Station 3, Hans Paar: "Das Gesetz des Mittelalters" (785 n. Chr.)
Die museale Vitrine beinhaltet einen in Steinfragmenten gravierten Gesetzestext, der im frühen Mittelalter von Kaiser Karl dem Großen verfügt wird (Edikt von Paderborn): Unter Androhung der Todesstrafe dürfen Leichen demnach nicht mehr verbrannt und müssen rund um die Reliquie einer Kirche bestattet werden. Hans Paar, Steinmetzmeister aus Fladnitz im Raabtal, erweitert diesen Gesetzestext mit "zeitgeistigen" Geboten der Gegenwart. Unsichtbar vereint und festgeschrieben in ein und derselben Steintafel stehen sich hier zwei konkurrierende Weltbilder gegenüber, ein mittelalterliches und ein zeitgenössisches.
Station 5, Thomas Pilsl: "Gotischer Peilstein" (1280 n. Chr.)
Ein Grabstein in Form eines gotischen Spitzbogens und eines Nonnenkopfes zur Durchsicht trägt kein herkömmliches, schmuckes Kreuz, sondern ein Fadenkreuz. Der Stein ist zwischen zwei alten, bereits bestehenden Meridiansteinen positioniert, die den Blick auf die Sternwarte des Stiftes lenken sollen. Im Mittelalter sind es christliche Heilige oder deren Reliquien, nach denen die Grabungsstätten rund um die Kirche ausgerichtet werden. Wichtiger als repräsentative Grabsteine ist das Naheverhältnis der Toten zur Strahlkraft des Heiligen. Thomas Pilsl (Schärdinger Granit Industrie GmbH), Steinmetz aus St. Florian am Inn, installiert auf einer drehbaren Scheibe zusammen mit einem Hocker einen eigenen Peilstein. Das via Fadenkreuz angepeilte Objekt ist dadurch nicht mehr vorherbestimmt. Jeder kann nun selbst die Perspektive wechseln und nach einer Zukunft des Erinnerns suchen, die sich anzupeilen lohnt.
Station 6, Rudi Wienerroither: "Schriftbilder der Renaissance" (1460 n. Chr.)
Während der großen Pestwellen in Europa entstehen außerhalb der Städte und abseits der Kirchen die ersten Friedhöfe. Die Frage nach der Gestaltung dieser neuen Orte gewinnt – gerade auch im Kontext der Reformation – zusehends an Bedeutung. Vor allem die Schrift wird zu einem wichtigen Gestaltungselement. Rudi Wienerroither, Steinmetzmeister aus Frankenburg, greift dieses Renaissance-Thema auf und gestaltet einen Stein aus Sölker Marmor, der die Besucher zwingt, um das Objekt herumzugehen: Die Inschrift, ein Zitat Oscar Wildes, ist nach der mathematischen Figur der Endlosschleife angelegt und soll die Betrachter in Bewegung versetzen. Der geloopte Text verschwimmt mit der Textur des Materials und dessen Ewigkeitsanspruch
Auf der Erde liegt weiß glitzernder Marmor in Form einer Grabplatte und nimmt Maß am menschlichen Körper. Bezugnehmend auf Leonardo da Vincis Proportionsstudie und den damals neuen Friedhofstyp Campo Santo wird hier das Postulat von der "Gleichheit der Menschen im Tod" visualisiert. Sind es in der Renaissance noch aufwändig gearbeitete Reliefs, welche angesehene Fürsten repräsentieren, verweist heute oftmals ein schlichter Abdruck auf die Abwesenheit eines Verstorbenen. Norbert Kienesberger, Steinmetzmeister aus Schlüsslberg, arbeitet den Abdruck eines anonymen "Schneeengels" heraus, dessen Bewegung eingefroren wird. (Fast) jeder könnte in dieser Passform Platz finden.
Station 8, Ernestine Lehrer: "Das Totenbrett" (1630 n. Chr.)
Im 17. Jahrhundert setzt sich der Wille zur Repräsentation und die Tendenz, Grabstätten auch zu kennzeichnen, immer stärker durch. Vielerorts wird als persönliches Grabzeichen das einfache Totenbrett verwendet: Ein rechteckiges Holzbrett, auf dem der Tote zunächst aufgebahrt, dann zum Friedhof getragen wird, ehe das Brett in die Vertikale gebracht und beschriftet wird. Ernestine Lehrer, Steinmetzmeisterin aus Wippenham, macht dieses Brett zum Medium und Speicher von Erinnerung aller Vorbeikommenden.
