Der Friedhof ist tot - es lebe der Friedhof!

Neue, parkartig gestaltete Anlage "Am Blumenband" auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg (Foto: Foto: Hamburger Friedhöfe)

Um die Zukunft des örtlichen Friedhofs als Bestattungs- und Trauerort ging es bei der vierten Fachtagung "Zukunft der Friedhöfe" am Institut für Weiterbildung an der Hochschule Geisenheim. Ein Umdenken von Verwaltern, Planern, Bestattern, Gärtnern und Steinmetzen erscheint dringend notwendig. Die Probleme sind bekannt: Die Akzeptanz des örtlichen Friedhofs schwindet in weiten Teilen der Bevölkerung. Die Freiflächen nehmen überhand und die Einnahmen der Träger sinken kontinuierlich. Der Friedhof gilt bei vielen Menschen heute als ein Ort der Verbote, der Regeln und der hohen Kosten. Die allgemeine Akzeptanz wird stetig geringer und sein Image als ein "Bestattungsort von gestern" bedarf dringend einer Korrektur. Aber wie?

Kunden-, Bedarfs- und Nutzenanalysen in Hamburg
Vor allem brauche es, so Anja Wiebke, Leiterin des Referats Marketing und Vertrieb beim Unternehmen Hamburger Friedhöfe AöR, eine marktorientierte Kunden-, Bedarfs- und Nutzenanalyse sowie ein klares, offensives und aussagekräftiges Kommunikationskonzept. Seit 2015 arbeitet Wiebke – gemeinsam mit der Behörde für Umwelt und Energie – an einer Strategie mit dem Ziel, den Ohlsdorfer Friedhof als attraktiven Bestattungsort, Kultur- und Gartendenkmal zu bewahren und weiterzuent wickeln. Die Aufgabe ist eindeutig formuliert: "Es gilt Modelle für eine angepasste, nachhaltige Entwicklung und Pflege des Friedhofs zu erarbeiten, die dauerhafte Finanzierbarkeit zu sichern und zielgerichtete Investitionen in einen nachhaltigen Entwicklungsprozess zu lenken." Bei diesem Prozess stehen, so Anja Wiebke, neben wirtschaftlichen, umweltrelevanten und denkmalpflegerischen Zielen ein klares, kunden- und nutzerorientiertes Angebot an Bestattungs-, Gedenk- und Trauermöglichkeiten im Mittelpunkt. Erste Workshops mit interessierten Bürgern machten dabei deutlich, dass bei vielen Menschen – jedenfalls in Hamburg – landschaftsbezogene, mit Grabzeichen versehene Ruhestätten ohne Grabfeldgliederung weit vorne auf der Wunsch liste stehen. Der Wunsch nach einer anonymen Bestattung spiele dagegen, so Wiebke, nur noch eine nachgeordnete Rolle. Finanzielle Unterstützung erfährt das Projekt in Hamburg vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit. Im Rahmen des "Bundesprogramms Nationale Projekte des Städtebaus" fördert das Ministerium die "nachhaltige Sicherung und Entwicklung des Friedhofs als bedeutende denkmalgeschützte Friedhofs- und Gartenanlage". Bis 2018 stellt das Ministerium 2 Mio. € zur Verfügung. Die Stadt Hamburg beteiligt sich mit einer weiteren Million € an dem Projekt.

