Steinmetze auf der Grünen Woche in Berlin

Die "Lebende Werkstatt" auf der Grünen Woche bot Besuchern Gelegenheit, den Steinfachleuten über die Schulter zu schauen. (Fotos: Sabine Meißner)

Obermeister Arne Schenke (Bildmitte) beantwortete die Fragen der Messebesucher

Die Auszubildenden Julia Laposi (li.) und Paula Böhmer vertraten auf der Grünen Woche in der "Lebenden Werkstatt" den Berufsstand der Steinmetze/Steinbildhauer.

Die Steinmetz- und Bildhauer-Innung Berlin präsentierte sich vom 19. bis 28. Januar mit einer "Lebenden Werkstatt" auf der Internationalen Grünen Woche in der Hauptstadt. Interessierte Messebesucher hatten Gelegenheit, den Steinfachleuten über die Schulter zu schauen und zu erleben, wie Naturstein bearbeitet wird und was den Berufsstand kennzeichnet.

Naturstein besuchte die Werkstatt auf der Messe, wo im Auftrag der Innung Lehrlingswart Ole Meinecke mit zwei jungen Frauen, den Auszubildenden Paula Böhmer und Julia Laposi, unter den Augen der Öffentlichkeit arbeitete. Die Drei erfüllten die Werkstatt mit Leben und antworteten nebenbei auf alle Fragen, die ihnen zahlreich von den Messebesuchern gestellt wurden. Zeitweilig war auch Obermeister Arne Schenke dabei und informierte im lockeren Gespräch über die Naturstein-Branche und den Beruf Steinmetz- und Steinbildhauer. "Wir können für unseren Beruf in Anspruch nehmen", erklärte er einigen Schaulustigen, "zu den Ältesten der Menschheit zu gehören". Das nahmen die Umstehenden ebenso beeindruckt zur Kenntnis, wie sie mit Respekt die Tätigkeit von Ole Meinecke beobachteten, der an einer knapp 3 m hohen Gedenktafel für die Präsidentinnen und Präsidenten der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft arbeitete. "Am 14. Februar soll die Tafel, ein italienischer Kalkstein, ihren Platz erhalten und muss selbstverständlich bis dahin fertiggestellt sein", erklärte der für Lehrlingsausbildung zuständige Steinmetz- und Steinbildhauermeister. "Was wiegt denn so eine große Steintafel und was ist das für ein Stein?", wollte ein Junge wissen, der mit Lehrer und Klassenkameraden gekommen war. "Der Stein hat die Maße 2,80 x 1,12 x 0,08 m und wog beim Transport etwa 700 kg", sagte Ole Meinecke. Er erklärte, dass es sehr schwierig gewesen sei, eine Tafel in dieser Größe zu bekommen und letztendlich das Unternehmen Just Naturstein diese geliefert habe. 

Es war also alles andere als Beschäftigungstherapie, was die Besucher der lebenden Werkstatt da zu sehen bekamen. Entsprechend die Reaktion eines Zuschauers: "Kein Wunder, dass ein Grabstein vom Steinmetz seinen Preis hat." Der das sagte, äußerte auch seine Bewunderung für die ruhige Hand des Meisters beim Aufbringen der Schrift. Tags zuvor war Ole Meinecke gefragt worden, warum die Schrift von Hand in den Stein gehauen werde und ob das nicht viel zu aufwändig sei. Für ihn sei das eine Frage der Qualität, weshalb seine Antwort lautete: "Schrift kommt ja von Schreiben." Es sei ihm wichtig, dass es eine handgezeichnete Schrift ist, mit dem Pinsel aufgezeichnet, "so wie ich es auf der Meisterschule bei Herrn Jakob in Freiburg gelernt habe".

Immer wieder traten jüngere oder ältere Messebesucher vom Zuschauerplatz in die zeitweilige Werkstatt hinein, um sich selbst auszuprobieren. Für sie hatten die Innungsmitglieder vorsorglich kleinere Werkstücke bereitgestellt, die dann teils mit Freude, teils mit Verzweiflung unter Anleitung der Fachleute behauen wurden.

Ernstzunehmende Arbeiten hatten sich auch die beiden Auszubildenden vorgenommen. "Der Meister hat eine Schale hingestellt", erklärte Paula Böhmer mit Blick auf einen hinter ihr stehenden grob bearbeiteten Naturstein, den sie noch auszuhöhlen hätte, damit er zur Schale würde. "Am Montag war er noch grob gespitzt", meinte sie, "bis zum Ende der Messe soll die Schale fertig sein, aber außer Pressluft kommt hier nix Maschinelles zum Einsatz".

Die beiden angehenden Steinmetz / Steinbildhauerinnen erklärten allen, die sich dafür interessierten, dass sie in Berlin Abitur gemacht haben, bevor sie sich für die Ausbildung entschieden. "Ich wollte etwas Kreatives und zugleich Praktisches machen", meinte Paula. Julia hatte die "Mischung aus Bau und künstlerischer Kreativität" gereizt. Ein Praktikum im Handwerksbetrieb Scherhag-Steinmetzwerkstätten im Zentrum der Hauptstadt hat beide Abiturientinnen zusammengeführt. Danach habe fest gestanden, "genau diesen Beruf" erlernen zu wollen. Auf die Frage, was sie von schwarzmalerischen Äußerungen, das Naturstein-Handwerk sei im Aussterben begriffen, halten, antworten sie: "Davon lassen wir uns das Berufsziel gar nicht vermiesen!"  Paula meinte, sie sei fest entschlossen, nach der Ausbildung auf Wanderschaft zu gehen und dann werde sie "schauen, wie man sein Brot verdient". Julia ergänzte mit Verweis auf den Ausbildungsschwerpunkt Grabmale: "Gestorben wird immer." Außerdem werde auch in Zukunft viel an historischen Bauten in Berlin oder anderswo zu sanieren und zu rekonstruieren sein.

Den beiden Azubis ist nicht bange um ihre Zukunft. Mit ihrem Optimismus gaben sie der lebenden Werkstatt auf der Grünen Woche ein Gesicht und zeigten denen, die bisher wenig über das Naturmaterial Stein wussten, dass es nicht nur alt, sondern auch formbar ist. Wie zur Bestätigung war aus den Reihen der Messebesucher zu hören: "Ein Steinmetz muss ja nicht nur mit Hammer und Meißel umgehen können, er muss auch sensibel am Stein arbeiten, zeichnen können und Maschinen bedienen."

(5.2.2018)

Autor/in: Sabine Meißner