Halbzeit bei den Natursteinfassaden am Berliner Schloss

Fingerspitzengefühl ist erforderlich, wenn die Fachleute vom Bamberger Natursteinwerk vorgefertigte Sandsteinelemente für die Fenster in gemauerte Rücklagen einpassen. (Fotos: Sabine Meißner)

Das Berliner Schloss im derzeitigen Bauzustand. Links die Westfassade, rechts die Schlossplatzfassade mit Portal I.

Die Kuppel im Rohbau

Der Freitag, 13. November 2015, war ein Glückstag auf der Baustelle des Berliner Schlosses. Die Stiftung Berliner Schloss – Humboldt Forum öffnete die Tore für Vertreter der Medien, um den Baufortschritt an den historischen und zeitgenössischen Schlossfassaden zu präsentieren und in Bildern zu dokumentieren. Dabei erklärten Manfred Rettig, Vorstandsmitglied der Stiftung, und Florin Pronold, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium, vor Vertretern der Medien auf der "bedeutendsten Baustelle des Bundes",  dass der Bau des Schlosses im Zeit- und Kostenplan liege. Sowohl bei der Rekonstruktion der Fassaden als auch beim Spendenaufkommen könne man Halbzeit vermelden.

Nach den Plänen des italienischen Architekten Franco Stella werden die Nord-, West- und Südfassade des Schlosses mit den historischen Fassaden rekonstruiert und die Ostfassade in zeitgenössischer Form gestaltet. Die historischen Fassaden bestehen aus den Portalen und den Rücklagen, den Fronten mit den Schlossfenstern. Fünf Natursteinunternehmen sind mit ihrer Rekonstruktion beauftragt. Sie kommen aus verschiedenen Bundesländern und repräsentieren laut Karl-Heinrich Mohr, Leiter des Bereiches Hochbau, den Mittelstand des Gewerbes. Die Fertigung der Sandsteinelemente erfolge sowohl in traditioneller Handarbeit als auch in moderner Fertigung mit Hilfe von Robotern. Dabei wirken die Fränkischen Familienunternehmen Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser und Hofmann Naturstein GmbH aus Gamburg an der Außenfassade und bearbeiten in Arbeitsgemeinschaft die Portale I und V . Das Dresdener Unternehmen Schubert Steinmetz- und Steinbildhauer fertigt die Außenportale II und IV, die Firma Dreßler Bau, ebenfalls aus Dresden, das Portal III (Eosanderportal). Das Unternehmen F. X. Rauch mit Hauptsitz München ist vollständig mit der Schaffung des Schlüterhofes beauftragt. Die Aufträge für Rücklagenfassaden der Nordseite gingen ebenfalls an Firma F.X. Rauch sowie an das Bamberger Unternehmen für die Nord- und die Südfassade.

Die Rekonstruktion der historischen Fassaden auf der Baustelle am Schlossplatz sowie im Schlüterhof erfolgen seit Mitte Februar 2015. Es wurde in Aussicht gestellt, dass bei weiterem reibungslosen Ablauf ein großer Teil der rekonstruierten Fassaden zum Jahresende erkennbar sei. Ein Teil war am Tag der jüngsten Baustellenöffnung bereits zu sehen.

Für die Fassaden werden laut Mohr Natursteine aus der Region Bunzlau/Boleslawiec (Polen) und dem sächsischen Elbsandsteingebirge gewonnen, wobei die Varietäten Warthauer, Reinhardtsdorfer und Postaer Sandstein zum Einsatz kommen. Die Gesamtfläche der Fassaden einschließlich der Innenhöfe beträgt 55.000 m².

Insgesamt werden,  wie bereits beim ursprünglichen Schlossbau zu Beginn des 18. Jahrhunderts, etwa 9.000 Kubikmeter Sandstein als Rohmaterial in die zu rekonstruierenden Fassadenflächen eingebaut. Die Mauerwerkswand mit den eingebundenen Natursteinelementen ist als freitragende Fassade vor Stahlbetontragwerk, mit Rückverankerung zwischen Stahlbeton und Mauerwerk über Gelenkanker, konzipiert. Für das Mauerwerk seien massive Klinker gewählt worden, weil "die Sandsteinelemente eine hohe Last haben", erläuterte Rettig auf der Baustelle. Die Klinker werde man später verputzen. Die Zusammenarbeit von Maurerhandwerk mit Natursteinhandwerk bezeichnete Rettig als "hohe Herausforderung an die handwerkliche Kunst".