Station 9, Erich Trummer: "Der liebe Tod und ich" (1720 n. Chr.)
Mitte des 18. Jahrhunderts konstituiert sich das Erscheinungsbild moderner Friedhöfe, nämlich als Aneinanderreihung steinerner Grabmarkierungen. Der Totenkopf ist zusammen mit anderen Vanitas-Motiven ein vielzitiertes Symbol von Vergänglichkeit. Durchaus heiter dargestellt, soll er im Hochbarock den Verfall des menschlichen Körpers zeigen. Erich Trummer, Steinmetzmeister aus Gnas, fertigt einen Totenkopf aus weißem Marmor und erhebt ihn auf einen Sockel, der die durchschnittliche Größe eines erwachsenen Menschen aufweist. Im Spiegel gegenüber kann man sich selbst und dem "Tod" in die Augen blicken und über die eigene Vergänglichkeit nachdenken.
Station 10, Stephan Pointner: "Der bürgerliche Parkfriedhof (1840 n. Chr.)
Im 19. Jahrhundert werden Friedhöfe bewusst für die Betrachter gestaltet, selbst einfache Leute bekommen ihr eigenes Grab. Es entsteht der "schöne"
Station 11, Michael Gruber: "Die Würde des Menschen" (1963 n. Chr.)
Mit dem zweiten Vatikanum toleriert auch die katholische Kirche die Kremation. Es werden erste Urnenbeisetzungen unter anonymen Wiesengrabfeldern angeboten. Der tote Körper wird verbrannt, der Leichnam nicht mehr erdbestattet, was zu Überhangsflächen auf Kommunalfriedhöfen führt. Michael Gruber, Steinmetzmeister aus Kremsmünster, macht auf diese für ihn negative Entwicklung aufmerksam ("Entsorgung des Menschen"), indem er ein düsteres Zukunftsszenario zeichnet: Erhöht wird nicht mehr das Abbild eines Heiligen, sondern ein einfacher Schoßhund, der ähnlich dem "Goldenen Kal" angebetet werden kann. Menschliche Reste hingegen mischen sich als Urnen mit dem Unrat der Gesellschaft.
Station 12, Ortrun Skala: "Masse ist Klasse" (1985 n. Chr.)
Im 20. Jahrhundert sind Friedhöfe durch industriell gefertigte Massenware der Granitindustrie geprägt. All zu stark reglementierte Trauerstätten bedingen einen maschinengerechten Friedhof und umgekehrt. Die Suche nach neuen, fremdländischen Materialien steht im Vordergrund. Eine Aneinanderreihung gleichförmiger Gräber bestimmt das Friedhofsbild der Postmoderne. Ortrun Skala (Fa. Poschacher), Steinmetzin aus Mauthausen, kritisiert selbstironisch diese Praxis und die damit einhergehende Tristesse: Der Leitspruch "Masse ist Klasse" wird unterwandert, indem in sieben industriegenormten Grabsteinen "Aktion" eingraviert und der Stein dadurch entwertet wird. Masse verwöhnt die Kasse, beschleunigt aber auch den Zerfall kommunaler Friedhöfe.
Station 13, Bernhard Baumgartner: "Die neue Alternative: Stein" (2017 n. Chr.)
Gegenwärtig bestimmen alternative Bestattungsformen Friedhofsdiskurs und -praxis. Individualisten des 21. Jahrhunderts suchen nach neuen Formen des persönlichen Erinnerns. Zeitgenössische Steinmetze bieten daher das personenbezogene Grabmal und verweisen auf die Bedeutung eines markanten Grabzeichens, durch welches das Individuum einzigartig repräsentiert wird. Bernhard Baumgartner, Steinmetzmeister aus Vöcklabruck, verbindet den zunehmenden Wunsch nach einer Baumbestattung mit einem steinernen Grabeszeichen: Durch das eingearbeitete Mühlespiel am Grabstein werden Besucher eingeladen, für länger als ein Vaterunser am Grab zu verweilen und sich danach einen Spielstein mit nach Hause zu nehmen. Unter Einbeziehung des Verstorbenen wird der Friedhof so zu einem Ort der Kommunikation und des öffentlichen Erinnerns.
(Veröffentlicht am 29. August 2017)