Gedanken zum Gestaltungswettbewerb Grabzeichen 2017

Grabzeichenwettbewerbsjury (v.l.): Steinbildhauermeister Jörg Failmetzger, Steinbildhauermeisterin Nahid El Masry, Künstlerin Beate Ludwig, Georg Eppler, stellv. GF Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal, und Kirchenrat Reinhart Lambert Auer.

Die Jury bei der Arbeit ...

Gedanken von Jörg Failmezger zum Gestaltungswettbewerb Grabzeichen. Der Wettbewerb wird jedes Jahr vom Landesinnungsverband Baden-Württemberg ausgelobt und wird am 21. Juli Thema auf dessen Jahrestagung am  in Lahr sein.

In der Ausgabe der Zeitschrift GEO vom Mai 2018 las ich einen Bericht über rätselhafte, sogenannte "Hirsch-Stelen", die Archäologen in der mongolischen Steppe entdeckten. Mehr als 100 dieser teils über drei Meter hohen Sandstein-Monolithe sind jeweils ca. 50 Gräbern zugeordnet. Ur-Nomaden, vor 3000 Jahren haben sie mit filigranen Hirsch-Reliefs gestaltet. Die Tiere sind so angeordnet, dass sie diagonal in abstrakter Komposition himmelwärts streben, bis zu einer gepunkteten Linie. Darüber sind ein großer und ein kleiner Kreis eingraviert, vermutlich Sonne und Mond.

Hirsche sind im asiatischen Kulturkreis bis heute heilige Tiere. Sie gelten als Mischwesen zwischen Tier und Pflanze; im Frühjahr werfen sie ihre Geweihe ab die im Laufe des Sommers wieder nachwachsen. Sie erinnern an die Äste eines Baumes. Sie blieben immer ein Teil der Wildnis und konnten nie domestiziert werden. Sie waren die besten Begleiter für die Seelen der Verstorbenen hinüber in eine andere Welt.

Diese Hirsch-Stelen waren keiner bestimmten Person zugeordnet.
Heute 3000 Jahre später liegen auch bei uns Gemeinschaftsgrabanlagen im Trend. Dieses Thema ist für uns Steingestaltern eine besondere Herausforderung, da Hinterbliebene als Impulsgeber weg fallen. Welche „Hirsche“ haben wir also zur Verfügung? Was für Bilder, Metaphern, haben wir im Kopf? Welche Bildhauersprache nutzen wir heute adäquat um die Seelen unserer Vorausgegangenen hinüber zu begleiten?

Die "Schamanen" mit der Geschäftsidee Friedwald gibt es schon. Auch die Verkaufsstrategen haben auf unseren Friedhöfen sich an diesen Orten bereits ihre Marktanteile gesichert.
Erfreulicherweise wurden schon viele hervorragende Gemeinschaftsgrabzeichen realisiert, auch zum Wettbewerb eingereicht und ausgezeichnet. In diesem Jahr konnten wir aus diesem Bereich keine Arbeit bewerten. Vielleicht im nächsten Jahr wieder, bleiben wir am Ball.

Das Gebiet der Ur-Nomaden vor über 3000 Jahren war so groß wie Deutschland, Frankreich und Spanien zusammen. Nichts zeugt mehr von der Existenz dieser Menschen, bis auf die Stelen welche sie hinterließen.

Unser Werkstoff ist hervorragend geeignet, Bleibendes zu schaffen. Es könnte sein, dass im Jahre 5018 "unser Deer-Stones" einsam aus dem Nebel einer vergangenen Kultur herausragen. Diese Überlegung ist vielleicht auch eine Motivation um heute ans Werk zu gehen.
"Chronos" und "Kairos" sind unsere Wegbegleiter und der Hintergrund für Visionen in unserer komplexen Welt. Wir haben heute die Freiheit, im Gegensatz zu den Ur-Nomaden, innovativ vorzugehen und Veränderungen zu schaffen. Unsere handwerkliche Kompetenz erlaubt uns intuitiv zu gestalten.

Wo sind heute unsere Inspirationsquellen für Bilder als Metapher? Entstehen sie im Dialog mit dem Stein? Im Dialog mit den Menschen, mit unserer Literatur, mit der Bibel, der Musik, der Natur? Zuhören ist hier das wichtigste.

Einen Gedanken von Fritz Wotruba möchte ich zitieren: "Ich glaube noch an andere Mächte als an den Intellekt. Und so vertraue ich mehr der Empfindsamkeit, dem Instinkt und auf die immer geheimnisvollen, sinnlichen Kräfte der Natur. Sie sind es, die das Schöpferische im Menschen in Bewegung bringen."

Jörg Failmezger

(22.6.2018)

Autor/in: Jörg Failmezger