Ein besonderer Urnenhain

Beeindruckend ist eine Sandstein-Skulptur einer trauernden Frau, die ihre Hand auf die Urne ihres geliebten Verstorbenen legt. (Foto: Reiner Flassig)

Der Urnenhain Tolkewitz is ein Ergebnis der Friedhofsreformbewegung, die im späten 19. Jahrhundert als Antwort auf die damals beschleunigte Industrialisierung und Verstädterung entstand. Die Bewegung wandte sich gegen die entstandenen “Steinwüsten” mit ihren uniformen und industriell standardisierten Grabmalen. Im Kontrast dazu wünschte sie sich Friedhöfe als historisches, künstlerisches, ökologisches und landschaftsgestaltendes Gesamt-Kulturdenkmal. Der Friedhof in Tolkewitz ist ein Besispiel dafür.

Urnen als gestalterisches Motiv
Urnenbestattungen gibt es im Urnenhain seit 1911, dem Jahr, in dem dort ein Krematorium errichtet worden war – eine Ausnahme in dieser Zeit, in der kirchliche Friedhöfe Urnenbeisetzungen ablehnten. Das Krematorium und das davor befindliche Wasserbecken am Ende einer Allee von Bäumen beherrschen den Zugang in die Friedhofsanlage. Das Krematorium selbst lehnt sich gestalterisch an das Grab von Theodorich in Ravenna an. Unmittelbar an das Krematorium schließt sich ein Urnenhof in der Form eines Kreuzgangs an, in dessen Nischen Urnen stehen. In der Mitte des Urnenhofs befindet sich der “Tränenbrunnen”.

Heute wird in dem historischen Krematorium lediglich die im Jugendstil gestaltete Einsegnungshalle genutzt. Seit 2005 gibt es ein neues Krematorium in unmittelbarer Nähe des historischen Gebäudes. Im Urnenhain finden sich zahlreiche kulturhistorische Grabmale mit unterschiedlich geformten Urnen. Deren Gestalter wendeten Stilmittel der Neoklassik, Neurenaissance, Neuen Sachlichkeit und des Neuen Bauens an. Die Urnen bestehen zumeist aus ELBSANDSTEIN oder aus poliertem ZÖBLITZER SERPENTIN, aber auch aus Bronze oder anderen Metallen. In die Sichtflächen wurden teilweise Namen und Daten der Verstorbenen eingeschlagen. Sie sind häufig reich profiliert und oft mit dekorativ gefalteten Tuchmotiven oder Mäandern verziert. Beeindruckend ist eine Sandstein-Skulptur einer trauernden Frau, die ihre Hand auf die Urne ihres geliebten Verstorbenen legt. Urnen wurden z.B. in der Mitte vereinzelter Monopteren (Rundtempeln) aufgestellt. Sie befinden sich ferner in Nischen einzelner Grabsteine, bekrönen sie häufig oder sind in Kolumbarien aufgestellt. Es gibt vereinzelt große Grabsteine in Urnenform aus Naturstein und selten aus Kunststein. 

Mehr zum Urnenhain lesen Sie in Naturstein 11/2022.

(Veröffentlicht am 11. November 2022)

Autor/in: Reiner Flassig