Der Steinprogrammierer

Gestalter von Grabmalen und virtuellem Gedenken: der Kölner Steinnmetz Andreas Rosenkranz (Foto: A. Rosenkranz/gedenken-gestalten.de)

Als 2012 auf einem Friedhof in Bergisch-Gladbach der deutschlandweit erste Grabstein mit eingestrahltem QR-Code und Verknüpfung zum Wikipedia-Eintrag des Verstorbenen aufgestellt wurde, schlug das Wellen. Die Reaktionen auf das Werk aus der Werkstatt des Kölner Steinmetzen Andreas Rosenkranz waren sehr unterschiedlich. Die einen fanden das Ganze geschmacklos, äußerten moralische Bedenken oder sorgten sich gar um die christlich-abendländische Friedhofs- und Trauerkultur. Friedhofsträger kündigten an, "smarte" Ruhestätten auf ihren Gottesäckern zu verbieten, beim Kölner Friedhofsamt war man der Auffassung, dass die Benutzung von Handys auf Friedhöfen oder gar das Abspielen von Musik, die über QR-Codes geladen wird, gegen die Totenruhe verstößt. Auf der anderen Seite gab es viele positive Reaktionen. In der Bevölkerung und in den Medien wurde breit und kontrovers diskutiert. Die Wogen haben sich geglättet. Das Thema sorgt kaum noch für Aufregung. Rechtlich spricht nichts gegen QR-Codes auf Grabsteinen. Der Deutsche Städtetag hat bereits Ende 2013 eine Handlungsempfehlung herausgegeben, in der es heißt: "Grundsätzlich ist gegen die gestalterische Einbindung des QR-Codes in die Grabanlage bzw. das Grabmal kein Verbot durch die Friedhofsverwaltung möglich, da dieser in seinem Aussehen als eigenständiges oder verbindendes Element der Grabmalgestaltung gesehen werden kann."

6.000 Zugriffe
Ein Massenphänomen sind QR-Codes auf Friedhöfen bisher nicht. Laut Andreas Rosenkranz zieht die Nachfrage aber kontinuierlich an, zumindest bei ihm. Der 57-Jährige hat bis heute knapp hundert Steine mittels Sandstrahlverfahren mit QR-Codes versehen bzw. bestehende Ruhestätten mit Komponenten nachgerüstet, die eine Verbindung mit dem WWW ermöglichen. Er ist überzeugt, dass sich die Verknüpfung von realem Bestattungsort und virtuellen Angeboten weiter verbreiten und gerade für Millenials sowie danach kommende Generationen völlig normal sein wird. Schon jetzt gebe es 2.0- Gräber, die auf recht rege Resonanz stoßen. Allein im Februar hat der Bildhauer fast 6.000 Zugriffe auf die Inhalte verzeichnet, die über einen von ihm erstellten Code auf dem Grab der 2020 verstorbenen Kölner Mundart-Sängerin Marie-Luise Nikuta abrufbar sind, das sich seit Ende November auf dem Kölner Melatenfriedhof befindet. Er spricht von "zeitgemäßem Gedenken" und sieht in diesem Zusammenhang Chancen für Steinmetze, die bereit sind, nicht nur Grabmale, sondern auch digitales Andenken zu gestalten und zu verwalten. 

Mehr Beispiele und Informationen zu den "smarten" Grabsteinen finden Sie in Naturstein 04/2021. 

(Veröffentlicht am 9. April 2021)

Autor: Sebastian Hemmer