Abschied und Jubiläum

Günter Dittmann am Stein. Im Ruhestand will er sich wieder mehr Zeit für die Bildhauerei nehmen. Fotos: privat

"Sanfter Abgang": Nach 32 Jahren verließ Günter Dittmann die Steinmetzschule Königslutter auf einer Sänfte.

Symbolische Schlüsselübergabe: Kai Görder (l.) folgt Günter Dittmann als Leiter der Steinmetzschule Königslutter.

Die Steinmetzschule Königslutter feiert in diesem Jahr 75-jähriges Bestehen. Ihr lang­jähriger Leiter Günter Dittmann wurde Anfang Juni in den Ruhestand verabschiedet.

Am 3. Juni wurde in der Steinmetzschule in Königslutter gefeiert. Gründe gab es gleich mehrere: Die Einrichtung besteht seit 75 Jahren, die Techniker hatten gerade ihr Examen absolviert und Schulleiter Günter Dittmann verabschiedete sich in den Ruhestand. Das Wirken des 63-Jährigen wurde ausführlich gewürdigt. Frank Schuster, Landesinnungsmeister in Sachsen-Anhalt, überreichte ihm die Silberne Ehrennadel des Bundesverbands Deutscher Steinmetze (BIV). "Eine Epoche geht zu Ende", sagte der stellvertretende Landrat Rolf-Dieter Backhaus vor rund 300 Lehrern, Schülern, Vertretern aus der Politik, Ehemaligen und Ehrengästen. "Es war sehr egoistisch von Dir, den Job so gut zu machen – denk mal an die, die nach Dir kommen", legte Lehrer Achim Birke nach. Und Silvia Gerberding vom Niedersächsischen Kultusministerium betonte, dass die Schule über die Landesgrenze hinaus einen ausgezeichneten Ruf genieße. "Hier herrscht ein guter Geist und ein hohes fachliches Niveau."

Dittmann selbst spannte in seiner Festrede den Bogen von der Schulgründung 1941 im Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart und ging immer wieder auf Veränderungen und Entwicklungen ein, die sich im technologischen Bereich, aber auch im Hinblick auf das Bild des Lehrers und die Stellung der Schüler vollzogen haben.
"Die Schule ist zum Dienstleister geworden – für Betriebe und deren Bedarf, aber vor allem auch für die Schülerinnen und Schüler", sagte er.

Liebe auf den zweiten Blick
32 Jahre – mehr als die Hälfte seines Lebens – war Dittmann an der Steinmetzschule tätig, erst als Gestaltungslehrer, dann als Betreuer der Fachklasse Steintechnik und seit 2008 schließlich als Schulleiter. Als er 1984 ins niedersächsische Königslutter zog, um eine Stelle als Gestaltungslehrer anzutreten, war er nicht sicher, ob er lange bleiben würde. Damals lag die rund 15.000 Einwohner zählende Stadt an der Grenze zur DDR, war "Zonenrandgebiet". Dittmann und seine Familie kamen aus Aachen, der Stadt Karls des Großen, im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen an der grünen Grenze zu Belgien und den Niederlanden gelegen. Im Rückblick spricht er von einem "Kulturschock".
Letztendlich ist er dann doch in Königslutter geblieben. Die Schule habe ihn überzeugt, sagt er. Sowohl die Lehrer als auch die Schüler hätten ihn freundlich aufgenommen. Im Lauf der Jahre sei er tief in die Steinmetzwelt eingetaucht. So hat er beispielsweise Kontakte zu Betrieben und Verbänden aufgebaut und gepflegt.

Tradition und Moderne
Dittmann hat während seiner Zeit an der Schule viel erlebt und mitgestaltet. Nach der Wende kamen auch Schüler aus der ehemaligen DDR. Damals habe es durchaus "Wessi-Ossi-Konflikte" gegeben, erzählt er. Mittlerweile spiele das Thema keine Rolle mehr. Einen großen Umbruch – für die Schule und die gesamte Gesellschaft – brachte die Einführung von Computern und später das Internet. Als Dittmann nach Königslutter kam, arbeiteten die Schüler noch mit Gattern oder Großkreissägen. Dann brach das CNC-Zeitalter an – mit weitreichenden Folgen für die gesamte Natursteinbranche. "Die technologischen Riesenschritte erfordern Neuausrichtungen in Lehre und Ausbildung, in Lehr- und Ausbildungsplänen, in den Ausstattungen der Schulen und natürlich auch bei den Lehrerkompetenzen", so der scheidende Schulleiter. Das Leitbild der Schule sei, einerseits Tradition zu bewahren, andererseits aber den Stand der Technik zu lehren. Neben dem Einsatz neuer Technologien ist es seiner Ansicht nach wichtig, die Gestaltung als wesentliches Element des Steinmetzberufs zu erhalten und entsprechende Kompetenzen auch künftigen Generationen zu vermitteln.

Das Thema Gestaltung wird Günter Dittmann weiterhin beschäftigen. Er freut sich laut eigenen Angaben darauf, im Ruhestand wieder Zeit für die Bildhauerei zu haben. Außerdem stehen Tangotanzen, Reisen, Wandern, Segeln und vieles mehr auf seiner "Freizeitagenda". Die Schulleitung übernimmt Kai Görder, der selbst seit Jahren als Lehrer in Königslutter tätig ist.

(18.7.2016)

Autor: Sebastian Hemmer