30 Jahre am Ulmer Münster

Emil Kräß (l.), mit Kollege Lutz Kummetat, hat in 30 Jahren als Steinmetz am Ulmer Münster viele Spuren hinterlassen. Foto: Bärbel Holländer

Emil Kräß, 55, arbeitet seit 30 Jahren als Steinmetz am Ulmer Münster und ist damit der Dienstälteste in der Münsterbauhütte. Bereits als 15-Jähriger wollte er dort nach dem Ende seiner Schulzeit in die Lehre gehen. Weil kein Platz frei war, absolvierte er seine Ausbildung bei einem Steinmetz in Ulm-Söflingen – eine harte Schule, was den jungen Kräß aber nicht vor seinem Traumberuf zurückschrecken ließ. Nach drei Jahren bestand er die Gesellenprüfung. Der Grabstein für seinen kurz zuvor tödlich verunglückten Vater war sein Gesellenstück. Wieder sprach er bei der Müns¬terbauhütte vor. Wieder bekam Kräß eine Absage. Er ging über die "Grenze" nach Bayern und landete in Nördlingen an der Bauhütte von St. Georg. Dort blieb er sieben Jahre, bis er sich für die Meisterschule in München bewarb – und erneut auf eine freie Stelle an der Ulmer Münsterbauhütte. Der inzwischen 25-Jährige bekam zwei Zusagen. 

Endlich am Ulmer Münster

Nach drei Anläufen endlich am Ziel, entschied sich Emil Kräß fürs Ulmer Münster. Mit 14 Kreuzblumen, die er am Ende schon "im Schlaf" anfertigen konnte, begann seine Laufbahn als Hüttenmitglied am Münster mit dem höchsten Kirchturm der Welt. Manche der Spuren, die Kräß in den zurückliegenden drei Jahrzehnten am Münster hinterließ, sieht nur der »liebe Gott«, so hoch oder versteckt liegen die Zierteile. Auf Genauigkeit und Augenmaß legt Kräß dennoch großen Wert. 

Er mag die Vielfältigkeit seiner Arbeit und bedauert, dass Arbeiten wie Gerüstbauen oder Dachschäden reparieren, die früher von den Steinmetzen erledigt wurden, heute an Fremdfirmen vergeben werden. Vieles sei durch Technik und Digitalisierung einfacher als zu Beginn seiner Laufbahn, sagt Kräß und erzählt vom Wassertransport auf den Turm per freischwebender Milchkanne am Seil. Auch das Kreuzblumenhauen gehe heute viel schneller als vor 30 Jahren. "Früher hörte man die Schläge von Hammer und Meißel. Heute den Lärm."

(5.7.2016)