Auf dem Friedhof muss die Trauer in den Mittelpunkt
- Erstellt von Willy Hafner
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Matthias Horx befasst sich seit vielen Jahren mit gesellschaftlichen Veränderungen und den Chancen, die sich aus diesen Veränderungen ergeben. Krisen verändern, sagt er, sie leiten neue Epochen ein oder helfen, das Alte zu überwinden. Die gegenwärtige Welt sieht der Zukunftsforscher in einem massiven Umbruch, auch und gerade auf dem Friedhof. 2019 veröffentlichte er acht Thesen zum Wandel der gegenwärtigen Trauer-, Bestattungsund Friedhofskultur. Den Rahmen für diese Veröffentlichung bildete das von der "Kunstgießerei Strassacker" initiierte und von der "Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal" ideell unterstützte Projekt "Raum für Trauer". Horx’ Überlegungen sind provokant und wollen – nicht zuletzt – die am Friedhof tätigen Gewerke aufrütteln. Anders als oft behauptet, ist der Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft laut Horx nicht tabu – im Gegenteil: Er sei allgegenwärtig. Tötungsdelikte hätten nicht nur im Fernsehen Konjunktur. Tabuisiert werde weder der Tod noch das Sterben.
Trauern ist tabu
Tabu sei hingegen das Gefühl der Trauer. "Es sind die trauernden Menschen, die den Lebenden lästig sind und in den Augen der anderen nicht mehr funktionieren", hat Matthias Horx festgestellt. Unter dem Titel "Heilsame Abschiede" erläutert er in seinen "acht Thesen", wie und warum trauernde Menschen die sozialen und vor allem die ökonomischen Routinen der Lebenden stören. Wo Empathie und Achtsamkeit, vertrauensvolle Beziehungen, soziale und psychologische Kompetenzen gefragt wären, stünden Konventionen, Regeln und Bestimmungen im Vordergrund. Die bestehenden Friedhöfe mit ihren Verordnungen, Vorschriften und Verboten sind für Matthias Horx ein eindrückliches Beispiel hierfür. Die offensichtliche Folge sei ihr allmählicher Verfall. "Der einst weitgehend alternativlose Beisetzungsort für alle ist in die Krise geraten. Auf den Wertewandel der Gesellschaft finden die dort Verantwortlichen kaum eine Antwort", so Matthias Horx in seinen Ausführungen zur Trauerkultur im Zeitalter der Individualität. Die Verwalter bestünden auf starre Strukturen und bürokratische Reglementierungen, die Gewerke auf ein Produktportfolio aus dem 20. Jahrhundert und die Hinterbliebenen auf die "scheinbare Individualität der beliebigen Äußerlichkeiten". Viele der heute auf Friedhöfen angebotenen, sog. alternativen Beisetzungsorte, blieben für die Menschen ohne wirklichen Bezug. "Die für Menschen notwendigen Räume der Trauer verschwinden im Einerlei der bunten Streuwiesen, der steinernen Urnenwände und der aussagelosen Gemeinschaftsfelder", so Horx. Eine weithin sichtbare Verwüstung sei die Folge. Die Verantwortlichen hätten mit diesen, scheinbar kundennahen und vordergründig bedürfnisorientierten Angeboten "den Menschen ihren Ort zum Trauern genommen", so der Zukunftsforscher, dem auf den Friedhöfen die "Lebenslandschaften" mit einem für alle Menschen einladenden Charakter fehlen.
Trauernde in den Fokus rücken
Sollen die Friedhöfe eine Zukunft haben, müssen sie die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt rücken, ist Horx überzeugt. Die für die Friedhöfe Verantwortlichen sollten die individuellen Wünsche der Hinterbliebenen ernst nehmen, und, so eine weitere Forderung des Zukunftsforschers, ihr Angebot nachhaltig ändern. Für ihn sind Friedhöfe so zu gestalten, dass sie die Empfindungen Trauernder weit stärker in den Mittelpunkt stellen und allen Menschen ein würdevolles Abschiednehmen ermöglichen. Es liegt, so Matthias Horx, an den für die Friedhöfe Verantwortlichen das Gewohnte zu überwinden und neue, für die Menschen nützliche Strategien zu entwickeln. Zukunft ist für Horx eine innere Entscheidung. "Sie kann nur entstehen, wenn Menschen eine Vision oder Idee von Verbesserung haben und wenn sie bewusst mit dem Phänomen der Krise umgehen". Wichtig sei die Blickrichtung. Das bedeutet für Matthias Horx, nicht zu jammern, zu klagen, andere für die eigenen Probleme verantwortlich zu machen oder die Angebote von Wettbewerbern schlecht zu reden. Soll der Friedhof eine Zukunft haben, müssen die Verantwortlichen heute die Strategien für seinen Wandel erarbeiten.
Den Rahmen für diese Veröffentlichung bildete das von der "Kunstgießerei Strassacker" initiierte und von der "Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal" ideell unterstützte Projekt "Raum für Trauer“.
Horx’ Überlegungen sind provokant und wollen – nicht zuletzt – die am Friedhof tätigen Gewerke aufrütteln ...
(Veröffentlicht am 4. Januar 2021)