Friedhöfe richtig fördern

Besucher der Informationsveranstaltung in Offenburg (Fotos: Susanne Storath)

Egon Meffle, Obermeister der Innung Ortenau

Friedolf Fehr, Präsident des Vereins zur Förderung des Bildhauer- und Steinmetzhandwerks

Michael Walter, stellv. Obermeister der Innung Ortenau und Vorstandsmitglied des VDNV

Herbert Schneider, Leiter der Friedhofsverwaltung Lahr

Tobias Pehle, Sprecher des VDNV

Andreas Morgenroth, Natursachverständiger und Friedhofsberater

Friedhofsangebote müssen auf die Bedürfnisse der Hinterbliebenen eingehen, lautet das Fazit einer Informationsveranstaltung zum Wandel in der Bestattungskultur am 11. März in Offenburg. Eingeladen hatte die Bildhauer- und Steinmetz-Innung Ortenau.
 
Gibt es für unsere Friedhöfe eine Zukunft? Eine Antwort auf diese Frage finden wollte die Bildhauer- und Steinmetz-Innung Ortenau Anfang März in der historischen Reithalle in Offenburg. Rund 160 Gäste informierten sich in Vorträgen von Friedhofsverwaltern, Steinmetzen sowie anderen für den Friedhof Tätigen und profitierten von den Diskussionen.

"Immer mehr Menschen wählen Bestattungsformen außerhalb der Friedhöfe. Der Gesetzgeber unterstützt diese Strömungen beispielsweise, indem er immer mehr Urnenwälder genehmigt und wie zuletzt in Bremen geschehen, sogar unter bestimmten Voraussetzungen das Verstreuen der Totenasche außerhalb des Friedhofs ermöglicht", so Veranstaltungsorganisator Egon Meffle, Obermeister der Bildhauer- und Steinmetz-Innung Ortenau. Diese Genehmigungen würden z.T. erteilt, ohne die Folgen für die Umwelt, die am Friedhof tätigen Gewerke und die Kommunen ausreichend zu prüfen.

Um alle in der Region Verantwortlichen für diese Thematik zu sensibilisieren, habe man die Veranstaltung organisiert, so der Steinmetzmeister. Anwesend waren u.a. Bürgermeister, Orts-vorsteher, Friedhofsverwalter, Bestatter, Stadt- und Gemeinderäte, Vertreter der Kirche sowie der FriedWald GmbH und des Fördervereins zur Erhaltung des Steinmetz- und Bildhauerhandwerks. Meffle schilderte die Veränderungen in der Bestattungskultur aus eigener Erfahrung: "1966, am Anfang meiner Tätigkeit als Steinmetz in Schutterwald, haben einfache Reihengräber noch nichts gekostet, und von den Krankenkassen gab es noch 4.000 DM Zuschuss zu den Bestattungskosten. Als in den 60er Jahren die erste Urne auf dem örtlichen Friedhof bestattet werden sollte, wusste man dort gar nicht, wohin damit!" In diesem Zusammenhang stellte der Obermeister die Frage, wie wohl unsere Friedhöfe heute aussehen würden, wenn es zumindest noch das kostenlose Reihengrab gäbe. Die Schweiz hätte hier ein Modell, dass jedem Steuerzahler eine Basisbestattung ohne Gebühren zusichere. Dass heute wie in Offenburg z.T. 90 % Kostendeckung von Friedhöfen gefordert würden, während Fußball oder Theater finanzielle Förderungen erhielten, sieht Meffle als trauriges Indiz dafür, welchen Stellenwert man den traditionellen Begräbnisstätten beimisst.
 
Marketing für ein gutes Produkt
Herbert Schneider ist davon überzeugt, dass Friedhöfe den Hinterbliebenen im Vergleich zu anderen Bestattungsplätzen einen Mehrwert bieten können. Den gelte es, der breiten Öffentlichkeit deutlich zu machen: "Wir haben schon ein gutes Produkt, jetzt fehlt nur noch das entsprechende Marketing!" Der gelernte Gärtnermeister und Leiter der Friedhofsverwaltung in Lahr glaubt, dass Friedhöfe eine Zukunft haben, wenn "alle daran arbeiten, einen Friedhof zu schaffen, der auf die Bedürfnisse der Hinterbliebenen eingeht." Dazu müssten die am Friedhof tätigen Gewerke und Verantwortlichen noch mehr kooperieren. Insbesondere seien neue Gebührensatzungen nötig bzw. müssten die Gebühren gesenkt werden. Er plädierte dafür, die bisherigen Flächenrechenmodelle nach dem Motto "Kleines Grab, kleiner Preis, großes Grab, hoher Preis" ad acta zu legen und für jede Grabgröße die gleiche Pauschale zugrunde zu legen, die sich auf allgemeine Friedhofsleistungen wie sanitäre Anlagen, Wegenutzung etc. bezieht. Außerdem verbiete einem niemand, die Gebühren für Gräber zulasten der Gebühren für Urnenwände oder Baumbestattungen zu senken. Schneider empfiehlt außerdem kleineren Kommunen, sich zusammenzuschließen und einen Vollzeit-Friedhofsverwalter einzustellen. Viele würden unterschätzen, wie wichtig ein gut aus- und fortgebildeter Koordinator als Ansprechpartner für alle Gewerke und Friedhofsnutzer sei.
 
