Teamarbeit fürs Münster
- Erstellt von Bärbel Holländer
- Newsbereich
Naturstein: Frau Dr. Vormann, Sie haben Ihren Dienst am 15. Februar begonnen und somit die ersten 100 Tage so gut wie hinter sich. Welche Ihrer Erwartungen haben sich bestätigt, und was hat Sie überrascht?
Dr. Heidi Vormann: Überrascht? Überrascht hat mich die Aufregung um meine Person. Ich sah mich und sehe mich auch weiterhin als Teil eines Teams, welches sich mit all seiner Kraft um das Ulmer Münster kümmert – vom Steinmetz über den Schreiner und Schlosser bis hin zum Schmied. Die Mitarbeiter der Bauhütte decken sehr viele Gewerke ab, welche am Münster gebraucht werden, und darum sollte und muss man das ganze Team gleichermaßen schätzen. Positiv haben mich meine Mitarbeiter überrascht. Die Umstellung auf eine neue Münsterbaumeisterin ist sicherlich nicht einfach. Ich arbeite viele Maßnahmen aus der Vergangenheit auf und versuche, diese zu einem Abschluss zu bringen. Andere Vorhaben erfordern aus meiner Sicht eine Wende um 180 Grad, und das ist für den einen oder anderen sicherlich befremdlich. Dennoch spüre ich bei fast allen einen großen Willen, gemeinsam neue Ziele zu suchen und diese zu gehen.
Der Erhalt und die Pflege des historischen Erbes ist eine Aufgabe im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz, den Bedürfnissen und Erwartungen der Kirchengemeinde sowie der Bürgerschaft und der Politik. Wie viel Ehrfurcht nötigt einem die Verantwortung für einen Sakralbau in der Dimension und Bedeutung des Ulmer Münsters ab?
Ich verstehe Ihre Frage gut, möchte sie aber völlig frei von einem "angeblich vorherrschenden Druck" beantworten. Am Ulmer Münster gab es drei Arten von Baumeistern: die Erbauer, die Vollender und die Bewahrer. Dies sah im Übrigen auch mein Vorgänger Michael Hilbert so. Ich gehöre eindeutig der letzten Gruppe an. Ich bin dafür verantwortlich, dass das Münster in seiner Einzigartigkeit bewahrt bleibt und die Mitarbeiter ein gutes Arbeitsumfeld haben, damit sie den immensen Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz gerecht werden können. Dabei lege ich sehr viel Wert auf Sicherheit und auf Abläufe, die wenn sie gemeinschaftlich geplant und besprochen werden, meist gut funktionieren. Nicht alles kann so bleiben, wie es war. Neue Herausforderungen verlangen neue Sicherheitskonzepte und Maßnahmen, beispielsweise, was den Klimawandel betrifft. Es werden Stürme kommen, wie wir sie noch nie hatten. Zudem sehe ich mich als Mittlerin zwischen der äußeren Welt wie der Öffentlichkeit und den Medien und der inneren Welt – unserer Bauhütte. Und natürlich ist meine Aufgabe kein normaler Job, sondern etwas Besonderes, schon weil das Ulmer Münster ein ganz besonderes Bauwerk ist. Ich kann Ihnen mitteilen, dass es mit der Denkmalpflege ein sehr gutes Miteinander gibt. Wir sprechen alle unsere Maßnahmen im Sinn des Münsters vertrauensvoll ab. Insofern kann ich diese Zusammenarbeit nur als positiv beschreiben. Ebenso sehe ich das Verhältnis zu den für das Münster Verantwortlichen, zur Münstergemeinde und zu den Bürgern im Allgemeinen. Wenn es Fragestellungen oder neue Sichtweisen gibt, werden diese gemeinschaftlich besprochen, diskutiert und entschieden, sodass ich bislang immer ein gutes Gefühl aus den Gremien mitgenommen habe. Und das ist gut so.
Was umfasst Ihr Arbeitsfeld als Ulmer Münsterbaumeisterin im Einzelnen? Wo liegen die Schwerpunkte?
Ich bin dabei, die begonnenen bzw. laufenden Baustellen zu Ende zu bringen. Beispiele sind hier der Orgelneubau im Chor, der Fenstertausch bzw. Einbau der beiden neuen Schmuckfenster oder aktuell die Gerüstertüchtigung am Hauptturm. Für mich war es deshalb wichtig, mich schnellstmöglich in bestehende Situationen und Planungsphasen einzuarbeiten, um getroffene Entscheidungen mittragen, revidieren oder an aktuelle Gegebenheiten anpassen zu können. Hierbei hilft mir vor allem unser erfahrener Hüttenmeister Andreas Böhm, der schon lang als verantwortlicher Hüttenmeister am Münster tätig ist und das Bauamt sowie die Bauhütte nach dem Tod von Michael Hilbert übergangsmäßig geleitet hat.
Das gesamte Interview lesen Sie in Naturstein 6/2021, ab Seite 21.
(Veröffentlicht am 8. Juni 2021)