Fast 3.000 Bildhauerstücke werden die Schlossfassaden schmücken. Drei historische Außen- sowie die Fassaden im Schlüterhof ergeben insgesamt Rekonstruktionsfassaden auf 750 Meter Länge. 513 historische Fenster mit Sandsteingewänden, darunter prächtige Bukranionfenster, werden in die Fassaden eingepasst, von denen viele bereits eingesetzt worden sind.

Bis zum Frühjahr 2016 soll das Gebäude witterungsgeschützt fertiggestellt sein, im Mai dann mit dem Innenausbau und der technischen Gebäudeausrüstung begonnen werden. Bis zum Sommer 2018 soll das Berliner Schloss – Humboldt Forum baulich fertig gestellt sein, so dass anschließend die großen außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz in die beiden Obergeschosse einziehen können. Im ersten Obergeschoss wird von der Humboldt Universität zu Berlin ein "Humboldt-Labor" eingerichtet. Um den Schlüterhof herum werden sich in diesem Geschoss auch die Flächen für eine Ausstellung des Landes Berlin befinden. Der Plan für das Erdgeschoss sieht große Veranstaltungssäle und Begegnungsflächen, Restaurants, Bistros, Läden und Hofbereiche vor.

Das Bauvorhaben befindet sich laut Pronold im Kosten- und Terminplan. Die Gesamtkosten sind mit 590 Millionen Euro beziffert. Diese Summe teilt sich auf in 478 Millionen Euro, die der Bund aufbringt, und 32 Millionen, die das Land Berlin beisteuert. 80 Millionen Euro will der Förderverein als Spenden für die Rekonstruktion der Barockfassaden aufbringen. Hinzu kommen 25,5 Millionen aus Spenden für baulich wünschenswerte Optionen, wie der vollständigen historischen Rekonstruktion der Kuppel, für die Innenportale II, III und IV sowie für die Portaldurchgänge. Wie bei den Fassaden könne man auch bei den Spenden von Halbzeit sprechen, sagte Rettig. Von der erforderlichen Spendensumme in Höhe von insgesamt 105,5 Millionen Euro seien mehr als 50 Millionen durch den Förderverein Berliner Schloss bereits eingebracht worden.

Als besonderes Highlight hatten Rettig und Pronold gleich zu Beginn des Presserundgangs über ein geplantes Terrassenrestaurant auf dem Dach informiert. Der Haushaltsausschuss des Bundestages habe dafür fünf Millionen Euro bewilligt. Auf der Nordwestecke des Daches ist das Restaurant mit Platz für 200 Besucher plus 150 bis 200 Außenplätzen vorgesehen. Aus mehr als 30 Metern Höhe können die Besucher dann von oben auf "Berlins neue Mitte" schauen, womit man höher sei als im Dachrestaurant auf dem Reichstag.   

Informationen:
Das Berliner Schloss, seit dem 19. Jahrhundert auch Berliner Stadtschloss genannt, war das zentrale Bauwerk in der historischen Mitte Berlins. Das Residenzschloss der Hohenzollern wurde 1442 erbaut und später barock erweitert. Es gilt unter Kunsthistorikern als einer der bedeutendsten Barockbauten der Welt. Im Jahr 1950 beschloss die Regierung der DDR, das zum größten Teil ausgebrannte Gebäude zu sprengen. Unter Verwendung rekonstruierter Teile des alten Schlosses entsteht an dieser Stelle der Neubau.

Der Deutsche Bundestag verabschiedete 2002 ein Konzept für die inhaltliche Gestaltung der Mitte Berlins, unter anderem für die gemeinsame Nutzung von Museumsinsel und Schloss.

2007 beschloss die Bundesregierung, den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Kulturzentrum unter dem Namen “Humboldtforum” zu verwirklichen.

2008 gewann der Italiener Franco Stella den Architektenwettbewerb zum Wiederaufbau des Schlosses.

2009 wurde die „Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum“ gegründet, die als Bauherrin fungiert (Gemeinschaftsprojekt des Bundes und Landes Berlin).

Grundsteinlegung war im Juni 2013. Eröffnung soll im Jahr 2019 sein.

(18.11.2015)

Autor/in: Sabine Meißner