Statements aus der Branche zur Corona-Krise (9): 5 Meinungen aus der Natursteinindustrie

Michael Walter, GF der Jogerst Steintechnologie GmbH, Oberkirch: "Unseren Kunden habe ich ein persönliches Versprechen gegeben: Ich gehe erst von Bord, wenn man mich rausträgt."

Chiara Ongaro Pescioli, GF der Ongaro Graniti SA, Cresciano/Tessin, Schweiz: "Führt die Corona-Krise dazu, dass bei uns künftig wieder vermehrt Tessiner Steine verwendet werden? Da sind wir skeptisch."

Christian Bärlocher, Bärlocher Steinbruch und Steinhauerei AG, Staad/St. Gallen, Schweiz: "In einer Krisenzeit ist es auch wichtig, den Zusammenhalt innerhalb der Branche selbst zu stärken. Das hilft allen."

Paul Erdmann vom Betrieb Steinmetz Erdmann, Bad Berka: "Wir hoffen, dass die Einschränkungen und Kontaktverbote nicht langfristig aufrechterhalten werden und sich das Geschäft nach Lockerung wieder belebt."

Mirko Adam, Prokurist der Firma Just Naturstein, Hartha: "In den letzten 200 Jahren ist es nach jeder noch so tiefen Krise wieder bergauf gegangen. Insofern bleibe ich optimistisch." Fotos: Archiv, privat


In Naturstein 5/2020 erscheint ein Spezial zur Corona-Krise mit 50 Branchenstatements, die wir sukzessive auch auf Natursteinonline.de und auf Facebook posten. In diesem Beitrag veröffentlichen wir 5 Meinungen aus der Natursteinindustrie:

Mirko Adam, Prokurist der Firma Just Naturstein, Hartha:
"Im Gegensatz zu reinen Händlern sehen wir uns gut positioniert, da wir unsere Eigenproduktion für Rohplatten und Tranchen steigern und auf unser eigenes Blocklager zurückgreifen können. Neben dem Schutz unserer Mitarbeiter und Geschäftspartner durch Hygienevorgaben und Desinfektionsmöglichkeiten gewährleisten wir Kontinuität. Wir verfügen über einen großen Lagerbestand, und der Warenverkehr läuft mit Einschränkungen weiter. Der Außendienst ist im Homeoffice jederzeit per Telefon und E-Mail erreichbar. Bis auf den »normalen« Krankenstand sind bei uns alle noch am Arbeiten; unsere Kunden im Baubereich haben ja meist einen Auftragsvorlauf von bis zu drei Monaten. Trotzdem wird sich der Auftragseingang in den nächsten Wochen im Vergleich zum Vorjahr vermutlich krisenbedingt verringern. 
Miterleben zu müssen, dass aufgrund von Covid-19 die ganze Welt angehalten wird, fällt mir ebenso schwer wie die einheitliche und aus meiner Sicht unkritische Berichterstattung in den Mainstream-Medien. War und ist es notwendig, die Wirtschaft in diesem Umfang einzubremsen? Eine Rezession ist damit vorprogrammiert, und die gesellschaftlichen Auswirkungen sind noch gar nicht abzusehen. Was in den nächsten drei Monaten passiert, hängt davon ab, ob die Wirtschaft nach dem 3. Mai wieder angefahren wird. Wenn das geschieht, ist es vielleicht mit einer mehr oder minder tiefen Delle getan. Wenn nicht, ist keine realis­tische Prognose möglich. In den letzten 
200 Jahren ist es nach jeder noch so tiefen Krise wieder bergauf gegangen. Insofern bleibe ich optimistisch." (hol)

