Achtung Abnahme!

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Gemäß § 640 Abs. 1 BGB ist der Auftraggeber verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, wobei er die Abnahme wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigern darf. Diese Vorschrift ist für alle Handwerksbetriebe unheimlich wichtig, denn die Abnahme ist Dreh- und Angelpunkt für die Fälligkeit der Vergütung und als Beginn der Gewährleistungszeit. Das OLG Frankfurt beurteilte hierzu einige immer wiederkehrende Konstellationen. Dessen Urteil wurde kürzlich rechtskräftig – nachdem die Nichtzulassungsbeschwerde des BGH zurückgewiesen worden war. Im OLG-Urteil (11.04.2019, Az. 11 U 61/13) ging es um Leistungen eines Generalunternehmers im Heizungsgewerk. Die Rechtslage lässt sich aber uneingeschränkt auf das Steinmetzhandwerk übertragen.

Der Fall
Der Generalunternehmer erstellte für den Auftraggeber ein Fertighaus und verlangte von ihm die Erklärung der Abnahme. Gemeinsam erstellten beide ein Abnahmeprotokoll, das noch zu erledigende Restarbeiten auswies sowie “Bedenken” des Auftraggebers wegen der Heizungsanlage. Diese gebe u.a. ein lautes Brummgeräusch ab und vibriere. Als der Generalunternehmer den Restwerklohn i.H.v. 75.000 € geltend machte, verweigerte der Auftraggeber die Zahlung mit Verweis auf die im Abnahmeprotokoll genannten Mängel. Vor Gericht gewann der Generalunternehmer aber in allen Instanzen.

Die Entscheidung
Das Gericht stellte zunächst fest, dass der Restwerklohn des Generalunternehmers in vollem Umfang fällig sei. Der vom Auftraggeber erklärten Abnahme stehe zunächst nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Erklärung noch Restarbeiten zu erledigen waren. Dasselbe gelte für die befürchteten Mängel an der Heizungsanlage. Selbst wenn die “Bedenken” des Auftraggebers als Verweigerung der Abnahme eingeordnet würden, behalte dieser Recht. Das laute Brummgeräusch sowie die Vibrationen stellen dem Gericht zufolge allenfalls einen unwesentlichen Mangel dar. Somit hätte der Auftraggeber die Abnahme gar nicht verweigern dürfen.


Für die Praxis

  1. Die Vergütung des Steinmetzbetriebs ist fällig, wenn die Leistungen vom Auftraggeber abgenommen oder ansonsten abnahmereif erbracht wurden.
  2. Unwesentliche Mängel stehen der Abnahmereife nicht entgegen. Bestreitet der Auftraggeber die Abnahmereife, kann ihm der Steinmetz gemäß § 640 Abs. 2 BGB eine Frist zur Abnahme setzen, wobei er gegenüber Verbrauchern nicht die notwendige Belehrung (§ 640 Abs. 2 S. 2 BGB!) vergessen darf.
  3. Ob ein Mangel unwesentlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Mangel muss so weit zurück treten, dass es unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Auftraggeber zumutbar ist, eine Abwicklung des Vertrags nicht länger aufzuhalten und deshalb nicht mehr auf den Vorteilen vor der Abnahme zu bestehen:
    a) Funktionale Mängel dürften in der Regel wesentlich sein. Dasselbe gilt für Mängel, von welchen eine Gefährdung von Personen ausgeht.
    b) Je nach Interessenlage des Auftraggebers können auch optische Mängel wesentlich sein.
    c) Zahlreiche unwesentliche Mängel können einem wesentlichen Mangel gleichstehen.
  4. Falls noch Restleistungen zu erbringen sind, liegt an sich noch keine vertragsmäßige Herstellung des Werks gemäß § 640 Abs. 1 BGB vor. Wenn diese Restleistungen jedoch ebenfalls unwesentlich weil für die Entscheidung des Auftraggebers über die Erklärung der Abnahme unbedeutend sind, stehen auch sie dem Abnahmeverlangen nicht entgegen (“Restfertigstellungsmangel”).
  5. Erklärt der Auftraggeber die Abnahme, obwohl keine Abnahmereife aufgrund z.B. wesentlicher Mängel bestand, ist das für den Steinmetzbetrieb folgenlos. Die einmal erklärte Abnahme des Auftraggebers bleibt bestehen.
  6. Der Abnahme gleichgestellt ist die endgültige (unberechtigte) Abnahmeverweigerung. Diese kann sich auch aus den Umständen ergeben, z.B. wenn die vom Auftraggeber zur Nacherfüllung gesetzte Frist abgelaufen ist, der Steinmetz-Betrieb diese später aber doch anbietet und der Auftraggeber die Nacherfüllung nunmehr ablehnt.
  7. Der Auftraggeber muss sich bei der Erklärung der Abnahme sowie in allen anderen Fällen des Eintritts der Abnahmewirkung ihm bekannte Mängel bzw. eine etwaige Vertragsstrafe vorbehalten. Andernfalls kann er die diesbezüglichen Mängelansprüche (§ 640 Abs. 3 BGB) bzw. den Anspruch auf die Vertragsstrafe (§§ 341 Abs. 3 BGB, 11 Abs. 4 VOB/B) verlieren. 

(Veröffentlicht am 10. November 2022)

Autor/in: Christian Siebert