Steinmetzblut ist keine Buttermilch

Karlheinz Lehmann (Foto: privat)

... - diesen Spruch habe ich von meinem Vater übernommen und bei Beginn meiner Selbstständigkeit im Jahre 2009 auf meine Fahrzeuge geschrieben. Meine Lehre habe ich 1987 in der Steinmetzfirma Josef Bräg in Pfullendorf begonnen und 1990 abgeschlossen. In dieser Firma wurde man noch ausgebildet - in allem, was zum Thema Stein gehört: Restauration, Bau und Grabmal. Wo passiert das heutzutage noch? Wir haben so einen schönen Beruf aber wozu verkommt er?

Frage ich heutzutage einen Gesellen, was er kann ist es entweder das eine oder das andere. Aber eben nicht das Ganze! Welcher Bäcker lernt nur den Boden für eine Torte herzustellen? Ja, ich weiß, dass viele jetzt Luft holen, um zu sagen: "Aber wir haben doch die Schulen, um auch den Rest auszubilden!". Das reicht aber nicht! Die Verantwortung für die Ausbildung liegt nicht in den Schulen, sondern in den Betrieben! Aber die Betriebe erwidern: "Wir müssen uns spezialisieren, um Geld zu verdienen!" Okay. Aber was spricht dagegen, seinen Azubi auch mal für ein paar Wochen in eine andere Firma zu schicken? Auf die Walz gehen im kleinen Rahmen. Wir können dadurch nur gewinnen! Der Azubi lernt etwas Neues, und wir als Firmen bekommen Steinmetz- und Steinbildhauergesellen, die überall einsetzbar sind.

Wer weiß denn heute noch, dass ein Steinmetz und Steinbildhauer bei der Arbeit am Stein einen Schurz trägt? Und ihn, wenn er seinen Arbeitsplatz verlässt, um auf dem Friedhof etwas nach zu messen, von rechts unten nach links oben hochsteckt, sodass er sauber ist? Wir sind Steinmetze und Steinbildhauer, die diesen Beruf gelernt haben, um etwas zu bewegen und zu erschaffen - und ich hoffe auch, um die Werte, die damit nach meinem Dafürhalten untrennbar verbunden sind, zu erhalten. "Ecken und Kanten zieren den Stein." Sollten wir da nicht auch für unseren Beruf "klare Kante" zeigen?! Traditionen, die zwar leider nicht ausgebildet werden, die aber gerade in unserem Job dazu gehören. Wir sind Steinmetze und Steinbildhauer und sollten mit geradem Kreuz dazu stehen und das kommunizieren! Eben weil "Steinmetzblut keine Buttermilch ist".

Und als ob unsere Arbeit nicht schon schwer genug ist, lassen wir uns auch noch überall die Butter vom Brot nehmen. Ich rede nicht von den Großprojekten in der Restaurierung, wo natürlich Steinmetze zum Einsatz kommen und das auch gut so ist! Aber wenn ich in Fachbroschüren lese, wie Gipser eine Hausfassade mit Restaurieurungsmörtel in Stand setzen, kocht bei mir mein Steinmetzblut hoch! Was hat dieses Gewerk dort zu suchen? Nur, weil es für Hausbesitzer und Architekten einfacher ist, nur einen Ansprechpartner zu haben? Ist das der Weg, den wir wollen? Ist das der Weg, der für das Gebäude der beste ist? Wir schreiben uns immer auf die Fahnen, für die Historie zu arbeiten und dann so was. Schuster bleib bei deinen Leis­ten! Als Steinmetze und Steinbildhauer verputzen wir ja auch keine Häuser!

Im Bausektor schreiben mich immer mehr Architekten an, die z.B. Simse für ihre Kunden möchten und DIN-Vorschriften mit in die LV aufnehmen, die für Bodenbeläge vorgeschrieben sind. Was soll das? Und wenn man den Architekten an die Hand nimmt, um ein Angebot zu schreiben, was auch Bestand hat, kommt der nächstbeste Fliesenleger um die Ecke und bekommt den Auftrag, nur, weil er ein paar Euro günstiger war, aber sich mit den Feinheiten gar nicht auseinandergesetzt hat. Schuster bleib bei deinen Leisten! Als Steinmetze und Steinbildhauer fliesen wir auch keine Bäder und Küchen!

Auf dem Friedhof muss ich mittlerweile den Friedhofsgärtner fragen, wie ich den Grabstein setzen darf. Die Genehmigung läuft noch über das Rathaus, aber der Rest? Die Pietät, die dem Friedhof obliegen sollte, ist doch verschwunden, seit Gärtner ihre bepflanzten Flächen mit Glaskästen und innen liegenden Flyern bewerben dürfen. Wo bleibt da unsere Innung, die dort einen Riegel vorschiebt? Die Aussage, dass die Gärtner-Innung sehr stark geworden ist, reicht mir an dieser Stelle nicht aus.

Und wie ist es mit den Landschaftsgärtnern, die mittlerweile den Häusle-Bauern auch Außenpodeste verkaufen - nur, weil sie gerade den Hof pflastern? Lassen wir uns das abermals gefallen? Auch dort haben wir uns die Butter vom Brot nehmen lassen! Für Stein war und ist der Steinmetz und Steinbildhauer zuständig, weil wir das lernen und dadurch können! Nicht der Landschaftsgärtner, der den Hörer in die Hand nimmt und in China containerweise Padang bestellt und gar nicht weiß, was für ein Material das ist, wie es entstand und wie es abgebaut wird. Nur der Preis ist heiß, aber Wissen nicht! Wie viele Steinbrüche mit hochwertigem deutschen Granit sind im Schwarzwald noch übrig, weil sie die den Preiskampf nicht mitgehen können und um zu überleben nur noch Bruch produzieren. Ist es richtig und ökonomisch, Mülleimer mit Granit aus China zu verkleiden? 

Bearbeitung: Susanne Storath

Zur Person:
Der Steinmetz- und Steinbildhauer sowie Restaurator Karlheinz Lehmann (46) ist Geschäftsführer der Steinmetzwerkstatt Lehmann in Hohenfels. Der gebürtige Berliner war für verschiedene Firmen u.a. am Konstanzer Münster tätig bis er sich 2009 selbstständig machte. Er bedient die Bereiche Grabmal, Restaurierung und Bau.

(Erschienen am 03.04.2017)