Paul und Michaela Erdmann vom Betrieb Steinmetz Erdmann, Bad Berka: 
"Unsere Nachfrage ist komplett eingebrochen. Die Kunden sind durch die Berichte in den Medien derart verunsichert, dass die übliche Frühjahrsbelebung mit Anfragen zu Arbeiten für Bau, Innenausbau und Garten bei Privatkunden ausgeblieben ist. Auch Laufkundschaft kommt derzeit nur sehr vereinzelt. Weiterhin sind die Liefer­ketten derzeit gestört, die üblichen Liefer­zeiten werden nicht eingehalten und genaue Voraus­sagen durch die Händler bzw. Lieferanten sind derzeit nicht zu bekommen. Unsere Mitarbeiter arbeiten verkürzt, je nach Auftragslage. Wir haben Kurzarbeit beantragt. Langfristige Planungen sind aktuell nicht möglich.
Die Entwicklung ist so unsicher – jeden Tag gibt es neue Maßnahmen und Festlegungen durch Bund, Land und teilweise Kommunen, dass man noch keinen Ausblick geben kann. Bestehende Aufträge werden nach Möglichkeit und Eingang der Materiallieferungen abgearbeitet und versetzt. Wir versuchen, beweglich zu bleiben. Die Mitarbeiter nutzen Arbeitszeitguthaben und sind weitgehend flexibel. Wir hoffen, dass die Einschränkungen und Kontaktverbote nicht langfristig aufrechterhalten werden und sich das Geschäft nach Lockerung wieder belebt. Allerdings ist jetzt schon klar, dass sich die massiven Einkommenseinbußen in der Bevölkerung nicht positiv auf das Geschäft auswirken werden." (fl)

Christian Bärlocher, Bärlocher Steinbruch und Steinhauerei AG, Staad/St.Gallen, Schweiz:
"Bei uns sind die Auswirkungen bisher vergleichsweise gering. Sowohl im Steinbruch als auch im Verarbeitungswerk können wir die Forderungen der Behörden problemlos erfüllen. Unter Einhaltung der Abstands- und Hygiene-Regeln ist es uns möglich, mit der gesamten Belegschaft weiterzuarbeiten. In einer Mit­arbeiterorientierung haben wir nachdrücklich zum häufigen Händewaschen aufgefordert; wir kontrollieren noch etwas öfter als sonst, ob genügend Seife vorhanden und in puncto Hygiene auch sonst immer alles in Ordnung ist. Um im Pausenraum das Zusammentreffen von mehr als fünf Personen zu verhindern, bieten wir zusätzliche Aufenthaltsräume an. Fahrten zur Baustelle erfolgen mit maximal zwei Personen je Auto, so kann auch während der Fahrt das Abstand­halten bestmöglich eingehalten werden. Die Mit­arbeiter unserer Bauabteilung sind mit Des­infektionstüchern ausgestattet für den Fall, dass auf einer Baustelle kein Händewaschen möglich ist.
Wir rechnen damit, dass sich im Steinhandel die Mangelsituation noch verschärfen wird, da bereits jetzt mehrere Lieferanten nicht mehr liefern können. Vor allem dürften Produkte für den Straßen- und Gartenbau knapp werden. Wir rechnen auch mit negativen Folgen auf die Auftragslage. Zu wünschen wäre, dass öffentliche Aufträge künftig vermehrt regional vergeben werden. In einer Krisenzeit ist es auch wichtig, den Zusam­menhalt innerhalb der Branche selbst zu stärken. Das hilft allen." (sta)

