Restauratoren sind keine Handwerker

Ist ein Restaurator ein Handwerker? Foto: D. Knacker

Handwerksbetriebe des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks müssen nach einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für ihre Angestellten Pflichtbeiträge zur Finanzierung einer Zusatzrente und der Berufsausbildung an die Zusatzversorgungskasse des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks (ZVK Steinmetz) zahlen. 

Der Weimarer Steinrestaurator Ilja Streit hat ein Fachhochschulstudium abgeschlossen und führt einen Betrieb. Die ZVK Steinmetz hatte Streit aufgefordert, anzugeben, welche Mitarbeiter er für welche Aufgaben beschäftigt. Für sie sollte er dann ggbfs. Beiträge zahlen. Streit legte Widerspruch ein, denn er führe keinen gewerblichen Betrieb, sondern übe einen freien Beruf aus. Dafür sei er durch eine akademische Ausbildung qualifiziert. Die ZVK Steinmetz hielt dagegen, dass sich auch Handwerksmeister auf anspruchsvolle Restaurierungsarbeiten spezialisieren können.

Handwerk oder künstlerisch-wissenschaftliche Arbeit?

Die Zusatzversorgungskasse scheiterte in der ersten Instanz, ging aber in Berufung. Streit habe im fraglichen Zeitraum ganz überwiegend Tätigkeiten abgerechnet, die dem Tarifvertrag für Steinmetze unterliegen. Das hessische Landgericht berief zur Urteilsfindung zwei Sachverständige ein: Professor Steffen Laue, Studiengangleiter für Konservierung und Restaurierung an der Fachhochschule Potsdam, und Steinmetz und Bauingenieur Benjamin Raatz aus Wiesbaden. Die beiden Gutachter prüften diverse Rechnungen des Steinrestaurators, kamen aber zu keiner einhelligen Meinung.

Schlussendlich bestätigte das hessische Landesgericht das vorinstanzliche Urteil: Ein Restaurator mit akademischer Ausbildung fällt mit seinem Betrieb nicht unter die Tarifverträge für das Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk. Demnach müsse er keine Auskünfte über das Gehalt seiner Beschäftigten geben und keine Beiträge an die ZVK Steinmetz abführen.
Der Restaurator unterhalte keinen Handwerksbetrieb, wenn seine Tätigkeiten durch eine wissenschaftlich-kunsthistorische Herangehensweise geprägt sind, so der Richter. Werkzeuge, die er verwende (z.B. Mikroskop, Schwamm und Pinsel) stellten keine Arbeitsmittel des Handwerks dar. (Urteil vom 10. Mai 2019, Az. 10 Sa 275/18 SK)
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

Weitere Artikel zu diesem Fall finden Sie bei der Thüringer Allgemeine: hier und hier

(veröffentlicht am 2. September 2019)
 

Autor/in: Melissa Gößling