Der Fröhliche Friedhof

Friedhofsgelände (Commons: Avramescu Marius)

Dieses Grabkreuz steht unter Denkmalschutz. (Commons: Munteanu Anca)

Grabkreuze mit bildlichen Darstellungen (Commons: Stefanmolnus)

Tatsächlich fröhlich geht es auf dem Friedhof im rumänischen Dorf Sâpânta zu. Auf den Gräbern erzählen bunte, geschnitzte Holzkreuze die Lebensgeschichte der Verstorbenen in Form von Bildern und Texten nach, teilweise ziemlich ironisch. 

Einer Legende zufolge wurden einst zwei Franzosen über den Friedhof in Sâpânta geführt. Als sie nach dem Übersetzen einiger Grabinschriften von Lachkrämpfen geschüttelt wurden, tauften die Dorfbewohner die bunte Ruhestätte im Dorf auf den Namen »Fröhlicher Friedhof«. 800 bis 900 Kreuze mit Grabschriften, Bildwerken und Symbolen erinnern an die Toten des unweit der Ukraine gelegenen rumänischen Dorfs.

Auf die Idee, das Leben der Verstorbenen naiv bzw. trivial zu erzählen, kam 1935 der orthodox-gläubige Holzbildhauer Stan Ioan Patras. Nach seinem Tod setzt sie bis heute sein Nachfolger Dumitru Pop fort. Wie sein Vorgänger unterhält und erfreut er die Nachwelt mit fröhlichen bis sarkastischen Erinnerungen. Jedes Kreuz ist eine kleine kunsthandwerkliche Darstellung, dominiert von der Farbe Blau. Die Holzkreuze sind von Spitzverdachungen bekrönt, wie man sie aus Bayern kennt. Auch sie zieren Malereien und Verse. Auf den Vorder- und Rückseiten der Kreuze sind Bilder eingeschnitzt und Texte eingraviert.

Wie im echten Leben
Bildhauer Pop stellt dabei in liebevoller Ironie die Schwächen und Laster des jeweiligen Verstorbenen vor. Er kennt jeden Einwohner und seine Lebensgeschichte, jede Frau, die ihren Mann betrogen hat und umgekehrt, und er weiß, wer zu viel rauchte und trank und deshalb sein bzw. ihr vorzeitiges Ende auf dem Friedhof fand. Manchmal gibt er das Dorfleben auch versteckt wieder. So sieht man beispielsweise eine Bäuerin auf der Vorderseite eines Kreuzes fleißig arbeiten und auf der Rückseite schöne Männer lieben. Oder einen Müller, der auf der Vorderseite hart arbeitet und auf der Rückseite im Wirtshaus sitzt. Diese geschickt widergegebenen Szenen spiegeln und entlarven charmant die Doppelbödigkeiten des dörflichen Lebens. 

Vom Los des Schwiegersohns
Manche Geschichte könnte makaber erscheinen, aber wer hat nicht schon mal über seine Schwiegermutter gestöhnt. So erzählt ein Text von einer Schwiegermutter, die ihren Schwiegersohn so lange geärgert hatte, dass dieser öffentlich zum Besten gab, dass er, hätte sie nur drei Tage länger gelebt, statt seiner Schwiegermutter in diesem Grabe liegen müsste. Pop verwendet in seinen Darstellungen auch wichtige Lebensweisheiten, z.B., dass das Leben nicht nur fröhlich oder nur traurig ist.

Ohne diesen Friedhof wäre das Dorf Sâpânta unbekannt geblieben. Zahlreiche Grabkreuze wurden inzwischen in die Liste der rumänischen Denkmalschutzbehörde eingetragen. 
Heute wird der »Fröhliche Friedhof« häufig durch Reisebusse angefahren. Die Touristen genießen dann die Darstellungen von Personen wie Bauer, Bäuerin, Schafhirt, Schreiner oder Geistlicher sowie die Szenen aus dem Alltagsleben. Danach bieten dörfliche Souvenir-Verkäufer den Besuchern ihre Waren an. Der Friedhof wurde in zahlreichen überregionalen Zeitungen und sogar in einem Fernsehfilm gerühmt. Am Friedhofseingang steht mittlerweile ein Kassenhäuschen – nur Trauergästen wird kostenfrei Eintritt gewährt. Für alle anderen kostet der Zutritt umgerechnet 1,10 € pro Person, zzgl. 1,10 € für die Freigabe zum Fotografieren.

(27.10.2021)

Autor/in: Reiner Flassig