Michael Walter, Geschäftsführer der Jogerst Steintechnologie GmbH, Oberkirch: 
"In den Reigen der Sensationsver­breiter will ich mich nicht einreihen. Ich will den Kollegen vielmehr Mut zusprechen und ihnen meinen Respekt zollen. Sind es nicht wir Handwerker und alle begleitenden Gewerke, also vom Architekten bis zum Bauhelfer, die das Rad gerade am Laufen halten? Was geschieht, wenn der Installateur die Toilettenspülung nicht mehr repariert, der Bäcker nicht mehr zur Arbeit geht? Allen die noch draußen sind, von den Medizinern bis zur Kassiererin, gebührt der Dank und Respekt der ganzen Gesellschaft. Also sollten auch wir alle mit Stolz zu unserer Arbeit gehen. An den Platz, an den wir vom Leben gestellt wurden.
Ein Schlüsselerlebnis der letzten Woche will ich Ihnen aber auf den Weg mitgeben. Ich bekam einen Anruf von einer Ärztin des Kreisklinikums. Sie fragte mich, ob wir ihnen unsere Staubmasken geben könnten, sie hatten für das Personal keine Schutzmasken mehr. Das hat mich sehr getroffen. Aber auch hier können wir heute wieder ein Apfelbäumchen pflanzen. Über einen befreundeten Teehändler konnten wir am Samstagabend 1.000 der benötigten Schutzmasken in der Schutzklasse FFP 2 in China auftreiben. Sie sind schon auf dem Weg und werden als Spende an die Klinik gehen. Unseren Kunden habe ich ein persönliches Versprechen gegeben: Ich gehe erst von Bord, wenn man mich rausträgt. In diesem Sinne: Bleiben Sie aufmerksam." (hol)

Chiara Ongaro Pescioli, Geschäftsführerin der Ongaro Graniti SA, Cresciano/Tessin, Schweiz: 
"Aufgrund unserer Nähe zu Italien sind wir von der Krise besonders stark betroffen. Die nationalen und die noch einschneidenderen kantonalen Anti-Corona-Massnahmen führten dazu, dass wir unseren Steinverarbeitungsbetrieb vom 18. bis 31. März schließen mussten. Mit einer Sonderbewilligung und verringertem Personalbestand dürfen wir aktuell wieder arbeiten, selbstverständlich unter Einhaltung aller Sicherheits- und Hygienemaßnahmen.
Einige Kunden haben ihre Bestellungen storniert. Andere Kunden, die Objekte mit ausländischem Material begonnen hatten, inzwischen aber kein solches mehr erhalten, fragen nun nach unserem Tessiner Gneis ... Zum Glück mussten wir bisher keine Mitarbeiter entlassen; wir haben jedoch Kurzarbeit angemeldet. Zurzeit arbeiten wir reduziert, aber mit normaler Auslastung. Ob das so bleibt, hängt vor allem von der Dauer der Krise ab.
Führt die Corona-Krise dazu, dass bei uns künftig wieder vermehrt Tessiner Steine verwendet werden? Da sind wir skeptisch. Natürlich wäre es wichtig, wenn die Politik anerkennen würde, dass es unsere eigenen Steine braucht und diese im öffentlichen Bau wieder vermehrt eingesetzt werden sollten. Die Tessiner Steinindustrie besteht seit weit über 100 Jahren. Wir verfügen über hochwertiges Rohmaterial, Bearbeitungsmaschinen neuester Bauart, gut ausgebildetes Personal und viel Know-how. Das sollte auch die öffentliche Hand schätzen und honorieren. Leider wird sie sich aber wohl auch künftig wieder, wie so oft, für Importe aus Billiglohnländern entscheiden." (sta)

In Naturstein 5/2020 geben wir außerdem einen Überblick über die Auswirkungen der Coronakrise in Deutschland und die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung. Wie es Italien geht, schildert unsere Korrespondentin Alexandra Becker. Themenschwerpunkt der Mai-Ausgabe ist "Bauen mit Naturstein". Bis September verlängert wurde in London die derzeit geschlossene Ausstellung "The New Stone Age", die Naturstein als nachhaltiges und vielseitiges Baumaterial zelebriert. Verwirklicht wurde sie von Architekt Amin Taha, Ingenieur Steve Webb und Steinmetzmeister Pierre Bidaud. Die Wiederentdeckung von Naturstein als nachhaltiges Baumaterial in großem Stil ist sicher noch Zukunftsmusik, aber keine Utopie. Sie können das Heft in unserem Webshop versandkostenfrei bestellen: Naturstein 5/2020

(veröffentlicht am 5. Mai 2020)