Der beste Ort für die Trauer ist ein Grab, an dem sie sichtbar werden darf

Trauerrituale sind für viele Menschen tröstliche, heilsame Wiederholungshandlungen. Sie reduzieren Ängste und geben Stabilität in einer neuen Realität. (Foto: Raum für Trauer)

Menschen verarbeiten ihre Trauer unterschiedlich. Viele aber benötigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge dafür das Grab von Verstorbenen, und zwar den genauen Beisetzungsort. Dabei gilt es, zu unterscheiden. Die vom Zukunftsinstitut mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov erstellte Studie "Trauerkultur der Zukunft" legt nahe: Es gibt einerseits Grabformen, die für die Verarbeitung von Trauer geeignet sind und andererseits solche, die bloße Beisetzungsorte ohne nennenswerten Beitrag zu ihrer Bewältigung sind. So erscheinen vor allem anonyme und halbanonyme Gräber, wie Rasengräber, Baumbeisetzungen oder gar Seebestattungen zwar auf den ersten Blick als praktisch. Zur Bewältigung des Verlustes geliebter Angehöriger können sie für viele Trauernde aber kaum beitragen. Denn dafür sind bestimmte Faktoren nötig, die dort teilweise oder ganz fehlen. In ihrem Forschungsbericht "Zur soziologischen Forschung über die Umgangsweisen mit Grabstätten" berichten Dr. Thorsten Benkel und Matthias Meitzler vom Lehrstuhl Soziologie der Universität Passau: "Die Menschen wollen sich einbringen, wollen ihrer Trauer am Beisetzungsort mittels persönlicher Gesten und Rituale individuellen Ausdruck verleihen." Die Studie "Trauerkultur der Zukunft" des Zukunftsinstitutes bestätigt das und präzisiert: "Der Besuch des Beisetzungsortes
erlaubt die direkteste Form der Verbindung mit dem Verstorbenen, aber auch eine Auseinandersetzung mit dem Verlust." 

Individuelle Trauerhandlungen sind heilsam
Dabei bieten "Handlungen oder Rituale am Ort der Bestattung eine gesteigerte Chance, das Bedürfnis der Aufrechterhaltung, Weiterführung oder Neu-gestaltung der Beziehung zu dem Verstorbenen zu erfüllen", so der Trendforscher Matthias Horx weiter. "Individuelle Trauerhandlungen können hier grundsätzlich zu heilsamen Handlungen werden." Der Studie zufolge "werden individuelle Handlungen am Grab zu einem menschlichen Grundbedürfnis, weil sie eine positive Wirkung auf Trauernde und für die Trauerbewältigung haben. Erfolgreiche Trauerarbeit, gelingende Trauerbewältigung, braucht Identitätsarbeit. Namen- und zeichenlose Grabstätten eignen sich nicht dafür."

Dr. Dirk Pörschmann, Direktor des Zentralinstituts und Museums für Sepulkralkultur in Kassel und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V., erklärt: "Gerade bei anonymen und halbanonymen Beisetzungsformen, wie Rasenfeldern, Baum- und Naturgräbern, sind eben diese wichtigen Handlungen, wie das Aufstellen von Blumen, das Ablegen von Erinnerungsstücken oder Briefen am Beisetzungsort nicht gestattet" und appelliert: "Die Wahl der Beisetzungsform sollte daher gut überlegt sein. Denn für viele ist ein Grab nur ein guter Trauerort, wenn diese Rituale erlaubt und möglich sind." Das erfordert letztlich auch, Friedhöfe konsequent als Orte für die Lebenden zu denken. „Es gilt, an die tatsächlichen Bedürfnisse der Hinterbliebenen, nämlich an die Überwindung des Trauerschmerzes und das Zurechtfinden in der neuen Lebenswirklichkeit angepasste Beisetzungsorte zu entwickeln“, bestätigt Matthias Horx.

Die genannten wissenschaftlichen Studien sind in dem Buch „Raum für Trauer“ zusammengefasst. Es ist, ebenso wie die "Acht Thesen zur Trauerkultur im Zeitalter der Individualität" von Matthias Horx, über www.trauer-now.de zu beziehen. 

(Veröffentlicht am 29. Oktober 2021)