Ein Lebenszeichen für das Holzbildhauerhandwerk

Vernissage des Europäischen Gestaltungswettbewerbs der Holzbildhauer 2019

Beim diesjährigen Europäischen Gestaltungswettbewerb der Holzbildhauer drücken sich 27 Künstler zum Thema "Lebenszeichen" in Holz aus. Gleichzeitig ist der Wettbewerb ein wichtiges Plädoyer für den Beruf des Holzbildhauers. Denn dieser Beruf ist durchaus lebendig.

Zu der Frage "Was genau ist ein Lebenszeichen?" gibt es im Wettbewerb mindestens 27 verschiedene Antworten. Beim genauen Betrachten finden sich unzählige mehr. Die Skulptur "Transformation" von Sabine Rauber überbringt eine von vielen Botschaften. Ein schlanker Frauenkörper aus dem Holz eines Maulbeerbaums geschnitzt ist hauchfein mit Brüsseler Spitze bedeckt. Wie ein Befreiungsakt wirkt die Geste der Figur, die den zarten Stoff über ihrer Brust zerreißt und entschlossen abstreift wie eine Schlange bei der Häutung. Alte Strukturen durch neue ersetzen, das heißt bei Sabine Rauber: "Ich lebe, ich bin lebendig." Ein weiteres Beispiel ist der erhobene Zeigefinger von Barbara Uebel, eine archetypische Geste, die fast keiner weiteren Erklärung bedarf.

Der Jury dürfte es nicht leicht gefallen sein, aus den Arbeiten der Künstler und Künstlerinnen (mehr als 50 Prozent der Teilnehmer sind Frauen) aus Deutschland, Österreich und Frankreich zwei Gewinner herauszudeuten. Um Leben, Schmerz, Tod und Wiedergeburt geht es Preisträger Danny Reinhold aus Lichtenstein. Aufwändig zerlegte er einen Eichenholzstamm, bis er durchlässig wurde wie eine Zellmembran. Michael Tolloy schuf eine Figur, in der er das Material Holz so bearbeitete, dass sie mit ihrer Bronze-Optik verblüfft. Er erhielt dafür den Anerkennungspreis des Kunstwettbewerbs. Die Künstlerin Mareike Lemke macht Holz wieder zu Papier. Mit der Darstellung eines hauchdünnen geöffneten Briefs appelliert sie an uns alle: "Vergesst das Briefeschreiben nicht!" Für ihre Arbeit erhielt sie den Ruth-Leibnitz-Preis, der ebenfalls im Rahmen des Europäischen Gestaltungspreises verliehen wird.

Aber nicht nur die Kunstwerke und ihre Botschaften wollen gesehen werden. "Das Motto "Lebenszeichen" haben wir aus gutem Grund gewählt", so Holzbildhauer und Vorstand der Landesinnung der Holzbildhauer in Baden-Württemberg, Rudi Bannwarth. "Wir Holzbildhauer wollen ein Lebenszeichen in der öffentlichen Wahrnehmung setzen." So sollen vor allem Jugendliche darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Verbindung von Handwerk und Kunst im Holzbildhauerberuf durchaus attraktiv ist. Vor rund zehn Jahren wurde in Freiburg das bundesweit einzige Berufskolleg "Holzdesign und Holzbildhauerei" eingerichtet. Die Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule bietet kreativen Schülerinnen und Schülern mit einem mittleren Bildungsabschluss gleich drei Qualifikationen: Es verbindet die handwerkliche Tradition der Holzbildhauerei mit den Anforderungen des modernen Holzdesigns und kombiniert die fachliche Ausbildung mit allgemeinbildendem Unterricht. "Der Beruf des Holzbildhauers hat eine mehr als achttausendjährige Tradition", sagt Landesinnungsmeister Martin Schonhardt im Rahmen der Preisverleihung in den Ausstellungsräumen im Regierungspräsidium Karlsruhe. "So groß die Bandbreite an Kunstwerken und so mannigfaltig die Interpretationen des Kunstwettbewerbs sind, gemeinsam haben sie alle eine Absicht: Sie geben dem Beruf des Holzbildhauers Zukunft." 

(Veröffentlicht am 29. Mai 2019)

Autor/in: Ariane Lindemann