Besser aufklären
Auch Friedolf Fehr, Präsident des Fördervereins zur Erhaltung des Steinmetz- und Bildhauerhandwerks, sieht bei der Bevölkerung noch Aufklärungsbedarf über das, was Friedhöfe leisten können. Er sträubt sich allerdings dagegen, letztere als "einzig wahre Lösung" zu bezeichnen. Andere Bestattungsmöglichkeiten hätten auch ihre Berechtigung. "Um die für sich richtige Entscheidung zu treffen, muss ein Hinterbliebener über Vor- und Nachteile aller Angebote Bescheid wissen", so Fehr. Deshalb bräuchte man deutlich mehr solcher Infoveranstaltungen wie in Offenburg, die sein Verein als Fortbildung für junge Steinmetze und Bildhauer fördere.

Eine Lanze für den Friedhof als kulturstiftende Erinnerungs- und Gedenkstätte brach Tobias Pehle in seinem Vortrag. Der Sprecher des Verbands deutscher Naturstein Verarbeiter (VDNV) betonte, dass die Ehrung der Ahnen und somit der Menschen, die ein Land geprägt haben, eine tragende Säule der Gesellschaft bleiben müsse.
 
Friedhofsverwalter sensibilisieren
Auf den Friedhof als "Geschichtsbuch einer Stadt" ging auch der stellv. Obermeister der Innung Ortenau, Michael Walter, ein. Er berichtete darüber
hinaus, dass er in seinem Wohnort Oberkirch bereits Urnenwände verhindern konnte, indem er selbst Alternativkonzepte erarbeitet und bei den Entscheidungsträgern vorgestellt habe. Bei der Überzeugungsarbeit geholfen hätten die Informationen aus der Argumentationsmappe der Firma Strassacker. In Bezug auf ein von der Badischen Friedhofsgärtner Genossenschaft betreutes Grabfeld auf dem Friedhof in Oberkirch forderte der Steinmetz die Gemeinden auf, in Zukunft achtsamer zu sein. Die Friedhofsgärtner hätten hier versucht, die Friedhofssatzung "auszuhebeln", indem sie ohne Genehmigung Grabzeichen aufgestellt hätten – mit der Begründung, dass es sich dabei "ja nur um dekorative Elemente" handele. "Darüber hinaus haben sie den Hinterbliebenen Größen für die Grabsteine vorgeschrieben", so Walter.
 
Baumgräber zu Dumpingpreisen
Er appellierte außerdem an die Friedhofsverwalter, nicht plötzlich auf den Trend zu Baumbestattungen aufzuspringen und diese dann auf dem Friedhof zu Dumpingpreisen anzubieten. Sein Steinmetzkollege Hans-Peter Melchisedech aus Trier hatte berichtet, dass in seiner Stadt 2014 mehr als die Hälfte aller Urnenbestattungen in Baumgräbern vorgenommen wurden, die inklusive Pflege für 20 Jahre und Namensnennung auf einer Gemeinschaftssteinstele für rund 500 € angeboten werden. Die Abwanderung vom Friedhof zu anderen Bestattungsorten "in den Griff zu bekommen" sieht Walter ebenfalls als Gemeinschaftsaufgabe aller Gewerke und anderweitig am Friedhof Beteiligten. Selbst die Bestatter seien sich mittlerweile bewusst, dass die Betreiber von Urnenwäldern Bestattungsleistungen bald selbst anbieten könnten und Bestatter somit nicht mehr brauchen würden. Im Hinblick auf die große An¬zahl an Vorsorgeverträgen, die bereits für Bestattungswälder abgeschlossen wurden, sei dies eine ernst zu nehmende Gefahr.
 
Friedhofszwang wieder eingeführt
Davon, dass der Friedhofszwang früher oder später fallen wird, ist Herbert Schneider überzeugt. Er habe aber keine Angst davor, denn: "Wir müssen unser Produkt nur so attraktiv machen, dass die Leute auf den Friedhof wollen – nicht müssen!" Interessant war in diesem Zusammenhang die Information eines Veranstaltungsteilnehmers aus Frankreich. Hier habe man vor einiger Zeit die Friedhofspflicht wieder eingeführt, nachdem es "zu viele Streitereien gab, wer aus der Familie die Urne mit nach Hause nehmen darf."

Zum Abschluss referierte der Natursachverständige Andreas Morgenroth über Umweltbeeinträchtigungen, die durch die Bewirtschaftung von Urnenwäldern entstehen können.

"Wir hoffen, dass diese Veranstaltung gezeigt hat, dass wir Steinmetze durchaus kompetente Berater in Sachen Friedhofsentwicklung sein können", so Michael Walter und Egon Meffle. Für das nächste Mal wünschen sie sich noch mehr Organisationsunterstützung seitens der Kommunen.

(2.6.2015)

Autorin: Susanne Storath