Maßnahmen am Turm

Bei der Dokumentation setzt die Münsterbauhütte auf eine App, in der Daten zu Bauteilen, Maßnahmen, Schäden und vielem mehr hinterlegt werden. (Foto: Sebastian Hemmer)

Neben der Hauptbaustelle am Hauptturm wird die Fachleute der Ulmer Bauhütte in den nächsten Jahren der Nordturm des Münsters beschäftigen. Dort werden sie Schäden erfassen und dokumentieren. Dabei kommen u.a. Verfahren wie die Photogrammetrie zur Anwendung. Das Baugerüst steht bereits, beim Aufbau haben Luftaufnahmen einer Drohne geholfen. Für die Kartierung sammelte man Daten mittels einer zusammen mit der Universität Ulm entwickelten App. In der Anwendung werden Fotos, Pläne, Maße und andere Details zusammengeführt und bereits erfolgte Behandlungen und eingesetzte Mittel, Angaben zu Schadensbildern, Bauforschungsergebnisse sowie zahlreiche wei tere Informationen gespeichert. Sie werden in einer Datenbank hinterlegt, sodass sie jederzeit abrufbar sind. 

Die im Zuge der Kartierung ermittelten Schäden sowie Angaben über ihre Intensität dienen als Grundlage für die Ab- und Einleitung von Konservierungs- und Steinaustauschmaßnahmen. Dokumentiert und für die Nachwelt erhalten werden durch Witterungseinflüsse (Frost, Salzeintrag etc.), aber auch mechanische Krafteinwirkungen hervorgerufene Schäden. Nach Projektabschluss besteht die Möglichkeit, eine Zusammenstellung aller Arbeiten als PDF oder in gedruckter Form für das Archiv auszugeben.

Der Nordturm dürfte die Mitarbeiter der Münsterbauhütte rund zehn Jahre lang beschäftigen. Für Austauschmaßnahmen verwenden die Steinmetze und -bildhauer Originalmaterialien wie SCHÖNBUCHER SANDSTEIN (auch als Stubensandstein bekannt), aus dem der Turm im 19. Jahrhundert maßgeblich errichtet wurde. Das Substitut stammt aus einem Bruch in Waldenbuch, den die Lauster Steinbau reaktiviert hat (siehe Naturstein 6/2016 ab S. 18). Das Unternehmen liefert für das Münster auch LAUCHHEIMER SANDSTEIN, der ebenfalls aus einer wiederbelebten Abbaustätte stammt. Bis in die 1990er-Jahre hat man oft auf KIRCHHEIMER MUSCHELKALK zurückgegriffen. Wie in der Denkmalpflege heutzutage allgemein üblich, genießt auch in Ulm der Erhalt der bestehenden Substanz oberste Priorität. Ersetzt wird nur, wenn es nicht mehr anders geht.

Wird die Bauhütte Welterbe?
Mit Spannung erwarten die am Münster Beschäftigten die anstehende Entscheidung der UNESCO, ob die Münster- und Dombauhütten von Ulm, Freiburg, und Köln zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt werden. Die drei Einrichtungen stehen bereits seit 2018 auf der Liste des immateriellen Kulturerbes Deutschlands, was auf eine Initiative des im April verstorbenen Ulmer Münsterbaumeisters Michael Hilbert zurückgeht. Für ihn wird jetzt ein Nachfolger gesucht. 

(Veröffentlicht am 6. Oktober 2020)

Autor: Sebastian Hemmer