich auch auf kurzfristige Moden reagieren kann. Natursteine sind solchen kurzfristigen Trends weniger unterworfen.

In Ihrem Buch werden über 350 Naturstein-, Keramik-, Quarz- und Agglomaterialien aufgeführt. Nach welchen Kriterien wurden sie ausgewählt?
Wir haben uns auf Materialien konzentriert, die aktuell im deutschsprachigen Raum Einsatz finden. Sehr hilfreich war hierbei die Ausstellung der Firma Just in Hartha, die zu den vielfältigsten in Deutschland zählt und wo derzeit auch ein Architektur- und Designcenter entsteht.

Im Buch kündigen Sie einen Sterne Guide für Handwerksbetriebe an. Warum reicht eine Einteilung nach Materialien nicht aus?
Ein Material ist nur so viel wert, wie man es richtig verplant, verarbeitet und verlegt. Diese Grundphilosophie zieht sich wie ein roter Faden durch den 7 Sterne Stone Guide Europe mit den dazugehörigen Beratungskonzepten. Ich habe zu viele Objekte gesehen, wo sich Planer, Verarbeiter und Handwerker überschätzt oder nicht miteinander gearbeitet haben und daher mit einem guten Rohstoff ein schlechtes Ergebnis erzielten. In den letzten 15 Jahren habe ich nahezu alle guten Steinverarbeiter in Deutschland kennen gelernt, somit weiß ich, wer in welcher Liga spielt. Das Regelwerk, an dem ich noch arbeite und das ich auf diversen Internetportalen veröffentlichen will, ist sicher hilfreich für alle Beteiligten.

Sie haben fast alle im Buch abgebildeten Objekte selbst fotografiert. Wie kommen sie an die vielen schönen Referenzobjekte?
Über die Betriebe. Natürlich bitte ich die Bauherrschaft höflich um einen Termin. Bauherren, die stark in die Materialentscheidung und Ideenfindung eingebunden waren, sind in aller Regel offen für ein professionelles Fotoshooting. Nebenbei finde ich vor Ort heraus, ob die Arbeit zu Zufriedenheit der Bauherren ausgeführt wurde und man die ausführenden Firmen weiterempfehlen kann. Zudem ziehe ich aus diesen Gesprächen die meisten Ideen für neue Konzepte und Publikationen.

Welche Rolle spielen die Co-Autoren in Ihrem Buch?
Im Rahmen meiner Recherchen und Überlegungen zur CE-Kennzeichnungspflicht für viele Produkte bin ich bei einigen Materialien auf unterschiedliche petrografische Bezeichnungen gestoßen. Da ich kein Geologe oder Geowissenschaftler bin, habe ich nach Abstimmung mit dem Geschäftsführer des Deutschen Naturwerkstein-Verbandes (DNV) und Mitglied der europäischen CE Kommission, Dipl.-Ing (FH) Reiner Krug, die Experten Dipl.-Geol. Reinhard Kögler und Prof. Dr. Siegfried Siegesmund als CO-Autoren für alle natursteinspezifischen Fachaussagen gewinnen können. Dipl.-Geol. Reinhard Kögler arbeitet an der Staatlichen Fachschule für Steintechnik und Gestaltung in Wunsiedel und leitet das dem Europäischen Fortbildungszentrum angegliederte Deutsche Natursteinarchiv (DNSA) mit über 6.000 Werkstein-Mustern aus über 100 Staaten – die Onlineversion findet man ja auf der Website Ihrer Abteilung Naturstein unter www.natursteinonline.de. Prof. Dr. Siegfried Siegesmund ist in der Abteilung Strukturgeologie und Geodynamik des Göttinger Zentrums für Geowissenschaften der Universität Göttingen tätig. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte im Bereich der Angewandten Geologie ist in der Geomaterialforschung (Natursteine in Architektur, Bauwerkserhaltung und der Denkmalpflege) angesiedelt. Mit über 350 Veröffentlichungen gehört Prof. Dr. Siegfried Siegesmund zu den weltweit bekanntesten Geowissenschaftlern, die sich des Themas Naturwerksteine angenommen haben. Zu den bekanntesten Publikationen gehört das international eingeführte Lehrbuch "Stone in Architecture", dass er soeben gemeinsam mit Prof. Dr. Rolf Snethlage in der 5. Auflage im Springer-Verlag herausgegeben hat. Überdies ist er als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die IHK Hannover für das Sachgebiet "Naturwerksteine" aktiv.

Als Ergänzung zum Buch bieten Sie Praxisworkshops an. An wen richtet sich dieses Schulungsangebot?
An alle Architekten und Planer im Innenausbau. Auch auf 304 Seiten und in über 90 Objekt-beispielen können sie in einem Buch viele Themen nur anreißen. Steineigenschaften, Kalkulationsgrundlagen und die Wertigkeit der einzelnen Materialien erkläre ich am liebsten live an den großformatigen Platten, auch, weil man viele Emotionen und steinspezifische Betrachtungen nicht anhand von Fotos vermitteln kann. Zusätzliche Informationen zu den Materialien sowie alle Schulungsorte und Termine finden Interessenten im Internet unter www.stoneguide.eu.

Buch "7 Sterne Stone Guide Europe – Natur- und Kunststeine für den Innenausbau"
1. Auflage, 304 Seiten, Preis € 79,80 Euro versandkostenfrei
ISBN 978-3-87188-249-4
Best-Nr. NB700814


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(23.1.2017)