Bürgerwünsche ernst nehmen
Die Millionen-Metropole Hamburg und eine umfangreiche staatliche Förderung für den weltgrößten Parkfriedhof sind eine Ausgangslage, die Kleinstadt Marktheidenfeld im unterfränkischen Landkreis Main-Spessart mit ihren in verschiedenen Stadtteilen gelegen Friedhöfen eine andere. Die Probleme sind jedoch die gleichen: eine hohe Nachfrage nach eher preiswerten oder unkonventionellen Bestattungsmöglichkeiten einerseits und große ungenutzte Flächen in den herkömmlichen Grabfeldern andererseits. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, bietet die Gemeinde seit Mai 2016 auf einem ihrer Friedhöfe ein neu gestaltetes Grabfeld mit besonderen Grabpflegemodellen und verschiedenen, bisher auf den städtischen Friedhöfen nicht üblichen Bestattungsmöglichkeiten. Für die Erste Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder steht dabei die nachfrageorientierte Vielfalt des Angebots im Vordergrund: Gräber mit Kissensteinen, Kavernengräber sowie Wahl-, Gemeinschafts-und Baumgräber. Die Stadt Marktheidenfeld eröffnet nach Ansicht der Bürgermeisterin mit dieser Anlage ihren Bürgern die Möglichkeit, neue Bestattungsformen auch auf den städtischen Friedhöfen zu nutzen. Die Kommune erfüllt für Schmidt-Neder mit diesen Angeboten die stetig steigende Nachfrage vieler Hinterbliebenen. Sechs Urnenplätze in der neuen Anlage seien schon vor Eröffnung verkauft gewesen. Der Bereich der Baumbestattungen sei bereits knapp einem Jahr nach der Inbetriebnahme ausgebucht.

Friedhof "macht Spaß"
Für Bernhard Wember, Mitarbeiter der Friedhöfe Mannheim, schaffen Friedhöfe vor allem in großstädischen Ballungsräumen eine ganz eigene Lebensqualität. Sie stellen für ihn einen wichtigen innerstädtischen Raum dar, in dem Leben stattfindet und aktiv betrieben werden kann und muss. Wie dieses "Leben auf dem Friedhof" aussehen kann, demonstriert die Stadt Mannheim mit einer ganzen Reihe von Initiativen. Das Angebotsspektrum reicht von einem an Werktagen kostenlos zur Verfügung stehenden Friedhofsmobil – ein Elektrofahrzeug, mit dem Besucher umweltfreundlich und lautlos zur Grabstelle gebracht und auf Handyruf dort wieder abgeholt werden – über ein gemeinsam mit dem katholischen Stadtdekanat organisiertes "Trauercafé" bis hin zu "art-Gottesdiensten", die Kunst und Leben inmitten der Gräber verbinden und vor allem "Spaß machen" sollen.

Handeln, nicht nur reden Und die Gewerke?
In einem kritischen Dialog und in einem bundesweit agierenden Netzwerk aller am Friedhof tätigen Berufsgruppen – den kommunalen und kirchlichen Verwaltern, den Bestattern, den Gärtnern und den Steinmetzen – sieht die Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Steinmetze (BIV) Sybille Trawinski einen ersten, wichtigen Schritt. Neben "schönen Worten" sollte dieses "kundennah agierende Netzwerk" allerdings zeitnah auch gemeinsame Taten sichtbar machen. Für Trawinski ist die Zeit des "erhobenen Zeigefingers" am Friedhof endgültig vorbei. "Verbraucher handeln heute vorwiegend nutzen- und kostenorientiert", so die BIV-Geschäftsführerin. "Menschen kaufen Produkte, die sie überzeugen mit ihrer Leistung und mit ihrem Preis." Darauf sollten die am Friedhof agierenden Gewerke mit entsprechenden Angeboten reagieren. Wie notwendig dieser kritische Dialog ist, zeigten abschließend die "Verkaufspräsentationen" von Andreas Mäsing, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der deutschen Friedhofskultur und Franziska Menth, Geschäftsführerin bei der Gesellschaft deutscher Friedhofsgärtner. In den von ihnen angepriesenen Kommunikationsmitteln – Filmen, Postern, Plakaten oder Postkarten –, die mit schönen Fotos, einer vordergründig in Erinnerung schwelgenden Geschichte und ergreifender Dramatik den Friedhof in ein positives Licht rücken wollen, steht nicht nur die "kitschig-heile" Friedhofswelt von gestern im Vordergrund, die auch kaum die von Sybille Trawinski und den anderen Referenten angesprochenen und aufgezeigten Bedürfnisse von Kunden und Hinterbliebenen reflektiert. Das Fazit der Tagung ist so einfach wie eindeutig: Der Friedhof kann auch in Zukunft ein attraktiver Ort der Trauer und des Gedenkens sein. Klar ist aber auch: Er wird und kann nicht bleiben, wie er einmal war.

(9.5.2017)

Autor/in: Willy Hafner