Neue Erkenntnisse zur Wirkung von Friedhöfen
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Dass Friedhöfe als Ruhestätte für Tote dienen, ist bekannt. Eine bundesweite Forschungsinitiative mit Sitz im baden-württembergischen Süßen hat nun herausgefunden, dass die eigentliche Funktion von Beisetzungsorten eine viel wichtigere ist. Damit stößt sie in der Fachwelt auf große Resonanz – und in der Praxis auf Nachfrage.
Getragen von der Kunstgießerei Strassacker in Süßen hat die Initiative „Raum für Trauer“ in den letzten Jahren interdisziplinär zur Wirkung des Friedhofes auf trauernde Menschen geforscht. Erstmals in der Friedhofswelt wurde dabei festgestellt: Die eigentlich wichtigste Funktion von Beisetzungsorten liegt in ihrer möglichen psychologischen Wirkung auf die Hinterbliebenen. Die Rolle von Friedhöfen als „Abschiedsraum für Trauernde“ hat ein großes Potential für das psychische Wohlergehen von Bürgerinnen und Bürgern. Sie fand jedoch bislang zu wenig Beachtung, obwohl sie ein wichtiger Beitrag der Kommunen und Kirchen sein könnte, Fürsorge für Menschen in Lebenskrisen zu leisten.
Die Initiative „Raum für Trauer“ erforscht seit Jahren den gesellschaftlichen Umgang mit und die Verarbeitung von Trauer. Unter anderem ließ sie mehrere Forschungsprojekte mit Befragungen durchführen. Auch mit Vertretern der am Friedhof tätigen Berufe ist sie im engen Austausch. So sind deren Verbandsspitzen unter anderem über Workshops zum Thema einbezogen. Friedhöfe werden dabei auch unter Einbindung internationaler Psychologen und Soziologen als Räume für Trauer entwickelt.
Der Sprecher der Initiative Günter Czasny stellte die Erkenntnisse im September unter großer Aufmerksamkeit der Fachwelt auf der internationalen Trauerkonferenz in Kopenhagen vor. Er weiß: „Für die Integration dieser Erkenntnisse sind oft nur kleine Veränderungen notwendig. Durch sie kann der Friedhof einen wertvollen Beitrag für das psychische Wohlergehen leisten und erlebbar machen und so letztlich das gesellschaftliche Miteinander verbessern.“
Es gelte, so Czasny, die Menschen von der Pflicht zur Grabpflege zu befreien – und ihnen gleichzeitig individuelle Trauerrituale direkt am Beisetzungsort zu ermöglichen. Viele Beisetzungsformen, wie zum Beispiel Kolumbarien und teilweise auch Gemeinschaftsanlagen auf Friedhöfen oder die Beisetzung in Wäldern, gehen genau auf diesen wichtigen Unterschied nicht ein. Sie entlasten zwar vermeintlich die Angehörigen von der Grabpflege. Damit einher geht aber in den meisten Fällen auch, dass das Ablegen von Blumen und Aufstellen von Kerzen oder anderen persönlichen Gegenständen am Beisetzungsort verboten ist. „Doch Trauerhandlungen direkt am Grab sind der Versuch, dem Verstorbenen nah zu sein, mit ihm auf einer anderen, neuen Ebene zu kommunizieren. Wo das verboten ist oder wo der genaue Beisetzungsort nicht bekannt ist, kann das nicht gelingen – ist die Verarbeitung der Trauer, die Umwandlung in liebevolles Gedenken, gestört“ so Günter Czasny.
Auf dem Süßener Friedhof „Stiegelwiesen“ wurden bereits vor Jahren zwei Grabanlagen nach den neuen Erkenntnissen gestaltet – und sind bereits ausgebucht. Gerade hat der Gemeinderat daher beschlossen, diese Flächen zu erweitern. „Der Erfolg spricht für sich. Bürgerinnen und Bürger brauchen funktionierende Friedhöfe – ohne Verpflichtung, jedoch mit Handlungsfreiheit, und zwar gut erreichbar im Ort“ ist Günter Czasny überzeugt.
www.raum-fuer-trauer.de , www.trauer-now.de
Quelle: Initiative Raum für Trauer
(20.11.2022)