Neujahrsspaziergang auf dem Friedhof

Zahlreiche Personen beteiligten sich an einem Neujahrsspaziergang auf dem Waldfriedhof in Stahnsdorf. (Fotos: Sabine Meißner)

Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt führte die Besucher über die kulturhistorisch bedeutsame Friedhofsanlage.

Eingebettet in die Landschaft sind auf dem Gelände des Südwestkirchhofs zahlreiche Mausoleen und überdimensionale Grabwände zu finden.

Der Waldfriedhof in Stahnsdorf ist ein bedeutendes Park- und Landschaftsdenkmal und steht auf der Liste der Baudenkmale in Brandenburg. Am Neujahrstag zog er zahlreiche Besucher zur Besichtigung seiner historisch wertvollen Grabmale an.

An die 100 Personen begannen das neue Jahr mit einem Spaziergang über den Waldfriedhof in Stahnsdorf. Sie waren einer Einladung von Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt gefolgt, der sie in Arbeitsteilung mit Gerhard Petzholtz, Leiter des Fördervereins, bei diesem Rundgang über die kulturhistorisch bedeutsame Friedhofsanlage führte. So erlebten die Besucher am ersten Januartag 2018 eine Zeitreise in die Vergangenheit, wurden mit Berliner und deutscher Geschichte und zugleich mit Gartenkunst und Bestattungskultur konfrontiert.

1909 von der Evangelischen Kirche für den Südwesten Berlins eingerichtet, hat der Begräbnisplatz den Namen Südwestkirchhof erhalten. Er zählt mit 206 Hektar Fläche aktuell zu den größten in Deutschland. An Gräbern berühmter Persönlichkeiten, darunter Heinrich Zille, Engelbert Humperdinck, Friedrich Wilhelm Murnau und Werner v. Siemens, stoppte der Tross und erfuhr, dass von den 120.000 Toten auf diesem Friedhof zu Lebzeiten allerdings nur ein Teil prominent war. "Es ist kein Prominentenfriedhof", bemerkte Ihlefeldt. Gleichwohl haben viele Grabmale im Laufe der Zeit eine gewisse Prominenz erfahren, sei es durch die Gestaltung namhafter Künstler, den ideellen Hintergrund oder die Lebensgeschichte der jeweilig hier Ruhenden.

Ihlefeldt bezeichnete es als "besondere Form der Trauer", auf dem Friedhof spazieren zu gehen und dabei Kultur in der Form einer einzigartigen Dokumentation von Bestattungskultur eines langen Zeitraumes zu erleben. Eingebettet in die Landschaft sind auf dem Gelände des Südwestkirchhofs zahlreiche friedhofstypische Hochbauten zu finden: Mausoleen im Stil von Klassizismus und Expressionismus sowie Barock und Gotik, aber auch überdimensionale Grabwände. Mehrere Mausoleen und Erbbegräbnisse wurden von anderen Berliner Friedhöfen hierher überführt. Einige sind weit älter als 100 Jahre. Zum Teil konnten marode Bauwerke in den vergangenen Jahren gesichert oder restauriert werden. Andere seien dem Verfall ausgesetzt. Der Friedhofsverwalter machte deshalb deutlich, dass Unterstützer nötig sind und warb im Interesse der Erhaltung dieser Kultur für "Grabpatenschaften".

Der Stahnsdorfer Friedhof ist nicht nur historisch bedeutsam. Er dient bis heute als Begräbnisplatz und ermöglicht mehrere Bestattungsarten, darunter in Urnenwahlgrabstätten unter Bäumen oder in Urnengemeinschaftsgrabstätten. Ihlefeldt ließ jedoch deutlich werden, dass er von so genannter anonymer Bestattung nichts halte. In seiner Tätigkeit habe er wiederholt erfahren, dass die Lebenden einen Ort für ihre Trauer benötigen. Er zeigte sich als engagierter Verfechter einer lebendigen Trauerkultur. Die lockere Gartengestaltung des Stahnsdorfer Kirchhofs, ein Werk des Garteningenieurs Louis Meyer (1877–1955),  biete alle Voraussetzungen dafür. Der Friedhof könne Trauernden Raum für Besinnung sein und als Naturpark Kraft für das Leben nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen spenden. "Anonyme Bestattungen brauchen wir nicht", so Ihlefeldts Credo. Die Praxis zeige ihm, dass der "normale", entkrampfte Umgang mit dem Thema Tod für die Lebenden emotional besser zu verkraften sei.

Die evangelischen Kirchengemeinden des Berliner Südwestens sind auf dem Stahnsdorfer Friedhof ebenso präsent wie andere Religionsgemeinschaften. Jährlich werden etwa 800 bis 1.000 Verstorbene zu Grabe getragen. Die Besucher erfuhren, dass das nicht immer so war, denn zur Zeit des geteilten Berlins war der Friedhof territorial und an Bedeutung ins Abseits geraten. Eine "außergewöhnlich wilde Romantik", wie Ihlefeldt den daraus resultierenden Bewuchs bezeichnete, mache den Friedhof  in seiner jetzigen Erscheinung einzigartig im europäischen Vergleich. Dazu trage auch die Kapelle im Stil norwegischer Stabkirchen bei.

Der Südwestkirchhof Stahnsdorf ist Eigentum der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Seit 18 Jahren engagiert sich ein Förderverein für seinen Erhalt. 18 Mitarbeiter, darunter 15 Gärtner, pflegen und verwalten die Anlage. Zusätzlich sind bis zu zehn Personen im Rahmen von Arbeitsförderungsmaßnahmen tätig. Von 206 ha Friedhofsfläche werden 150 ha intensiv bewirtschaftet. In fünf Friedhofsabteilungen wird regelmäßig bestattet.

(8.1.2018)

Autor/in: Sabine Meißner